Die Insolvenz der weltweit siebtgrößten Reederei Hanjin wurde von der südkoreanischen Regierung offenbar bewusst in Kauf genommen. Über Jahre hatte sie Hanjin und andere heimische Reedereien mit günstigen Krediten vor dem Untergang bewahrt. Die Gesamtschulden Hanjins allein belaufen umgerechnet sich auf etwa 4,9 Milliarden Euro. Offenbar wurde nun entschieden, dem Konkurs nicht mehr entgegenzuwirken und damit eine Konsolidierung der unter Überkapazitäten leidenden Schifffahrt Südkoreas anszustoßen.
„Die Regierung hat endlich erkannt, dass sie strauchelnde Firmen nicht endlos mit Steuergeldern stützen kann. Indem sie Hanjin fallengelassen haben, sendeten sie ein klares Zeichen, dass das „Too big to fail“-Mantra nicht mehr bindend sei“, wird ein Professor der Hansung-Universität von der Financial Times zitiert. Ein Analyst sagt: „Überkapazität ist ein großes Problem, dass viele unserer Exportindustrien betrifft, aber das Spiel der freien Markkräfte wurde nicht zugelassen. Die Entscheidung, Hanjin in die Insolvenz zu schicken, drückt eine veränderte Haltung der Regierung aus, dass eine Konsolidierung notwendig ist, um die wirtschaftliche Effizienz Koreas zu stärken.“
Die Insolvenz ist ein schwerer Schlag für den globalen Seehandel, weil vom Ausfall der Warentransporte und Zahlungen nicht nur Händler und Banken, sondern auch andere Containerfirmen betroffen sind. Waren im Gesamtwert von rund 14 Milliarden Dollar sollen derzeit auf Hanjin-Frachtern auf hoher See dümpeln, oder in Häfen beschlagnahmt worden sein. Zudem hat Hanjin 61 Schiffe von anderen Reedereien - auch deutschen -gemietet und kann seinen Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen. Zudem mehren sich nach Angaben der Financial Times gerichtliche Klagen, weil der Ausfall von Hanjin zu „Rissen in der globalen Wertschöpfungs- und Logistikkette“ geführt habe.
„Hanjin ist ein großes Unternehmen, weswegen das Scheitern einen großen Einfluss auf viele Exporteure und Logistikfirmen hat“, wird ein Sprecher der koreanischen Frachtbehörde von der Financial Times zitiert. „Uns gehen bereits einige Größen und Farben aus“, wird der Präsident eines Textilunternehmens in Los Angeles von Reuters zitiert. „Was die Beschaffung betrifft, so haben wir Probleme, Rohstoffe von den Hanjin-Schiffen herunterzubekommen. Wir versuchen jetzt, unsere Lieferkette umzustellen, um die verlorene Fracht zu ersetzen“, sagte ein Unternehmen in Singapur.
Zwar ist durch den Ausfall Hanjins etwas mehr Kapazität für seine Konkurrenten auf dem Markt freigeworden, am grundsätzlichen Problem des massiven Überangebots im Containerhandel wird dies aber nichts ändern, sagen Beobachter.
Seit Ende 2014 ist das Wachstum im Seehandel praktisch zum Erliegen gekommen – trotzdem werden weiterhin neue Frachter gebaut. Im zweiten Quartal des Jahres sei die Nachfrage nach dem Transport von Gütern um 2 Prozent gestiegen, berichtet die weltgrößte Reederei Moller Maersk – das Angebot an Transportkapazität jedoch um 6 Prozent. Auch ein großer Teil der Schiffe von Hanjin wird weiterverwendet werden – der Konkurrent Hyundai Merchant Marine hat bereits Interesse signalisiert und die gemieteten Frachter werden wahrscheinlich an die Eigner zurückgegeben werden. Beobachter schätzen, dass bis zu 1500 mittelgroße Containerschiffe vom Markt verschwinden müssten, damit das Verhältnis aus Angebot und Nachfrage wieder ausgeglichen wird.
„Hanjin repräsentiert nur 3 Prozent des Welthandels auf See und es scheint, dass die Überkapazität in der Industrie mehr als das ist. Dies ist nur einer der schmerzhaften Schritte, mit denen die Industrie ihr Überangebot korrigiert, es werden wahrscheinlich noch weitere folgen“, wird der Präsident des Online-Logistikunternehmens Freightos von CNBC zitiert.