Die US-Regierung verlangt von der EU die Verlängerung der Sanktionen gegen Russland. Auch wenn US-Präsident Barack Obama versucht, zum Ende seiner Amtszeit die Beziehungen zu Russland zu normalisieren: Er kann sich im Fall der Sanktionen nicht gegen die Nato-Interessen, die Geheimdienste und die Neocons durchsetzen. Stellvertretend für diese Gruppen formuliert der private Geheimdienst Stratfor die Forderungen:
„Die USA bestehen darauf, dass Russland die Vereinbarung von Minsk vollständig umsetzt und eine vollständige Rückkehr zur Grenze zwischen Russland und den Separatisten-Gebieten der Ukraine einleitet, um diese Gebiete der Kontrolle durch die Ukraine zu überlassen. Erst dann werden die Sanktionen gegen Russland gelockert oder aufgehoben. Russland hat seinerseits versucht, von der Ukraine politische Zugeständnisse zu erringen. Doch Washington hat Kiews Position, wonach die Umsetzung der Sicherheitskomponenten von Minsk die Voraussetzung für Fortschritte bei den politischen Komponenten darstellen, unterstützt.
Dabei weiß Washington nur zu genau, dass die Ukraine ihre eigenen wesentlichen Einschränkungen bei der Umsetzung der Sicherheitskomponenten hat. Russlands umfassende Strategie, den Konflikt im Osten des Landes zu nutzen, um die Regierung in Kiew zu untergraben und ihre Orientierung gen Westen umzukehren, steht in einem fundamentalen Widerspruch zu den US-Interessen in der Ukraine. Diese Tatsache macht einen Dialog zwischen beiden Staaten über die Ukraine äußerst schwierig – egal in welcher Hinsicht.“
Obamas Spielraum ist minimal, weil er die „Falken“ schon im Falle Syriens vor den Kopf gestoßen hat und gegen ihren Willen versucht, einen Waffenstillstand gemeinsam mit den Russen zu erreichen. Doch die Regierung in Washington verliert mit jedem Tag an Kraft, weil sich ihre Amtszeit dem Ende zuneigt und die mächtigen Player aus Rüstungs-, Energie- und Technologie-Lobby bereits längst sondieren, wer künftig in Washington nach ihren Pfeifen tanzen wird die Regierungsgeschäfte führen wird. Außerdem verfolgt US-Vizepräsident Joe Biden handfeste persönliche Wirtschaftsinteressen in der Ukraine, weshalb er eine Stärkung der russischen Position auf jeden Fall verhindern will.
Vor allem die Nato besteht auf einer harten Linie – und hat hier in weiser Voraussicht einen Keil in die EU getrieben: Der EUObserver berichtet, dass Litauen und Polen kategorisch gegen eine Aufhebung der Sanktionen sind, weil sie Russland als militärische Bedrohung sehen. Die beiden Außenminister Witold Waszczykowski und Linas Linkevicius haben am 11. Dezember einen geharnischten Brief an die EU-Kommissare Cecilia Malmström und Außenbeauftragte Federica Mogherini geschrieben. Der Inhalt des Briefs deckt sich mit der Stratfor-Analyse. In dem Schreiben wird EU-Präsident Juncker kritisiert, weil er sich für eine Entspannung mit Russland eingesetzt habe.
Die Hardliner in Washington können bei ihrer Strategie auf einen engen Verbündeten setzen: EU-Präsident Donald Tusk ist ein Gegner Russlands und kann das Ansinnen seines Heimatlandes sehr praktisch unterstützen: Er hat das Thema „Sanktionen“ beim Gipfel in ein derart enges Programm gepresst, dass mehr als eine kursorische Debatte nicht möglich ist. Das Wall Street Journal vermutet dahinter eine Taktik des polnischen US-Verbündeten. Daher werden die EU-Vertreter die Verlängerung nach einer Scheindebatte abnicken. Einen Tag vor den politisch immer langen Weihnachtsferien ist es äußert unwahrscheinlich, dass sich ein Staat zu einem Veto ermannen könnte.
Wer in der EU wirklich das Sagen hat, zeigt ein Ausspruch des italienischen Außenminister Paolo Gentiloni. Er sagte in Brüssel laut EUObserver: „Vor einem Jahr wäre ich mit Italien allein dagestanden mit meiner Einstellung, dass wir lieber einen Dialog mit Russland führen sollten als eine Mauer zu errichten. Doch das ist heute die allgemeine Ansicht von allen Mitgliedsstaaten.“ Die italienische Wirtschaft hatte erst am Dienstag massiv den sofortigen Stopp der Sanktionen gefordert.
Mithin kann festgehalten werden: Selbst wenn die EU-Staaten einstimmig der Meinung sind, etwas zu ändern, können sie diese Politik nicht umsetzen.
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