Politik

Zehntausende protestieren in ganz Deutschland gegen TTIP und CETA

Lesezeit: 3 min
17.09.2016 18:08
Zehntausende Menschen gingen am Samstag in ganz Deutschland gegen TTIP und CETA auf die Straße. Die meisten Teilnehmer demonstrierten in Berlin.
Zehntausende protestieren in ganz Deutschland gegen TTIP und CETA

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Zehntausende Menschen haben bundesweit ihren Unmut über die geplanten Handelsabkommen TTIP und Ceta auf die Straße getragen. Bei Demonstrationen in sieben großen Städten forderten sie am Samstag, die laufenden Verhandlungen mit den USA offiziell zu beenden und das schon fertige Abkommen mit Kanada nicht umzusetzen. «Die Bundesregierung muss endlich die Notbremse ziehen und das Nein der Bürgerinnen und Bürgerinnen zu Ceta und TTIP respektieren», verlangte ein Bündnis aus Gewerkschaften, Umweltverbänden und kirchlichen Gruppen. An diesem Montag will ein SPD-Konvent über Ceta beraten und abstimmen.

Die dpa berichtet:

Auf den Plakaten war zu lesen: «Wir wollen eurer Gift nicht - fairer Handel für alle», «Brecht die Macht der Konzerne» oder einfach «TTIP stoppen». Ein als Huhn verkleideter Demonstrant verkündete: «Chlorhühnchen, nein Danke!» Auch Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD), der das TTIP-Abkommen mit den USA für gescheitert hält, aber das Ceta-Abkommen mit Kanada befürwortet, wurde kritisiert. «Gabriel, der Bösewicht, führt die Bürger hinters Licht», hatte ein Demoteilnehmer in Hamburg auf sein Plakat geschrieben.

Gabriel warnte dagegen nochmals vor einem Scheitern von Ceta. «Wir wollen, dass die Globalisierung endlich den Menschen dient und nicht nur einigen wenigen in der Wirtschaft», sagte er der Bild-Zeitung. «Würde Ceta scheitern, dann wäre der Versuch, die Globalisierung so zu gestalten, auf Jahrzehnte gescheitert. Denn niemand würde uns Europäer dann noch erst nehmen.» China und die USA würden dann die Standards für Handelsabkommen setzen, sagte Gabriel.

Bei den Protesten seilten sich in Köln sechs Aktivisten der Umweltorganisation Greenpeace von einer Brücke ab und entrollten ein 150 Quadratmeter großes Plakat über dem Rhein. Auch zahlreiche Landwirte beteiligten sich mit ihren Treckern an den Demos. «TTIP und Gentechnik bleibt uns vom Hof!», stand auf einem Plakat.

EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström hatte zuvor die angestrebten Handelsabkommen mit den USA und Kanada vehement verteidigt. In der Debatte gebe es «viele Missverständnisse, Schauermärchen und Lügen», sagte sie der Bild. Viele TTIP-Gegner hielten es mit der Wahrheit und Fakten nicht so genau.

«Unsere Demokratie wird selbstverständlich nicht ausgehöhlt, wie manche zu glauben scheinen», konterte die EU-Kommissarin. Manche Gruppen wären allerdings gegen jedes Handelsabkommen, «selbst wenn es Freibier für alle bedeutete».

Malmström appellierte an die Regierungen der EU-Staaten, mehr für TTIP zu werben. «Sie waren es ja, die uns beauftragt haben, mit Amerika zu verhandeln. Jetzt müssen sie den Menschen erklären, warum es ein gutes Abkommen werden wird», sagte die Schwedin. Befürworter versprechen sich von den Freihandelsabkommen eine Ankurbelung des Wirtschaftswachstums und die Schaffung neuer Arbeitsplätze.

Einen schnellen Abschluss der Verhandlungen erwartet allerdings auch die EU-Kommission nicht mehr. «Ich denke, dass es schwierig wird, die Verhandlungen vor dem Ende der Obama-Regierung am 19. Januar abzuschließen», sagte Malmström. Bisher sei keines der 30 Kapitel des TTIP-Vertrags abgeschlossen.

Auch SPD-Generalsekretärin Katarina Barley kritisierte den anhaltenden Widerstand gegen das Freihandelsabkommen mit Kanada. «Teile der Öffentlichkeit haben sich schon vor langer Zeit festgelegt, Ceta abzulehnen. Das ist schwierig, weil dadurch die wirklich positiven Entwicklungen der letzten Monate gar nicht mehr nachvollzogen wurden», sagte Barley den Zeitungen der Funke Mediengruppe.

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel hatte TTIP kürzlich für gescheitert erklärt, für Ceta setzt sich der Vizekanzler und SPD-Vorsitzende dagegen ein. Nach einem Kurzbesuch Gabriels am Donnerstag beim kanadischen Regierungschef Justin Trudeau erklärte das Bundeswirtschaftsministerium, Kanada sei zu rechtsverbindlichen Klarstellungen beim Ceta-Abkommen mit der EU bereit. Am Montag wollen die Sozialdemokraten auf einem kleinen Parteitag in Wolfsburg darüber abstimmen, ob sie das Abkommen mittragen.

Auch Linke und Grüne im Bundestag sind gegen Ceta. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Linken, Klaus Ernst, warf Gabriel vor, er liefere nur eine «große Illusionsshow». Sein einziges Ziel sei, vom SPD-Konvent grünes Licht für den Handelsministerrat zu bekommen. «Es bleibt zu hoffen, dass sich Gabriels Genossen davon nicht verhexen lassen». Grünen-Chefin Simone Peter rief Gabriel auf, den Genossen keinen Sand in die Augen zu streuen. «In Montreal gezimmerte Formelkompromisse können die gewaltigen Risiken des Ceta-Abkommens nicht überdecken.»

Über die Zahl der Teilnehmer gingen die Angaben in einigen Städten auseinander. Die Veranstalter zählten rund 320 000 Menschen bei den Kundgebungen in Berlin, Hamburg, Köln, Frankfurt, Stuttgart, München und Leipzig. Die Polizei sprach in den meisten Städten von viel weniger Teilnehmern.

Die Veranstalter zählten in Berlin 70.000 Teilnehmer, in Hamburg 65.000, in Köln 55.000, in Frankfurt 50.000, in Stuttgart 40.000, in München 25.000 und in Leipzig 15.000 Teilnehmer.

In Berlin sprach auch die Polizei letztlich von 70.000 Teilnehmern. In Hamburg zählten die Beamten aber nur 30.000, in Köln 40.000 Teilnehmer. In Frankfurt sprach die Polizei am Ende des Tages von 25.000 Teilnehmern, in München von 23.000, und in Stuttgart kamen laut Polizei 20.000. Die Leipziger Polizei gab keine eigene Zahl bekannt. «Wir haben viel Erfahrung und keinen Grund, Teilnehmerzahlen nach oben oder unten zu manipulieren», sagte ein Polizeisprecher in Hamburg der dpa.

Die dpa hatte am Samstagmorgen gemeldet, dass die Veranstalter 250.000 Teilnehmer erwarteten. Demnach wären die Erwartungen übertroffen worden. Die ARD behauptet ihrer Website, dass die Zahl hinter den Erwartungen geblieben sei - ohne einen belastbaren Vergleich liefern zu können.


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