Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestags, CDU-Mann Norbert Röttgen, ist empört über den Versuch von Vizekanzler Sigmar Gabriel, die USA zur Aufgabe der Russland-Sanktionen zu bewegen. Röttgen, der in zahlreichen transatlantischen Initiativen aktiv ist, sagte am Samstag laut Reuters: "Ich muss leider sagen, dass der Wirtschaftsminister völlig daneben liegt. Er stellt die Dinge vollständig auf den Kopf. Er sollte sich an der Linie des Außenministers orientieren."
Röttgen vertritt seit langem eine harte Linie gegen Russland. Er hält Russlands Präsident Wladimir Putin für einen Aggressor, den die "transatlantische Gemeinschaft" unbedingt stoppen müsse. Seine Ansichten kommen in einem Gespräch zum Ausdruck, das der ehemalige Umweltminister dem American Institute for Contemporary German Studies im Vorjahr gegeben hat (siehe das sehr aufschlussreiche Video am Anfang des Artikels).
Röttgen wird von den US-Neocons sehr geschätzt. Sie würden ihn gerne als Nachfolger von Bundeskanzlerin Angela Merkel sehen. Röttgen hat sich im Verlauf der Ukraine-Krise unterschiedlich geäußert. Er ist kein ausgesprochener Kriegs-Befürworter. Auch Merkels engster Vertrauter, ihr Minister im Kanzleramt, äußerte sich am Samstag erstaunlich zurückhaltend zu Gabriels Vorschlag: Peter Altmaier in einem Zeitungs-Interview, sagte es sei wichtig, Assad in Syrien einzubeziehen: "Das bedeutet aber nicht, dass wir unsere Position in der Ukraine-Frage ändern. Wir sind nicht erpressbar." Von einer Erpressung durch Putin in Syrien kann tatsächlich keine Rede sein. Putin wurde von Obama ermuntert, in Syrien einzugreifen - nicht zuletzt, weil die Nato zwar eine Welle der Vertreibungen und ethnischen Säuberungen angeheizt hat, der IS jedoch stärker dasteht als vor der Offensive.
Röttgen versucht, sein Profil als Merkel-Pendant zu schärfen: Im Deutschlandfunk erklärt er in einem Interview, dass Gespräche mit dem syrischen Präsidenten Baschar al-Assad abzulehnen seien: Niemand setze sich mit Assad an einen Tisch. Auch die US-Neocons lehnen jede Einbeziehung von Assad kategorisch ab und wollen lieber die Waffen sprechen lassen.
Tags zuvor hatte Merkel gesagt, man müsse Assad in eine Lösung einbinden. In den USA ist US-Präsident Barack Obama für einen Übergang, der auf Diplomatie setzt. Die USA bereiten laut Reuters eine neue diplomatische Initiative zur Beendigung des Bürgerkrieges in Syrien vor. Damit versucht die US-Regierung, die Russen wenigstens an der diplomatischen Front zu überholen. Auch Russland hatte in den vergangenen Wochen von einer diplomatischen Lösung gesprochen. Doch davon ist bis jetzt nichts zu sehen. Stattdessen sind die Russen nun aktiv in den militärischen Konflikt in Syrien eingestiegen.
US-Außenminister John Kerry wolle kommende Woche bei mehreren Treffen Möglichkeiten einer politischen Lösung ausloten, verlautete aus US-Regierungskreisen. Zentral sei die Vollversammlung der Vereinten Nationen (UN) in New York.
Kerry wolle verschiedene Ideen für einen neuen Anlauf testen, nachdem der vor drei Jahren in Gang gebrachte UN-Friedensprozess erfolglos geblieben sei. "Daher wird es von Minister Kerry Bestrebungen geben, ein Rezept zu finden, das eine Rückkehr zu wirklichen, substanziellen Verhandlungen bringt", sagte ein hochrangiger US-Regierungsvertreter.
Dazu könnten Russland, die Türkei, Saudi-Arabien und Katar zusammengebracht werden. Ein erstes Gespräch wollte Kerry am Samstag mit seinem iranischen Kollegen Mohammad Dschawad Sarif in New York führen. US-Präsident Barack Obama wird das Thema Syrien am Montag mit seinem russischen Kollegen Wladimir Putin beraten. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte erstmals direkte Gespräche mit Assad ins Spiel gebracht.
Sollte Röttgen als außenpolitischer Experte eingebunden werden, könnte es ja sein, dass die Verhandlungen mit Assad im Stehen stattfinden.