Politik

Zuschauer ausgetrickst: Politiker reißen sich ESC unter den Nagel

Die Zuschauer waren empört: Der ESC wurde zum Vehikel des Kalten Krieges umfunktioniert – finanziert von den Zwangsgebühren, die quasi zur medialen Kriegsanleihe werden. Doch die Europäer wollen keinen Krieg.
15.05.2016 14:40
Lesezeit: 1 min

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Kriege werden immer mit Zwangsabgaben finanziert – daher ist es nicht ungewöhnlich, dass der ESC am Samstag zu einer manipulativen PR-Show umfunktioniert wurde. Die Zuseher haben das Spiel durchschaut - und waren aufgebracht: Russland gewann das Votum der Zuschauer, doch der Sieg ging an die Ukraine. Die Verwirrung wurde noch größer, weil zunächst Australien auf der Siegerstraße zu sein schien. Australien - bei einer Eurovision?

Der Song der Ukrainerin Jamala war musikalisch mäßig, aber politisch brisant. Auffällig war, dass während der Show dauernd gesagt wurde, es handle sich um ein unverdächtiges, biografisches Friedenslied der Sängerin.

Schon vor dem ESC hatten die ARD und die anderen mitveranstaltenden Sender intensiv betont, dass das Lied der ukrainischen Siegerin rein persönlich sei und die Befassung mit Stalins Verbrechen gegen die Krim-Tartaren 1944 gewissermaßen zufällig die historische Kulisse darstelle.

Nachdem Russland am Samstag das Publikumsvoting haushoch gewonnen hatte und die Ukraine überraschend zum Sieger ausgerufen wurde, stellten viele empörte Zuseher die Sender im Internet zur Rede. Sie wollten keinen Krieg, auch keinen kalten, und argwöhnten eine politische Instrumentalisierung des ESC. Der hatte sich bisher qua Statut aus politischen Streitigkeiten herausgehalten, im Gegenteil: Viele ESC-Stars stehen für Verständigung, wie etwa Conchita Wurst, die dieser Tage in Österreich mit einem intelligenten und ausgewogenen Statement zur Bundespräsidentenwahl einen wohltuenden Akzent in einem polarisierten Umfeld gesetzt hat.

Der Verdacht der Zuseher, der ESC wurde instrumentalisiert, ist nicht von der Hand zu weisen. Man braucht dazu nur die Tweets des bekannten Hardliners und Transatlantikers Carl Bildt zu lesen. Bildt war schwedischer Premier und Außenminister und spielt hinter den Kulissen in der EU und der Nato eine wichtige Rolle. Er gilt vielen als Verbindungsmann zu den US-Neocons, die den Kalten Krieg in Europa gegen Russland vorantreiben.

Ein „unpolitischer Song“ wäre nicht geeignet, eine derart kämpferische Linie zu begründen, wie Bildt sie in seiner ESC-Einordnung liefert. Man kann an den Tweets von Bildt nachvollziehen, wie der schwedische Außenpolitiker den Bogen von einer der Anti-Russland-Konferenz zum ESC spannt (aktuellester Tweet ganz oben). Zu Beginn des angeblich so persönlichen Songs von Jamala hatte Bildt getweetet: "Eindrucksvolle Performance der Ukraine über das Schicksal der Tartaren". Interessant ist auch, dass Bildt den angeblich unpolitischen ESC live verfolgt und politisch kommentiert. Man kann annehmen, dass dies nicht aus purer Langeweile oder musikalischem Sachverstand geschieht: Zur Musik äußert sich Bild kein einziges Mal. Am Ende seiner Tweets zu dem Thema erfahren wir, dass Bildt in den kommenden Tagen nach Kiew reisen wird:

Die öffentlich-rechtlichen Sender haben sich beim ESC offenkundig zu Handlangern im Interesse der „Volkserziehung“ machen lassen. Die Reaktion des Publikums war vernichtend: Wir wollen keinen Krieg gegen Russland in Europa, schallte es den Sendern von allen Seiten entgegen.

Die Sender sollten diese Signale hören und die unablässige Anti-Russland-Propaganda aus der TV-Unterhaltung verbannen. Viele Politiker und Entscheider in den öffentlich-rechtlichen Sendern wiegen sich in falscher Sicherheit: Sie glauben, dass, wer die Zwangsgebühr hat, auch seine Meinung durchsetzen kann. Tatsächlich befördern plumpe Manipulationen nur die Abkehr von den demokratischen Institutionen und stärken am Ende die Rechts- und Linksextremen.

Will der ESC überleben, muss er die Politik außen vor lassen. Sonst ist der Contest tot. Sender, hört die Signale.

P.S: Der ESC hat eine lange Geschichte der politischen Instrumentalisierung. Der britische Komponist und Dokumentarfilmer Stephen Oliver hat dazu vor einige Jahren eine sehenswerte Doku gemacht. Interessant: Vor einigen Jahren gewann die Ukraine mit einem wirklich spektakulären Song. Die Sängerin sollte sich später in der orangenen Revolution engagieren:

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Experten-Webinar: Ist Bitcoin das neue Gold? – Chancen, Risiken und Perspektiven

Inflation, Staatsverschuldung, geopolitische Unsicherheiten: Viele Anleger fragen sich, wie sie ihr Vermögen in Zeiten wachsender...

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Finanzen
Finanzen Goldpreis aktuell: Rücksetzer nach Kurssprung – was Anleger jetzt wissen müssen
03.06.2025

Der Goldpreis ist auf Richtungssuche – trotz Krisen und Zinssorgen. Was steckt hinter der aktuellen Entwicklung, und wie sollten Anleger...

DWN
Politik
Politik Krim-Brücke zerstört: Ukrainischer Geheimdienst SBU meldet Angriff auf Kertsch-Brücke
03.06.2025

Die Krim-Brücke ist erneut Ziel eines spektakulären Angriffs geworden. Doch wie schwer sind die Schäden wirklich – und was bedeutet...

DWN
Politik
Politik Ehemalige US-Generäle zur Operation der Ukraine in Russland: Militärische Leistung, die dem Trojanischen Pferd gleichkommt
03.06.2025

Mitten in die Verhandlungen trifft Russland ein Schlag, der tief sitzt: Eine ukrainische Drohnenoffensive zerstört rund 40 strategische...

DWN
Politik
Politik Brüssels Pensionsflop: Milliardenvision scheitert kläglich
03.06.2025

Mit großem Tamtam gestartet, nun ein Desaster: Der EU-weite Rentenplan PEPP sollte Milliarden mobilisieren – doch kaum jemand macht mit....

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Ungenutztes Potenzial auf dem Arbeitsmarkt: Rekordteilzeit in Deutschland
03.06.2025

Teilzeit-Weltmeister Deutschland hat noch einmal nachgelegt: Die Teilzeit-Quote stieg im ersten Quartal auf einen neuen Rekord. Wie viele...

DWN
Politik
Politik Washingtons Steuerkrieg: Wie Trump Europas Wirtschaft ins Visier nimmt
03.06.2025

Die USA setzen zum wirtschaftlichen Gegenschlag an: Mit Strafsteuern auf europäische Unternehmen und Investoren will Donald Trump Brüssel...

DWN
Politik
Politik BSW-Klagen zum Wahlrecht vor dem Bundesverfassungsgericht gescheitert
03.06.2025

Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) ist in Karlsruhe mit Klagen zum Bundestagswahlrecht gescheitert. Das Bundesverfassungsgericht verwarf...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Selbstständigkeit im Aufschwung - Mehr junge Gründer in Deutschland
03.06.2025

Inmitten der Wirtschaftskrise machen sich wieder mehr Menschen in Deutschland selbstständig. Die Zahl der Existenzgründungen stieg 2024...