Politik

Griechenland meldet Annäherung mit EZB in Schuldenfrage

Finanzminister Yanis Varoufakis sagt, dass er am Mittwoch mit dem EZB-Chef Mario Draghi eine Annäherung in der Schuldenfrage seines Landes erreicht habe. Das Gespräch mit Draghi sei jedenfalls „fruchtbar“ gewesen. Die EZB stellt sich somit indirekt an die Seite Griechenlands.
04.02.2015 18:01
Lesezeit: 3 min

Nach einem Treffen mit Zentralbank-Präsident Mario Draghi sprach der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis in einem Reuters-Interview von einem „fruchtbaren Gespräch“. Das Sparprogramm habe eine deflationäre Krise angeheizt, also einen schädlichen Preisverfall. Er sei zuversichtlich, die Gespräche mit den EU-Partnern, dem IWF und der EZB bald abschließen zu können. Zuvor hatte die Financial Times berichtet, die EZB sperre sich gegen neue Kurzfrist-Darlehen, um kurzfristige Finanzengpässe zu verhindern.

Doch die EZB stellt sich indirekt an die Seite Griechenlands. Alexis Tsipras unterhält seit langem gute, informelle Beziehungen zu EZB-Chef Mario Draghi. Der Ball könnte nun schon sehr bald im Feld der nordeuropäischen Steuerzahler landen: Anders als die EZB können Deutschland, die Niederlande, Finnland oder Österreich die Schulden der Griechen rechtlich schultern. Bis dahin kann etwa der ESM Kredite in erheblichem Ausmaß vergeben. Dort sind bereits europäische Steuergelder gelagert. Die Organe des ESM sind völlig immun, können für ihre Handlungen nicht zur Verantwortung gezogen werden und unter vollständiger Geheimhaltung operieren.

Bundeskanzlerin Angela Merkel, die am Freitag mit Martin Schulz und Francois Hollande konferierte, kann bei diesen Plänen keine aktive Rolle spielen. Sie wird vermutlich abwarten, wie sie den deutschen Steuerzahlern neue Milliarden-Lasten möglichst sanft verpackt verkaufen kann.

Hinter den Kulissen kursierten hingegen weitere Vorschläge, wie die Regierung in Athen dem Land Erleichterung verschaffen will. So brachte sie nach Angaben aus EU-Kreisen ins Gespräch, Kredite staatlicher Gläubiger in Beteiligungen an griechischen Banken zu tauschen. Zuvor war bekanntgeworden, dass sie Staatspapiere in nicht auslaufende „Ewigkeits-Anleihen“ und „BIP-Anleihen“ tauschen will, die an das Wirtschaftswachstum gekoppelt sind.

Vor seinem Besuch bei Schäuble versprach Varoufakis in einem Zeit-Interview ein Ende des Schuldenpolitik. „Griechenland wird - abzüglich der Zinsausgaben - nie wieder ein Haushaltsdefizit vorlegen. Nie, nie, nie!“ Deutschland müsse verstehen, dass es keine Abkehr vom Reformkurs bedeute, „wenn wir einem Rentner, der von 300 Euro im Monat lebt, zusätzlich 300 Euro im Jahr geben.“ Nach der Regierungsübernahme hatte die Tsipras-Regierung bisherige Reformvereinbarungen sofort gekippt.

Die Bundesregierung bleibt gegenüber Griechenland hart: Sie will sich von der neuen Regierung in Athen nicht von ihrem Spar- und Reformkurs für die Euro-Zone abbringen lassen. Nach Gesprächen in Brüssel zeigte sich Ministerpräsident Alexis Tsipras trotzdem optimistisch, bald eine Einigung mit den internationalen Gläubigern zu finden. Finanzminister Yanis Varoufakis kommt am Donnerstag zu seinem mit Spannung erwarteten Antrittsbesuch nach Berlin. Er setzt auf kurzfristige Unterstützung der Europäischen Zentralbank (EZB) und arbeitet an einem umfassenden Umschuldungsplan.

Was die neue Regierung in Athen in der Euro-Zone durchsetzen kann, entscheidet sich nicht zuletzt in Berlin. Dort standen vor dem Besuch von Varoufakis bei Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble die Signale allerdings nicht auf Richtungsänderung. Kanzlerin Angela Merkel forderte von Tsipras konkrete Vorschläge, wie er in der Krise weiter vorgehen wolle. Nach dem Regierungswechsel in Athen hatte der Linkspolitiker die Reform-Kontrolleure der EU, des IWF und der EZB ("Troika") faktisch aus dem Land geworfen und das Hilfsprogramm für beendet erklärt.

Nach einem Treffen mit EU-Parlamentspräsident Martin Schulz sagte Tsipras: „Wir haben zwar natürlich noch keine Einigung, aber wir sind auf einem guten Weg, eine praktikable Einigung zu finden.“ Zuvor hatte er auch EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und EU-Ratspräsident Donald Tusk getroffen. Am Nachmittag kam er mit Frankreichs Präsident Francois Hollande in Paris zusammen. Dort sagte Tsipras, seine Regierung habe den europäischen Partnern realistische Vorschläge unterbreitet.

Tusk dämpfte Hoffnungen auf eine rasche Einigung, wie es in dem überschuldeten Land weitergeht, das bei seinen Euro-Partnern und dem IWF mit insgesamt 240 Milliarden Euro in der Kreide steht. Das Gespräch mit Tsipras sei „offen und ehrlich“ gewesen, erklärte Tusk. Er erwarte nun schwierige Verhandlungen der Euro-Finanzminister. Merkel machte klar, dass sie „jedenfalls in der Substanz“ weiter von einer gemeinsamen Position der Euro-Mitglieder gegenüber Griechenland ausgeht. Sie habe sich mit Hollande und Italiens Regierungschef Matteo Renzi abgesprochen.

Schäubles Sprecher Martin Jäger sagte, mit Hilfe könne Griechenland weiter nur unter einem Hilfsprogramm rechnen. „Ein Schuldenschnitt oder eine Schuldenkonferenz sind für die Bundesregierung kein Thema.“ Auch an der Troika will Berlin nicht rütteln. Es sei eine „absolute Selbstverständlichkeit“ zu prüfen, ob ein Land für Hilfe zugesagte Gegenleistungen erbracht habe, so Jäger. Deutschland bürgt für Hilfsdarlehen von gut 50 Milliarden Euro und ist damit der größte Einzelgläubiger.

In einem Reuters vorliegenden Positionspapier fordert die Bundesregierung Tsipras de facto auf, Wahlzusagen zu kassieren. Demnach pocht Berlin auf eine „fortgesetzte Rolle“ der Troika, die Einhaltung von Zahlungspflichten, die Anerkennung der Unabhängigkeit der griechischen Notenbank und einen wachsenden Etat-Überschuss, bei dem Zinszahlungen allerdings herausgerechnet werden können. Auch auf einer Reduzierung der Beschäftigten im öffentlichen Dienst um 150.000 Personen besteht die deutsche Regierung, ebenso auf wesentliche Privatisierungen von Staatsfirmen, die Tsipras gestoppt hatte. Wegen solcher Reform- und Sparvorgaben ist die Troika in Griechenland seit langem verhasst. Die linke Syriza-Partei von Tsipras hat einen Kurswechsel versprochen und damit die Wahl gewonnen.

 

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