Politik

Russland-Sanktionen der EU fügen Deutschland schweren Schaden zu

Lesezeit: 2 min
27.06.2015 00:49
Der Ost-Ausschuss der deutschen Wirtschaft fordert das sofortige Ende der Sanktionen gegen Russland, Die Folgen übertreffen „selbst die schlimmsten Befürchtungen“. Damit stellt sich erstmals ein Verband explizit gegen die Russland-Politik von Angela Merkel. Der Vorsitzende des Ost-Ausschusses, Eckhard Cordes, kündigte seinen Rücktritt an.
Russland-Sanktionen der EU fügen Deutschland schweren Schaden zu

Mehr zum Thema:  
Europa >
Benachrichtigung über neue Artikel:  
Europa  

Der durch die Russland-Sanktionen ausgelöste Einbruch der deutschen Exporte gefährdet nach Einschätzung der Wirtschaft mittlerweile bis zu 150.000 Jobs in Deutschland. Die Ausfuhren würden im laufenden Jahr erneut um mehr als 25 Prozent schrumpfen und sich damit im Vergleich zum Rekordjahr 2012 auf nur noch 20 Milliarden Euro halbieren, warnt der Ost-Ausschuss der deutschen Wirtschaft.

«Die aktuellen Zahlen übertreffen selbst unsere schlimmsten Befürchtungen», sagte Ausschuss-Chef Eckhard Cordes am Freitag in Berlin. Er forderte eine Lockerung der vor einem Jahr verhängten EU-Strafmaßnahmen gegen Moskau: «Wir brauchen den Einstieg in den Ausstieg aus den Sanktionen.»

Russland könnte 2015 in der Liste der wichtigsten deutschen Abnehmerländer hinter Länder wie Tschechien und Schweden auf Rang 15 zurückfallen. Die deutschen Unternehmen zahlten in der EU mit Abstand den höchsten Preis der Sanktionspolitik. Betroffen seien vor allem mittelständische Betriebe aus Ostdeutschland.

Cordes zweifelt zunehmend am Sinn der EU-Strategie, Russland wirtschaftlich treffen zu wollen, um mehr Zugeständnisse im Ukraine-Konflikt von Moskau zu bekommen. Andere Länder seien die lachenden Dritten: «Die Wirtschaftsbeziehungen Russlands mit Deutschland und der EU schrumpfen, während sich Russland Partnern wie China, Indien oder Südkorea zuwendet», sagte Cordes.

Trotz der Sanktionen und einer schrumpfenden Wirtschaft habe Russland weiter einen ausgeglichenen Staatshaushalt, Währungsreserven von über 350 Milliarden Dollar und dazu einen mit 150 Milliarden Dollar gefüllten staatlichen Fonds.

Cordes gab zugleich bekannt, dass er mit Herbst sein Amt aufgeben wird. Nachfolger soll der 55-jährige Wolfgang Büchele werden, Vorstandsvorsitzender der Linde AG. Cordes, der seit fünf Jahren an der Spitze des Ost-Ausschusses stehe, soll nach Angaben des Ostausschusses aber Mitglied des achtköpfigen Vorstands bleiben. Er begründete seinen Rückzug mit der Ernennung in den Verwaltungsrat der Volvo Group im Frühjahr 2015 und den Einzug in den Aufsichtsrat von Bilfinger SE im November 2014.

Cordes hatte die EU-Sanktionspolitik gegen Russland in der Ukraine-Krise mehrfach scharf kritisiert und dabei auch eine andere Position bezogen als etwa der Präsident des Bundesverbands der deutschen Industrie (BDI), Ulrich Grillo. Dem Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft gehören fünf große Wirtschaftsverbände sowie 220 Unternehmen an. Es ist nicht bekannt, ob der Rücktritt von Cordes im Zusammenhang mit seiner Kritik an der Politik von Angela Merkel steht. Merkel hat bisher sehr sensibel auf jede Art von Kritik reagiert und dafür gesorgt, dass Kritiker entsorgt wurden. So wurde der jahrelange Haushaltsexperte der CDU, Klaus-Peter Willsch, nach seiner Kritik an der Euro-Rettung aus dem Haushaltsausschuss des Bundestages entfernt.

Ein aktuelles Gutachten des österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung (Wifo)  kommt zu einer verheerenden Bilanz der EU-Sanktionen gegen Russland. Demnach sind wegen der Sanktionen in Europa über zwei Millionen Arbeitsplätze gefährdet. Insgesamt könnte in der EU eine Wertschöpfung von knapp 100 Milliarden Euro verlorengehen.


Mehr zum Thema:  
Europa >

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Schicksalsentscheidung bei VW: Welche Standorte sind in Gefahr?
16.11.2024

Zum ersten Mal stehen VW-Werke in Deutschland vor dem Aus: Betriebsratschefin Daniela Cavallo spricht von mindestens drei potenziell...

DWN
Politik
Politik Wird König Charles zur britischen Trump(f)-Karte?
16.11.2024

Es gibt gute Gründe für London, die Rückkehr von Donald Trump zu fürchten: mögliche Handelszölle, Rache wegen alter Aussagen und...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Krise bei Baywa: Traditionskonzern kämpft mit Milliardenverlusten
16.11.2024

Der für die Landwirtschaft und Lebensmittelversorgung wichtige bayerische Mischkonzern Baywa steckt tief in der Krise. Die Verluste...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Bürokratiekosten Deutschland: Enorme Belastung für die Wirtschaft durch Überregulierung
16.11.2024

Die Bürokratiekosten in Deutschland belasten die Wirtschaft erheblich und hemmen das Wachstumspotenzial des Landes. Eine aktuelle Studie...

DWN
Finanzen
Finanzen Unser neues Magazin ist da: Sichere Finanzen 2025 – jetzt die Weichen richtig stellen
16.11.2024

2025 ist nicht mehr weit. Bald ist Weihnachten, eine Zeit des Innehaltens und Reflektierens. Zeit für eine persönliche Bilanz und neue...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Steigende Existenzangst: Deutsche Unternehmen kämpfen ums Überleben
16.11.2024

Fast jedes vierzehnte Unternehmen sieht sich derzeit in seiner Existenz bedroht. 7,3 Prozent der befragten Betriebe äußerten sich in...

DWN
Technologie
Technologie Künstliche Intelligenz in der Medizin: Wie KI Praxen transformiert und Ärzte zu Unternehmern macht
16.11.2024

Immer mehr Ärzte erkennen, dass digitale Lösungen und KI nicht nur ihre Praxen effizienter gestalten, sondern auch die...

DWN
Politik
Politik Trump: Macht ohne Widerstand
16.11.2024

Donald Trump ist zurück – stärker als je zuvor. Nach seinem Wahlsieg sichern sich die Republikaner die Kontrolle über beide...