Die Euro-Retter in Brüssel toben: «Das geplante Referendum hat alles noch komplizierter gemacht», sagte ein anonymer EU-Diplomat der dpa am Samstag in Brüssel. «Das ist noch einmal eine Volte der griechischen Regierung, um alles durcheinander zu bringen.» Der Zeitplan sei nun nicht mehr einzuhalten. «Ich denke, dass jetzt über einen Plan B geredet werden muss», sagte der Diplomat. Die dpa erklärt uns, dass damit «üblicherweise eine Pleite oder ein Euro-Austritt Griechenlands umschrieben» wird.
Euro-Gruppenchef Dijsselbloem erklärt die Verhandlungen für offiziell gescheitert.
Der griechische Regierungschef Alexis Tsipras hatte am frühen Samstagmorgen im Fernsehen die Volksabstimmung für den 5. Juli angekündigt. Das aktuelle Hilfsprogramm der Europäer für Griechenland läuft aber bereits an diesem Dienstag (30. Juni) ab. Dann muss Athen auch 1,6 Milliarden Euro an den Internationalen Währungsfonds (IWF) zurückzahlen. Der letzte Vorschlag der Troika ist ein Selbstmord-Programm für Griechenland.
Tsipras kündigte an, eine kurzfristige Verlängerung des laufenden Kreditprogramms zu beantragen. Die Frage sei, ob die Euro-Finanzminister da mitmachten, sagte ein EU-Diplomat. Die Eurogruppe kommt um 14.00 Uhr in Brüssel zusammen. Bei dem Krisentreffen geht es um die Rettung Griechenlands vor der drohenden Staatspleite. Die Minister wollen sich mit der griechischen Regierung auf ein neues Austeritäts-Paket einigen. Dies ist Voraussetzung dafür, dass Griechenland bisher blockierte, weitere Kredite bekommt.
Die CDU spielt eine Vorreiterrolle in der Zerstörung der europäischen Werte: Ein Abgeordneter erklärte am Samstag, der Bundestag sollte auch dieser Minimal-Verlängerung nicht zustimmen. Es ist bemerkenswert, mit welch schlafwandlerischer Sicherheit ausgerechnet die CDU die EU zum Abschuss freizugeben scheint.
Griechenland lehnt die dramatischen Steuererhöhungen völlig zu Recht ab - weil sie die griechische Wirtschaft endgültig ruinieren würden: Der Tourismus würde zusammenbrechen, die auf dem Papier schön errechneten Primärüberschüsse würden niemals Realität.
Tsipras hat mit dem Referendum völlig recht - er muss eine Allianz finden. Die über Jahre gescheiterten Parteien Pasok und Nia Demokratia fallen bereits über ihn her oder locken ihn mit dem vergifteten Angebot einer Einheitsregierung. Sie wollen zurück an die Macht - koste es, was es wolle. Wie Tsipras allerdings seinem Volk erklären will, dass sowohl die Annahme des Troika-Ultimatums als auch der Crash in Griechenland für das griechische Volk verheerende Folgen haben würde, ist schwer vorstellbar. Er kann beim Referendum im Grunde keine Alternativen aufzeigen, weil jede Entscheidung neues Leid über die griechische Bevölkerung bringen wird.
Tatsächlich haben die Euro-Retter eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Sherrif (oder dem bornierten Volk) im Video über dem Artikel, der sich in seiner neuen Gemeinde selbst als Geisel nimmt, um seine neuen Untergebenen auszutricksen. Denn ein Austritt Griechenlands aus dem Euro-System würde die Steuerzahler der Euro-Staaten schlagartig um 340 Milliarden Euro erleichtern (eine detaillierte Analyse der Verluste hier).
Beruhigend für die Euro-Retter: Sie können Griechenland gar nicht aus dem Euro werfen, weil das nach den Verträgen nicht vorgesehen ist. In der EU herrscht das strenge Einstimmigkeitsprinzip: Griechenland kann also ein Veto gegen seinen Rauswurf einlegen. Allenfalls könnte Griechenland selbst austreten, was aber die EZB konterkarieren würde: Mario Draghi hatte die Euro-Zone 2012 mit der Erklärung gerettet, dass der Euro unwiderruflich sei. Treten die Griechen aus, wäre die Überzeugungskraft der EZB an den Finanzmärkten dramatisch beschädigt.
Eine Erklärung für die Aufregung der Euro-Finanzminister kann in ihrer seltsamen Rolle gefunden werden: Die Euro-Gruppe ist kein Verfassungsorgan der EU. Sie muss den politischen Anordnungen folgen. Wenn aber die Anordnungen so wie in der Griechenland-Krise völlig konfus sind, können sie nicht handeln.
Es ist daher denkbar, dass der originelle Fall eintritt, dass Griechenland seine Schulden bei der EZB und beim IWF einfach nicht bezahlt. Eine Staatspleite tritt erst ein, wenn die griechische Regierung Zahlungen an die privaten Bond-Holder versäumt. Das haben übereinstimmend alle drei großen Rating-Agenturen erklärt.
Das Risiko für Griechenland besteht allerdings darin, dass dann die EZB die ELA-Kredite stoppen müsste. Dies würde vermutlich zum Zusammenbruch des griechischen Banken-Systems führen. Das hätte verheerende Folgen für die griechische Wirtschaft und die Menschen in Griechenland.
Beobachter halten das Verhalten der Euro-Retter für in höchstem Maß verantwortungslos. Sie gehen davon aus, dass der Zusammenbruch Griechenlands der Anfang vom Ende der Euro-Zone bedeutet.