Politik

Finanzminister und Zentralbanker geraten sich bei Gipfel in die Haare

Finanzminister und Notenbanker stritten am Freitag auf dem G20-Gipfel über eine neue Ausrichtung der Staaten. Die Meinungen über die Notwendigkeit für globale Konjunkturprogramme oder die Auswirkung der Niedrigzinsen gehen weit auseinander. Dass es zu einer Einigung kommt, erwarten nicht einmal mehr die Teilnehmer.
26.02.2016 18:52
Lesezeit: 2 min

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble will keine neuen Konjunkturprogramme auf Pump. Er warnt die anderen Industrie- und Schwellenländer auf dem G20-Gipfel am Freitag vor neuen Risiken. Viele G20-Mitglieder sehen, so Schäuble, auch kaum noch Spielraum für die Geldpolitik, die die Konjunktur bislang mit ultraniedrigen Zinsen stützt.

„Das schuldenfinanzierte Wachstumsmodell ist an seine Grenzen gestoßen“, sagte Schäuble. „Wir sind daher mit einem G20-Fiskalpakt nicht einverstanden, wie einige behaupten“. Deutschland halte nichts von solchen Ausgabenprogrammen, wie es manche für den Fall forderten, dass die aktuellen Wachstumsrisiken Realität würden. Noch mehr Schulden verursachten neue Probleme und Blasen. Vor dem Treffen der G20 hatte unter anderem die US-Regierung noch gehofft, die G20-Staaten könnten der US-Wirtschaft aus der Krise helfen. So sollten die Außenseiter-Kandidaten wie Donald Trump und Bernie Sanders auszubremst werden. Doch selbst der US-Finanzminister rechnet mittlerweile nicht mehr damit.

Die aktuelle Unsicherheit könnte die nächste Krise ankündigen“, so Schäuble weiter. Die Weltwirtschaft sowie eine Reihe von Nationalstaaten müssten robust genug sein, um damit umzugehen. Die öffentlichen und privaten Schuldenstände seien aktuell aber immer noch zu hoch. Trotz vieler finanz- und geldpolitischer Maßnahmen sei das Wachstum bescheiden und die Produktivität rückläufig.

Wer weitere Konjunkturimpulse fordere, lenkt nach den Worten Schäubles nur von den eigentlichen Aufgaben ab. Die meisten G20-Staaten müssten umsichtig konsolidieren. Solide öffentliche und private Finanzen reduzierten die Krisenanfälligkeit: „Und das steigert Wachstum - vielleicht mehr als jede andere Maßnahme.“ Eine Regulierungspause an den Finanzmärkten lehnte Schäuble ab: „Das zu tun, wäre ein fürchterlicher Fehler.“ Forderungen nach einer Lockerung sind laut geworden, nachdem Bankaktien weltweit unter Druck geraten waren.

Auch der französischen Finanzminister Michel Sapin, hält nichts von einem globalen Konjunkturpaket: „Wir sprechen absolut nicht darüber. In Frankreich haben wir die Mittel dazu nicht“. Andere Länder hätten mehr Kapazitäten, diese sollten ihre Fähigkeit nutzen, um das globale Wachstum zu unterstützen. Solche Länder seien Deutschland und China, wobei letzteres tatsächlich Andeutungen machte: „China hat in der Geldpolitik weiterhin einigen Spielraum und Werkzeuge, um sich einem möglichen Abwärtstrend entgegenzustellen“, so Chinas Zentralbankchef.

Besonders von China erhielt Schäuble Rückendeckung. China hatte das Thema Strukturreformen zum Schwerpunkt ihrer G20-Präsidentschaft gemacht, woran Deutschland 2017 als nächstes Vorsitzland anknüpfen will. „Der Reformprozess ist hinter unseren Erwartungen zurückgeblieben“, sagte Chinas Finanzminister Jiwei Lou. Daher gelte es, mehr dafür zu tun, zum Beispiel mit der Öffnung von Märkten und mit mehr Flexibilität am Arbeitsmarkt.

Über den Beitrag der Geldpolitik zur Verstärkung des Wachstums gab es unterschiedliche Meinungen. Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem sieht durchaus noch Raum für weiteres Handeln. Allerdings müsse das sorgfältig gestaltet und auf Effektivität ausgerichtet sein. "“Ich glaube nicht, dass die Geldpolitik bereits am Ende angekommen ist - es gibt noch mehr, was getan werden kann“. Die Europäische Zentralbank sei sich der Risiken der ultra-lockeren Geldpolitik, auf die Schäuble immer verweist, bewusst.

Mark Carney, der Gouverneur der Bank of England, kritisierte die abweichende Zinspolitik einiger Staaten, vor allem Japan. Die japanische Notenbank hatte im Januar Negativzinsen eingeführt, aber zuvor den Markt mit billigen Geld geflutet. „Aus Sicht eines einzelnen Landes könnte dies ein attraktiver Weg zur Steigerung der Aktivität sein. Aber für die Welt als Ganzes, ist es letztlich ein Nullsummenspiel“, so Carney.

IWF-Chefin Christin Lagarde forderte in Shanghai „umfassende, kräftige und beschleunigte Reformen“. Angesichts der Wachstumsrisiken müssten Strukturreformen schnell angegangen werden, so Lagarde. Zwar befinde sich die Weltwirtschaft weiter auf Wachstumskurs. Der IWF habe seine Konjunkturprognose aber nach unten korrigiert, sagte Lagarde. „Und das muss nicht das Ende der Geschichte sein.“ Es bedürfe daher eines Mixes von Reformen - sowohl auf der Angebots- als auch der Nachfrageseite: „Man muss beides tun.“

Der Chef der Industrieländerorganisation OECD, Angel Gurría, mahnte schnelles Handeln an: „Wir müssen den Reformprozess beschleunigen.“ Die „Reformträgheit der Jahre 2013-2014“ habe sich international verfestigt. „Angesichts der Herausforderungen, die sich aus der gegenwärtigen Wachstumsschwäche und dem wirtschaftlichen Auseinanderdriften der Gesellschaften ergeben, ist der abnehmende Reformeifer in den Industrie- und Schwellenländern ein ernstes Problem“, warnte Gurría.

Die Financial Times zitiert einen Teilnehmer des Gipfels, der anonym bleiben wollte: „Ich glaube nicht, dass dies ein Treffen ist, wo große Entscheidung fallen“.

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