Ein Gericht in den Niederlanden hat ein Urteil aufgehoben, das Russland zu milliardenschweren Schadenersatzzahlungen an ehemalige Aktionäre des Ölkonzerns Yukos verpflichtete. Der Ständige Schiedsgerichtshof, der das Urteil verhängt hatte, sei in dieser Sache nicht zuständig gewesen, entschied das Haager Bezirksgericht am Mittwoch. Russland müsse deshalb die geforderten 50 Milliarden Dollar (44 Milliarden Euro) nicht zahlen.
Hintergrund des Rechtsstreits ist die Zerschlagung des Yukos-Konzerns im Jahr 2003 nach der Festnahme von Konzernchef Michail Chodorkowski sowie umfangreichen Steuernachforderungen. In einem undurchsichtigen Auktionsverfahren wurden einzelne Yukos-Teile von 2004 bis 2006 an staatliche russische Unternehmen verkauft, angeführt vom Energiekonzern Rosneft.
Der Ständige Schiedsgerichtshof in Den Haag entschied im Jahr 2014, Russland habe Yukos mit übertriebenen Steuernachforderungen in den Bankrott gezwungen und dann an die Staatsfirmen verkauft. Damit seien die Yukos-Anteilseigner enteignet worden. Sie hätten deshalb Anspruch auf 50 Milliarden Dollar Schadenersatz vom russischen Staat.
Der Kreml begrüßte das Urteil. „Russland hat seit Prozessbeginn kritisiert, dass die Entscheidung des Schiedsgerichts die wichtigsten Aspekte des internationalen Rechts nicht berücksichtigt“, sagte der Sprecher von Präsident Wladimir Putin, Dmitri Peskow. Moskau habe in der Tat die Energiecharta nicht ratifiziert. „Wir verstehen aber sehr gut, dass das jetzige Urteil nicht das Ende der Geschichte bedeutet“, sagte Peskow. Russland bereite sich auf die nächste Instanz im Streit vor. Moskau hatte das Urteil dem Zivilgericht zur Prüfung vorgelegt. Allerdings hoffe die Regierung, dass nun auch die Versuche der ehemaligen Yukos-Aktionäre aufhörten, unter Bezugnahme auf das Schiedsgerichts-Urteil russische Besitztümer in verschiedenen Ländern konfiszieren zu lassen.
Die ehemaligen Yukos-Aktionäre kündigten Berufung an. „Wir verweisen weiterhin auf den 2014 einstimmig ergangenen Schiedsspruch zur politisch motivierten Zerschlagung von Yukos“, sagte einer ihrer Vertreter, Tim Osborne. „Wir haben vollstes Vertrauen darin, dass sich letztlich rechtsstaatliche Prinzipien durchsetzen werden.“
Dem Bezirksgericht zufolge hat der Schiedsgerichtshof keine Rechtsprechungskompetenz in Angelegenheiten, die mit dem sogenannten Vertrag über die Energiecharta zusammenhängen. Dieser schützt internationale Investoren in der Energiebranche. Russland hat den Vertrag demnach zwar unterzeichnet, aber nicht ratifiziert. Deshalb sei die Entscheidung des Schiedsgerichtshofs „unvereinbar mit russischem Recht“.