Der russische Präsident Wladimir Putin hat dem Westen vorgeworfen, den Ukraine-Konflikt als Vorwand für Sanktionen gegen sein Land zu missbrauchen. Ziel der Strafmaßnahmen sei vielmehr, den Einfluss Russlands einzudämmen, sagte Putin am Donnerstag in einer vom Fernsehen übertragenen Frage- und Antwortrunde mit der Bevölkerung. Mit den Ereignissen in der Ukraine stünden die Sanktionen in keinem direkten Zusammenhang. Putin wies erneut Vorwürfe aus dem Westen zurück, wonach Truppen seines Landes in der Ukraine eingesetzt werden. Verteidigungsminister Sergej Schoigu machte auf einer Sicherheitskonferenz in Moskau die USA und ihre Verbündeten für den Ukraine-Konflikt verantwortlich. Diese hätten versucht, das Land in den Westen zu integrieren. In der ukrainischen Hauptstadt Kiew erschossen unbekannte Täter einen prominenten prorussischen Journalisten.
Putin sagte, er habe Wirtschaftsvertretern gesagt, dass vorerst nicht mit einer Aufhebung der Strafmaßnahmen zu rechnen sei. Er kritisierte, dass die Sanktionen auch in Kraft geblieben seien, obwohl die ukrainische Regierung für das Scheitern einer vollständigen Umsetzung des Waffenstillstandsabkommens im Osten ihres Landes verantwortlich sei. Der Regierung in Kiew warf Putin zudem vor, die Region vom übrigen Land abzuschneiden, indem es die Bewohner vom Finanzsystem abkoppele und etwa keine Renten mehr überweise. Die EU und die USA werfen der Regierung in Moskau vor, die prorussischen Separatisten in der Ostukraine militärisch zu unterstützen und haben daher Sanktionen verhängt.
Schoigu erklärte, die USA und ihre Verbündeten "haben alle denkbaren Linien überschritten in ihrem Bestreben, Kiew in ihre Einflusssphäre zu holen." Dies sei auch der Grund für die Kämpfe. Dabei sollen 6000 Menschen ums Leben gekommen sein. "Wie viele Opfer wird es noch geben, bis die Ukrainer im Osten gezwungen sind, sich als 'Europäer' zu fühlen?", fragte Schoigu. Russland hatte im März vergangenen Jahres die Halbinsel Krim nach einer international nicht anerkannten Volksabstimmung annektiert. Der Westen begründet seine Sanktionen auch mit diesem Schritt.
In der ukrainischen Hauptstadt Kiew erschossen unterdessen zwei maskierte Täter den Journalisten Oles Busina, der für seine regierungskritischen Artikel bekannt war. Die Tat habe sich offenbar vor dessen Wohnung ereignet, teilte das Innenministerium mit. Der 45-Jährige arbeitete für die ukrainische Tageszeitung "Sewodnja" und kandidierte im vergangenen Jahr ohne Erfolg für die Partei Russischer Block bei der Parlamentswahl. Erst am Vortag war ein früherer Abgeordneter der Partei des gestürzten prorussischen Präsidenten Viktor Janukowitsch, Oleh Kalaschnikow, bei einem ähnlichen Attentat getötet worden. Präsident Petro Poroschenko ordnete eine schnelle und transparente Untersuchung an. Die Taten spielten "unseren Feinden in die Hände", erklärte er.
In Moskau wurden während des TV-Auftritts von Putin die Räume der Chodorkowsky-Stiftung Open Russia durchsucht. Die Stiftung veröffentlichte den Durchsuchungsbefehl, wonach die Anti-Terror-Einheit der Regierung den Verdacht hegt, die Stiftung wolle eine Demonstration für extremistische Zwecke verwenden. Chodorkowsky hatte zuletzt die Möglichkeit einer erneuten politische Betätigung in Russland eingeräumt. Er ist einer der schärfsten Putin-Kritiker und war von Putin erst im Vorjahr nach einer langjährigen Haftstrafe begnadigt worden. Chodorkowsky lebt heute in der Schweiz.