Bei einem mutmaßlich von der Extremistenmiliz IS verübten Selbstmordanschlag im Zentrum Istanbuls sind am Dienstag nach Angaben aus türkischen Regierungskreisen mindestens neun deutsche Staatsbürger getötet worden. Insgesamt starben bei dem Anschlag im touristischen Zentrum der Bosporus-Metropole nach Angaben der Regierung in Ankara zehn Menschen. Die Bundesregierung zeigte sich erschüttert und kündigte ein entschlossenes Vorgehen gegen den Terrorismus an. Der türkische Regierungschef Ahmet Davutoglu sicherte Bundeskanzlerin Angela Merkel in einem Telefonat eine enge Zusammenarbeit bei den Ermittlungen zu den Hintergründen der Tat zu.
Der Attentäter sprengte sich am Morgen gegen 09.30 Uhr auf dem täglich von Tausenden Touristen besuchten Sultanahmet-Platz nahe der Blauen Moschee und der Hagia Sophia in die Luft. 15 Menschen wurden nach offiziellen Angaben verletzt. Ein Vertreter einer Reiseagentur sagte der Nachrichtenagentur Reuters, eine deutsche Reisegruppe habe sich zum Zeitpunkt der Explosion in der Nähe aufgehalten.
Davutoglu sagte am Nachmittag, alle Todesopfer seien Ausländer. Der Attentäter reiste nach ersten Erkenntnissen der türkischen Regierung erst vor kurzem aus Syrien ein. Nur wenige Kilometer von der türkisch-syrischen Grenze entfernt beginnt das Einflussgebiet des Islamischen Staates (IS).
Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte in einer ersten Reaktion, der Anschlag zeige die Notwendigkeit, entschlossen gegen den Terrorismus vorzugehen. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier sagte, es müsse davon ausgegangen werden, dass auch Deutsche Opfer geworden seien. "Wir können auch nicht ausschließen, dass Deutsche unter den Todesopfern sind." Zugleich riet das Auswärtige Amt Reisenden in Istanbul, "Menschenansammlungen auch auf öffentlichen Plätzen und vor touristischen Attraktionen vorläufig zu meiden" und sich über die Entwicklung der Lage zu informieren. Unter den Verletzten befanden sich nach Medienberichten neben sechs Deutschen, ein Norweger und ein Peruaner. Touristen der TUI -Gruppe aus Deutschland und des Reiseveranstalters Thomas Cook seien nicht betroffen, teilten die Unternehmen mit.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan sagte, vermutlich habe sich ein syrischer Selbstmordattentäter in die Luft gesprengt. Davutoglu bestätigte später, es habe sich um ein Mitglied des IS gehandelt.
In der Türkei hat es in der jüngsten Vergangenheit mehrfach Bombenanschläge gegeben. Am 10. Oktober kamen bei einem Anschlag auf einen Friedensmarsch in Ankara fast 130 Menschen ums Leben. Auch hinter dieser Tat vermuteten Sicherheitsbehörden den IS. Von der Türkei aus fliegt eine von den USA angeführte Koalition Luftangriffe gegen IS-Stellungen in Syrien und im Irak. Auch die Bundeswehr unterstützt mit Tornado-Aufklärungsflugzeugen von Incirlik aus den Einsatz.
Der türkische Ministerpräsident Davutoglu berief ein Krisentreffen mit dem Innenminister und den Chefs der Sicherheitsdienste ein. Präsident Erdogan sagte, sein Land sei das erste Ziel aller Terroristengruppen in der Region, und die Türkei werde gegen alle gleichermaßen kämpfen.
Nach dem Selbstmordanschlag bieten Reiseveranstalter nun kostenfreie Umbuchungen oder Stornierungen an. Pauschalreisende, die bei den Veranstaltern L'Tour oder Tui bis einschließlich 18. Januar einen Flug nach Istanbul gebucht haben, können kostenlos umbuchen, wie beide Unternehmen am Dienstag mitteilten. L'Tur-Reisende können ihre Reise zudem stornieren.
Ein Sprecher des Deutschen Reiseverbands (DRV) sagte auf Anfrage der Nachrichtenagentur AFP, derzeit habe es "oberste Priorität, den Betroffenen vor Ort in Istanbul zu helfen". Die Reiseveranstalter stünden in ständigem Austausch mit den Behörden in Deutschland und der Türkei. Touristen in Istanbul oder mit dem Ziel Istanbul empfiehlt der DRV, sich an ihren Reiseveranstalter oder das Reisebüro zu wenden und die Hinweise des Auswärtigen Amtes zu befolgen.