Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hat erstmals die Möglichkeit seines Rücktritts ins Spiel gebracht. Er sagte dem Spiegel: „Politiker haben ihre Verantwortung aus ihren Ämtern.“ Würde er, von wem auch immer, gezwungen, gegen seine Überzeugung zu handeln, wüsste er, was zu tun sei: „Wenn das jemand versuchen würde, könnte ich zum Bundespräsidenten gehen und um meine Entlassung bitten“, sagte Schäuble. Schäuble sagte auf die Frage, ob er konkret an einen Rücktritt denke: "Nein. Wie kommen Sie darauf?"
Schäuble räumte auch erstmals ein, dass er und Angela Merkel nicht derselben Meinung sind, was die Euro-Rettung in Griechenland betrifft. Schäuble sagte: „Es gehört zur Demokratie, dass man auch einmal unterschiedliche Meinungen hat.“ Er sagte, dass ein Bundeskanzler und ein Finanzminister unterschiedliche Rollen zu erfüllen hätten.
Auf die Frage, ob er einen Grexit noch immer für möglich halte, sagte Schäuble: "Der österreichische Bundeskanzler Werner Faymann hat gesagt, das könne jederzeit passieren." Ob er auch dieser Meinung sei - dazu wollte sich Schäuble nicht äußern.
Er attackierte auch Vizekanzler und SPD-Chef Sigmar Gabriel. Dieser hatte Schäuble vorgeworfen, über ihn, Gabriel, die Unwahrheit gesagt zu haben. Schäuble: „Man sollte eigene Probleme nicht durch unzutreffende Behauptungen über andere lösen wollen.“
Auffällig ist, dass die Aussagen nach dem Besuch von US-Finanzminister Jack Lew in Berlin kamen: Lew und der IWF bestehen auf einem Schuldenschnitt für Griechenland, Schäuble ist strikt dagegen. Am Donnerstag hatten sich Lew und Schäuble getroffen. Es ist nicht bekannt, ob Lew Druck auf Schäuble ausgeübt hat. Lew hatte nach dem Besuch gefordert, dass sich Griechenland und die Euro-Zone über die Schulden des Landes einigen müssten. Der IWF, der unmittelbar vor dem Besuch ein Papier lanciert hatte, in dem die Schuldenquote Griechenlands mit 200 Prozent vom BIP prognostiziert wurde, sagte nach der Abreise Lews, er stünde nur bei einem Schuldenschnitt für weitere Kredite zur Verfügung.
Schäuble verfolgt in der Euro-Krise ein anderes Konzept als die US-Regierung: Er will die Krise nutzen, um die Euro-Zone zurückzubauen.
Schon vor 20 Jahren hatte Schäuble die Auffassung vertreten, dass nur eine sehr kleine Euro-Zone mit einer vollen politischen und wirtschaftlichen Integration in der Lage sei, den Amerikanern und Russen Paroli zu bieten. Er wollte die Position der EU in der Nato stärken und die Partnerschaft mit Russland im Interesse Osteuropas vertiefen.
Es wäre nicht erstaunlich, wenn diese Positionen die Amerikaner alarmieren: Die US-Regierung ist an einer stabilen Euro-Zone interessiert, um nicht die geostrategischen Interessen der Nato zu gefährden.
Schon aus diesem Grund waren die Amerikaner stets für einen Verbleib Griechenlands in der Euro-Zone. Allerdings war Washington in den vergangenen Wochen zunehmend aufgeschreckt wegen des dilettantischen Krisen-Managements der Euro-Retter. Schäubles Rolle in dem EU-internen Machtkampf war unglücklich, weil es ihm nicht gelungen ist, seine Positionen so zu setzen, dass sie nicht von nationalistischen Trittbrettfahrern in der ganzen Euro-Zone instrumentalisiert werden konnten.
Schäuble hatte in der Diskussion die volle Unterstützung der Bild-Zeitung. Dies schreibt auch im Bericht über den möglichen Schäuble-Rücktritt, dass der „Streit mit Angela Merkel um die Griechenlandrettung“ der Grund sein könnte, warum Schäuble hinschmeißt.