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Die militärischen Erfolge der Russen in Syrien und im Irak haben offenbar eine Reihe von Hardlinern im US-Außenministerium in höchste Unruhe versetzt. 51 Diplomaten des US-Außenministeriums haben in einem internen Schreiben die Syrien-Politik von Präsident Barack Obama scharf kritisiert und Militäreinsätze gegen die Regierung in Damaskus gefordert. Derartige gezielte Angriffe seien wegen des fast völligen Zusammenbruchs des Waffenstillstandes angebracht, zitierte das Wall Street Journal am Mittwoch aus dem Memo.
Der New York Times zufolge handelt es sich bei fast allen Unterzeichnern um Mitarbeiter, die in den vergangenen fünf Jahren mit der amerikanischen Syrien-Politik befasst waren. Derartige Schriftstücke sind für sich genommen nicht ungewöhnlich, wohl jedoch die Zahl der Unterzeichner. „Das ist eine erstaunlich hohe Zahl“, sagte der ehemalige US-Botschafter in Syrien, Robert Ford. Ford wies darauf hin, dass bereits im Sommer 2012 die damalige Außenministerin Hillary Clinton eine Bewaffnung und Ausbildung von „Anti-Assad-Rebellen“ vorgeschlagen hatte. Zwar hätten auch andere Mitglieder des Kabinetts in Washington den Vorschlag unterstützt, Obama habe sich jedoch dagegen entschieden.
Clinton muss in den USA mit dem Image kämpfen, die Gefahr des IS unterschätzt zu haben. Ihre Rolle in Libyen gilt als zweifelhaft. Nach dem Sturz der libyschen Regierung waren zahlreiche Waffen in die Hände des IS gelangt. Auch US-Söldner waren in Libyen tätig. Nach dem Massenmord in Orlando steht Clinton unter Zugzwang. Sie muss zeigen, dass sie es mit dem Kampf gegen den radikalen Islamismus ernst meint. In einem ersten Statement nach dem Anschlag hatte Clinton gesagt, die USA werden überall auf der Welt gegen die Islamisten kämpfen. Ihr Kontrahent Donald Trump dagegen vertritt die Position, dass sich die USA aus vielen militärischen Engagements zurückziehen sollten und ihre Bürger am besten durch eine Verbesserung der inneren Sicherheit schützen könnten.
Interessant: Auch Saudi-Arabien erhöht den Druck auf Obama. Der saudische Kronprinz war am Freitag in Washington und hat laut CBS darauf gedrungen, entschiedener militärisch gegen Assad vorzugehen:
The Foreign Minister says Saudi Arabia supports a more aggressive military approach in Syria to get Assad to agree to a political solution.
— Mark Knoller (@markknoller) June 17, 2016
Im Krieg gegen den IS hat sich im Nahen Osten bisher vor allem Russland engagiert. Die Russen kämpfen in ausdrücklicher Kooperation mit Präsident Obama, der mit dem russischen Präsidenten Putin eine gemeinsame Strategie vereinbart hatte. Das Vorgehen zeigt seit einiger Zeit signifikante Erfolge.
Die irakische Armee hat fast vier Wochen nach dem Beginn ihrer Offensive in Falludscha den Regierungssitz der Stadt von der Terror-Miliz ISIS zurückerobert. Die Sicherheitskräfte hätten über das Gebäude die Landesfahne gehisst, hieß es am Freitag in einer Erklärung des Militärs. Die irakische Armee wird aktiv von Russland unterstützt. Ibrahim al-Jaafari, irakischer Außenminister, hatte im Februar bestätigt, dass Russland die irakische Armee im Kampf gegen ISIS unterstützt, berichtet die Tass. Im vergangenen Jahr hatte Russland – unter Einbindung von Militärs aus dem Irak, Iran und Syrien – in Bagdad ein Kommandozentrum gegründet, der den Kampf gegen ISIS im Nahen Osten koordinieren soll.
Doch nicht nur im Irak, sondern auch im Syrien-Konflikt kann Russland Erfolge gegen ISIS vorweisen. Seit der Intervention der Russen konnten strategisch wichtige Teile West- und Südsyriens erobert werden. Aktuell sind Russland und Syrien dabei, Aleppo und den Osten Syriens von Islamisten-Söldnern und ISIS-Kämpfern zu befreien. Die Operationen sind noch nicht abgeschlossen.
Der investigative US-Journalist Adam Johnson schreibt in einem Gastbeitrag bei Al Jazeera America, dass Clinton sich in Syrien für die Errichtung einer Flugverbots-Zone einsetzt. Doch dieser Vorschlag käme einer indirekten Kriegserklärung gegen Russland gleich. Denn eine Flugverbots-Zone würde die Operationsmöglichkeiten der russischen Luftwaffe enorm beschränken, wohingegen vor allem die Islamisten-Söldner von dieser Strategie profitieren würden.
US-General Martin E. Dempsey gab im Jahr 2012 im Weißen Haus eine Präsentation an die Mitglieder der US-Regierung, berichtet die New York Times. Er sagte, dass die Einrichtung einer Flugverbots-Zone in Syrien den Einsatz von 70.000 US-Soldaten benötigen würde, um das „hochentwickelte Flugabwehrsystem der Syrer zu demontieren und das Land 24 Stunden zu überwachen.
Die Aussagen von US-Vertretern, wonach die russische Luftwaffe angeblich gezielt „gemäßigte Rebellen“ bombardiere, sind als Vorbereitung für die Errichtung einer Flugverbots-Zone einzustufen. Tatsächlich gibt es keine gemäßigten Rebellen in Syrien: Zahlreiche internationale und islamistische Söldner kämpfen im Auftrag von Regional- und Großmächten. Grund der militärischen Eskalation ist der Kampf um den Zugang zum Öl im Nahen Osten.
US-Präsident Barack Obama weiß – genau wie Clinton –, dass eine Flugverbots-Zone die Luftwaffen der Russen und Syrer im Kampf gegen ISIS aushebeln würde. Doch anders als Clinton ist Obama gegen diesen Plan. Das Weiße Haus schätzt Russland als Partner im Kampf gegen ISIS. Obama hatte in einem bemerkenswerten Interview die Strategie, für geopolitische Interessen mit Söldnern zu kämpfen, als gescheitert bezeichnet.
Im Kampf gegen ISIS haben die US-Verbündeten vom Golf im Gegensatz zu Syrien und Russland bisher keine großen Erfolge vorweisen können. Es ist nicht auszuschließen, dass die NATO nun in die Bresche springen muss: So wird beim NATO-Gipfel im Juli eine neue Mission im Mittelmeer diskutiert werden. Was genau dort geplant ist, ist schwer zu beurteilen. Offiziell werden erneut das Erstarken von ISIS und die Flüchtlingskrise als Gründe angegeben. ISIS wird von Saudi-Arabien, dem engsten Verbündeten des Westens im Nahen Osten finanziert und unterstützt. Ein triftiger Grund, warum der mächtigste Kampfverband der Welt mit einer Gruppe von mehr oder weniger zufällig zusammengewürfelten Söldnern militärisch bisher nicht im Ansatz fertig geworden ist, ist nicht bekannt.
Eine Schlüsselrolle im Syrien-Konflikt kommt dem Nato-Mitglied Türkei zu. Sie Türkei vertritt eigene territoriale Interessen, sieht sich jedoch militärisch auf der Verliererstraße Der türkische Staatschef Erdogan versucht, eine Annäherung zwischen Russland und der Türkei einzuleiten. Auch Russland ist daran interessiert. Doch der Kreml verlangt zunächst eine klare Entschuldigung für den Abschuss des russischen Jets.
Die US-Hardliner wollen eine türkisch-russische Achse verhindern. Sie erwarten, dass die Türkei auch künftig bei Militäroperationen des transatlantischen Bündnisses und im Rahmen der Anti-ISIS-Koalition aktiv teilnimmt.
Clinton hat noch einen weiteren Grund, gegen Russland Front zu machen: Die Russen sind mit hoher Wahrscheinlichkeit im Besitz der Emails, die Clinton illegal auf einem privaten Server gespeichert hat. Russische Geheimdienste haben vor einigen Tagen ihre Kollegen im Westen darauf hingewiesen, dass Russland eine Veröffentlichung der Emails in Erwägung ziehen. In den USA ermittelt das FBI mit erstaunlichem Aufwand gegen die Praxis von Clinton. Beobachter halten es für denkbar, dass das FBI eine formale Anklage gegen Clinton auslösen könnte. Ein solcher Schritt würde das Ende der Träume von Clinton bedeuten, Obama als US-Präsidentin nachzufolgen.