Politik

EU-Hotspot auf Lesbos: Gewalt-Ausbruch erscheint unausweichlich

Die Lage auf dem EU-Hotspot auf Lesbos könnte sich innerhalb kurzer Zeit drastisch verschärfen. Menschenrechts-Aktivisten fürchten, dass es zu einem Ausbruch der Gewalt kommen könnte, wenn den Flüchtlingen und Migranten klar wird, dass ihre Lage aussichtslos ist.
24.03.2016 00:35
Lesezeit: 2 min
EU-Hotspot auf Lesbos: Gewalt-Ausbruch erscheint unausweichlich
Der EU-Hotspot auf Lesbos, ein Gefängnis für Flüchtlinge. (Foto: Zoran Dobric)

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Eine Menschenrechts-Aktivistin, die wegen ihrer Arbeit ihren Namen nicht veröffentlichen will, hat für die DWN ihre Einschätzung der Lage im griechischen Hotspot Moria aufgeschrieben. Die Redaktion kennt die Autorin persönlich und weiß um ihre Integrität. Ihr Urteil ist bemerkenswert. 

Am vergangenen Samstag haben griechische Soldaten Tausende von Flüchtlingen von den griechischen Inseln Lesbos, Chios, Samos, Leros und Kos ans Festland transportiert. Der Grund: Am Sonntag, dem 20. März ist der EU-Türkei-Flüchtlingsdeal in Kraft getreten: Demnach werden alle Flüchtlinge, die von der Türkei nach Griechenland kommen, nach einem verkürzten Asylverfahren gegen die Genfer-Flüchtlingskonvention und gegen ihren eigenen Willen zurück in die Türkei abgeschoben.

So wollen die EU-Politiker in den Anmeldezentren (Hotspots) auf den griechischen Inseln den neuankommenden Flüchtlingen Platz machen. Nicht etwa, damit es die Flüchtenden gemütlicher hätten, sondern weil Türkei nicht bereit ist Flüchtlinge, die vor dem 20. März Griechenland erreicht haben, zurückzunehmen.

Laut UNHCR werden Männer, Frauen und Kinder, die seit Sonntag in dem Hotspot in Moria auf der Insel Lesbos untergebracht wurden, festgehalten. Es erwartet sie ein kurzes Asylverfahren, dann werden sie in die Türkei abgeschoben werden. Wann und wie ist derzeit unbekannt.

Das Anmeldezentrum, das bereits wie ein Gefängnis gebaut wurde, hat zuwenig Schlafplätze, um alle Neuankömmlinge unterzubringen. Tausende von ihnen warten ohnehin in der Kälte in Zelten vor der Anmeldefestung in Moria. Unterkühlt, unterernährt und krank sterben immer wieder Erschöpfte, Kinder und ältere Menschen. Es ist ein vorprogrammierter, gewalttätiger Konflikt, wenn man daran denkt, was in dem Hotspot in Moria passieren wird, wenn die Menschen nach zwei oder drei Tagen erfahren, dass sie festgehalten werden; wenn sie erfahren, dass sie nicht nach Europa, sondern zurück in die Türkei gebracht werden; wenn sie am eigenen Leib erfahren, dass sie als Spielzeug und nicht als Menschen behandelt werden.

Was passiert dann, wenn verzweifelte Menschen, die nur noch wenig zu verlieren haben, dermaßen missachtet, erniedrigt und verletzt werden?

Geplant wurde, dass Flüchtlinge in dem Anmeldezentrum in Moria maximal zwei bis drei Tage verbringen – solange die Beamten für ihre Anmeldung brauchen. Zumindest haben es uns die EU-Politiker so verkauft. Doch jetzt, wo das Anmeldezentrum als Gefängnis verwendet wird, droht eine wahre Human-Katastrophe - noch schlimmer und noch gefährlicher als jene an der griechisch-mazedonischen Grenze in Idomeni.

Der Hotspot in Moria hat zu wenig Personal und zu wenig Betten für die Flüchtlinge. Vieles ist in Moria den Hilfsorganisationen umgehängt worden – „Ärzte ohne Grenzen“ kümmern sich unter anderem um die Hygiene im Anmeldelager; das Rote Kreuz versorg die Menschen außerhalb des Hotspots medizinisch; UNHCR hat bereits angekündigt, die Flüchtlinge nicht mehr in den Hotspot bringen zu wollen, weil die Menschen dort festgehalten werden. Auch die Ärzte ohne Grenzen wollen sich zurückziehen.

Menschenrechte und Menschenleben sind den EU-Politikern offensichtlich egal. Hauptsache – kein Flüchtling steht vor unserer Grenze.

***

Zoran Dobrić hat den Hotspot in Moria im November 2015 als erster europäischer Journalist Undercover besucht. Seine Eindrücke und Wahrnehmungen aus Moria hat DWN am 12. Dezember 2015 veröffentlicht. Schon damals berichtete der ORF-Journalist, dass das von unseren Politikern nach Außen als Lösung der Flüchtlingskrise „verkaufte“ Anmeldezentrum, eher einem Gefängnis ähnelte und sich eher auf Massen-Abschiebung als auf die Aufnahme von Flüchtlingen vorbereitete.

Dobrić ist Redakteur bei Österreichischen Rundfunk (ORF). Er erhielt 2009 den renommierten Robert-Hochner-Preis der österreichischen Journalistengewerkschaft für seine investigative Arbeit. 2011 erhielt Dobric für sein langjähriges journalistisches Eintreten für die Rechte sozialer Minderheiten den Claus-Gatterer-Preis.

Wir empfehlen den Artikel von Zoran Dobrić aus aktuellem Anlass.

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