Am 21. März tritt die Wohnimmobilienkreditrichtlinie in Kraft. Dieses neue Regelwerk erschwert die Vergabe von Krediten zur Wohnungsfinanzierung dramatisch. Somit kommt zu den schon bestehenden Bremsen aus Basel II und Basel III eine weitere Behinderung von Finanzierungen hinzu.
Aus der Fülle der Bestimmungen lassen sich einige, entscheidende Kernpunkte herausarbeiten:
- Im Vordergrund steht die Auflage, dass die Banken darauf achten müssen, dass sich die Kunden den Wohnungskredit auch leisten können. Was wie eine selbstverständliche Banalität klingt, stellt sich als Kreditverhinderung heraus. Die übliche Feststellung der Bonität der Kunden genügt nicht mehr. Die Bank muss nachweisen können, dass sie umfangreiche Recherchen angestellt hat, dass nach aller Voraussicht mit der regulären Abstattung der Finanzierung zu rechnen ist, dass die Kunden auch eine starke Anhebung der Zinsen verkraften können. Ist eine derart gründliche Prüfung nicht nachweisbar und die Kreditnehmer können die Raten nicht mehr oder nicht pünktlich zahlen, so sind die Ansprüche der Bank in Gefahr.
- Die Richtlinie greift auch in die Abwicklung ein. Banken können im Gespräch mit den Kunden nicht einfach Aufschübe und ratenfreie Perioden vereinbaren.
- Vor allem bestimmt die Richtlinie, dass die Immobilie als Besicherung keine besondere Beachtung verdient. Der Fokus liegt auf der Einkommenssituation der Kreditwerber.
- Nachdem aber diese Regeln naturgemäß nur bei der Vergabe des Kredits zu Anwendung kommen können, spielt selbstverständlich der Wert der Immobilie als Pfand dennoch eine wichtige Rolle.
- Aber auch hier greift die Richtlinie im Zusammenwirken mit der Basel-III-Verordnung CRR ein: Die Banken müssen eine fachkundige und somit glaubwürdige Beurteilung des Schätzwerts der Immobilie haben und bei der Belehnung in Relation zu diesem Schätzwert einen angemessenen Spielraum einhalten.
- Der Fokus auf die Einnahmen der Kreditwerber besagt auch, dass Bürgschaften und Verpfändungen von Werten etwa aus dem Kreis der Familie keine größere Rolle spielen dürfen.
Die Konsumenten werden vor sich selbst geschützt und am Aufbau von Werten gehindert.
Unter diesen Umständen muss die Wohnbaufinanzierung zurückgehen. Die Initiatoren der Richtlinie wollen die Verbraucher vor eine Überforderung schützen. Man übersieht, dass auf diese Weise vor allem Jüngere kaum ein Eigenheim oder eine Eigentumswohnung erwerben können. Auch Ältere, die in eine kleinere Wohnung wechseln wollen, sind im Hinblick auf die Rente betroffen. Nur gut Verdienende zwischen 30 und 50 entsprechen den EU-Regeln und diese haben meist ihren Wohnbedarf schon gedeckt.
Die banale Bankpraxis lehrt zudem: Neben dem aktuellen Einkommen ist die Bereitschaft der Kreditwerber entscheidend, sich ein eigenes Zuhause zu schaffen und es ist Sache des Bankmitarbeiters, die Verlässlichkeit des Kunden einzuschätzen. Kredit bedeutet glauben. Es geht um das gegenseitige Vertrauen. Diese nun in Gesetze gegossene Richtlinie nimmt nicht zur Kenntnis, dass eine Bank auch ohne EU-Regeln nicht daran interessiert ist, die Kreditwerber zu überfordern und in einer Krisensituation das Eigenheim ihrer Kunden zu versteigern. Die geringe Ausfallsquote beweist, dass diese Grundsätze auch weithin berücksichtigt werden.
Gibt es keine Kommunikation zwischen den EU-Finanzpolitikern?
Die zusätzliche Kreditbremse und das Datum des Inkrafttretens sind besonders bemerkenswert. Erst vor wenigen Tagen hat die Europäische Zentralbank das Zinsniveau auf 0 Prozent gesenkt, den Ausbau der Negativzinsen und die Vergrößerung der Geldschwemme angekündigt.
Offenkundig sind die Spitzen der EU-Wirtschaftspolitik nicht in der Lage zu kommunizieren und ihre Handlungen zu koordinieren. Wie wäre es sonst möglich, dass die Führung der Zentralbank an die Wirkung der Geldschwemme glaubt, sich nur über das Ausbleiben des Erfolgs wundert, unbeirrt die schon bisher erfolglosen Maßnahmen verstärkt und nicht realisiert, dass die vielen Kreditregeln wie eine Staumauer gegen die Geldschwemme wirken. Die existierenden Vorschriften verhindern, dass das reichlich und billig zur Verfügung gestellte Geld in der Wirtschaft ankommt, nun gibt es eine weitere Schranke.
Interessant ist ein besonderes Phänomen: Bei der EZB angesiedelt ist die Aufsicht über die großen Banken. Diese Institution wacht über die Umsetzung von Basel III, nimmt Stresstests vor und zwingt die Kreditunternehmungen zur Vorhaltung hoher Eigenkapitalbestände. Manche Aufseher erkennen allerdings bereits, dass viele Vorschriften überzogen sind, der Wirtschaft schaden und den Banken nicht unbedingt nützen. Man hört immer wieder, dass in diesem „Single Supervisory Mechanism“ (SSM) Verständnis für die im Gefolge der Kreditbremse entstandenen Probleme aufkeimt.
Die Linken-Abgeordente Caren Lay kritisierte das Gesetz im Bundestag als erneuten Kniefall vor der Bankenlobby (siehe Video am Anfang des Artikels).
Davon ist allerdings bei den Maßnahmen der EZB-Führung wenig zu spüren.
Ironie der Finanzpolitik: Derzeit gerät die ohnehin als scharf verschriene Bankenaufsicht SSM unter den Druck der neuen Behörde, die für die Abwicklung von Krisenbanken zuständig ist: Aus dem „Single Resolution Mechanism“ (SRM) kommt die Forderung nach einer Verschärfung der Basel-III-Regeln, um die bereits drastisch verringerte Risikobereitschaft der Banken noch weiter zu drosseln.
Zuständig für eine Korrektur der Kreditbremsen wären die EU-Kommission, das EU-Parlament und der EZ-Rat der Regierungen. Diese sind aber von der segensreichen Wirkung ihrer Richtlinien und Verordnungen überzeugt und merken nicht, dass die Flaute in Europa sehr entscheidend auf den Umstand zurückzuführen ist, dass die Unternehmen und die Haushalte kaum noch Kredite bekommen.
Von einem Binnenmarkt kann keine Rede sein.
In dieses Umfeld fügt sich die neue Wohnimmobilienkreditrichtlinie ein. Neu ist das falsche Wort. Die Richtlinie wurde bereits 2014 beschlossen und musste von den Mitgliedstaaten in nationales Recht gegossen werden, damit die Bestimmungen am 21. März 2016 in Kraft treten können. Es gibt somit keine einheitliche Regelung, sondern 28 nationale, zum Teil noch nicht beschlossene Varianten.
Man betrachte nur Deutschland und Österreich. In Deutschland wurde um jeden Satz gefeilscht, bis der Bundestag endlich im Februar 2016 den Einbau der Regeln in das Bürgerliche Gesetzbuch beschloss. In Österreich wurde hingegen ein eigenes Gesetz geschaffen. Damit nicht genug. Die Richtlinie für Wohnimmobilienkredite, die jetzt umgesetzt wird, und die Verbraucherkreditrichtlinie aus dem Jahr 2008 haben keine deckungsgleichen Bestimmungen, aber Überschneidungen. In den beiden Ländern wurden die Widersprüche auf unterschiedliche Weise in den Gesetzen überbrückt.
Nur: Die Mitarbeiter in den Banken müssen in manchen Situationen beide Richtlinien beachten, manchmal nur die eine, gelegentlich nur die andere.
Kurzum, ein Paket, das die Bereitschaft zur Wohnungsfinanzierung spürbar bremsen wird. Dabei haben viele Banken in letzter Zeit gerade die Wohnungsfinanzierung forciert, weil in den anderen Bereichen die schon bisher geltenden Bremsen besonders stark gegriffen haben. Diese „Lücke“ haben die Regulatoren jetzt geschlossen.
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Ronald Barazon war viele Jahre Chefredakteur der Salzburger Nachrichten. Er ist einer der angesehensten Wirtschaftsjournalisten in Europa und heute Chefredakteur der Zeitschrift „Der Volkswirt“ sowie Moderator beim ORF.