Deutschland

Studie: Deutsche Unternehmen verlagern ihr Geschäft zunehmend ins Ausland

Lesezeit: 2 min
29.11.2022 12:14  Aktualisiert: 29.11.2022 12:14
Der Wirtschaftsstandort Deutschland wird für Unternehmen immer unattraktiver, wie eine Studie belegt. Schon vor Anstieg der Energiepreise wanderten massenhaft Firmen aus Kostengründen ins Ausland. Der Industrieverband warnt: „Unser Geschäftsmodell steht enorm unter Stress“.
Studie: Deutsche Unternehmen verlagern ihr Geschäft zunehmend ins Ausland
Sigfried Russwurm (l-r), Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen), Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, und Jörg Hofmann, Erster Vorsitzender der IG Metall, gaben zu Beginn der Industriekonferenz 2022 des Bundeswirtschaftsministeriums eine Pressekonferenz. (Foto: dpa)
Foto: Kay Nietfeld

Benachrichtigung über neue Artikel:  

Etwa jedes 60. deutsche Unternehmen hat schon vor dem starken Anstieg der Energiekosten wirtschaftliche Aktivitäten ins Ausland verlagert. 1,6 Prozent der Firmen haben dies von 2018 bis 2020 getan – „vor allem wegen Kostenvorteilen“, wie das Statistische Bundesamt am Dienstag zu seiner Studie mitteilte.

Dabei verlagerten 64 Prozent etwa Produktion von Waren, Marketing, Vertrieb und Kundendienst oder Forschung und Entwicklung vollständig oder teilweise aus Deutschland heraus an andere Teile innerhalb oder außerhalb ihrer Unternehmensgruppe ins Ausland. 60 Prozent gingen in das restliche Ausland.

„Unser Geschäftsmodell steht enorm unter Stress“

Die Studie kommt zu einem Zeitpunkt, an dem über eine drohende Deindustrialisierung Deutschlands aufgrund explodierender Energiekosten diskutiert wird. „Unser Geschäftsmodell steht enorm unter Stress“, warnte Industriepräsident Siegfried Russwurm.

Die Energiepreise, die seit Ausbruch des Ukrainekriegs Ende Februar nach oben geschossen sind, seien ein Handicap für deutsche Unternehmen im internationalen Wettbewerb. „Die Gefahr der Abwanderung ist real.“ Bei einer Umfrage in diesem Jahr unter 600 Mittelständlern hätten über 20 Prozent der befragten Firmen bereits von konkreten Plänen berichtet.

Die deutsche Industrie wird nach Einschätzung von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck durch die aktuell sehr hohen Energiepreise nicht kaputtgehen. „Das wird nicht passieren“, sagte der Grünen-Politiker bei einer großen Industriekonferenz in Berlin. Dies werde die Politik nicht zulassen, das sei die Botschaft für nächstes Jahr. Es werde jetzt verstärkt darum gehen, die Sicherung des Standorts zu unterstützen.

Ifo-Präsident Clemens Fuest erwartet zumindest kurzfristig keine Deindustrialisierung. So schnell könnten Industrien nicht verlagert werden, sagte der Ökonom der Nachrichtenagentur Reuters. Die Frage sei aber, ob Deutschland auch langfristig ein attraktiver Standort bleibe.

„Bei den energieintensiven Industrien steht das sicher infrage. Da verlieren wir an Wettbewerbsfähigkeit gegenüber anderen Standorten.“ Weitere Belastungen wie Fachkräftemangel und zunehmender Protektionismus kämen noch hinzu. Daher müsste das Thema ernst genommen werden.

Lohnkosten, hohe Steuern und mangelnde Facharbeiter

Bei den Motiven für eine internationale Verlagerung spielten insbesondere Kostenvorteile eine Rolle, erklärten die Statistiker die Entwicklung in den Vorjahren. So war für 89 Prozent der Unternehmen die Verringerung von Lohnkosten ein wichtiges Motiv für den Schritt ins Ausland. 75 Prozent nannten andere Kostenvorteile.

Der Mangel an qualifizierten Fachkräften in Deutschland war für 62 Prozent ein Grund, Unternehmensfunktionen ins Ausland zu verlagern oder dies zumindest in Erwägung zu ziehen. Gegen einen Weggang sprachen vor allem administrative oder rechtliche Faktoren: 79 Prozent der Unternehmen gaben dies an.

Es folgten steuerliche Probleme (59 Prozent) sowie Zölle und andere Handelshemmnisse (54 Prozent). Die Mehrheit der deutschen Unternehmen ist in die globale Wertschöpfungskette eingebunden. 61 Prozent der knapp 64.000 Unternehmen mit mindestens 50 Beschäftigten bezogen 2020 Waren oder Dienstleistungen aus dem Ausland oder lieferten selbst welche dorthin, wie das Statistische Bundesamt weiter mitteilte.



Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Kostenloses Experten-Webinar: Die Zukunft der personalisierten Medizin aus der Cloud - und wie Sie davon profitieren

Eine individuelle Behandlung für jeden einzelnen Menschen - dieser Traum könnte nun Wirklichkeit werden. Bei der personalisierten Medizin...

DWN
Technologie
Technologie EU-China-Beziehung: Droht ein Handelskrieg um Elektroautos?
05.05.2024

Vor Xi Jinpings Besuch in Paris bekräftigt Deutschland seine Haltung im EU-China-Streit um E-Autos. Doch wie wird die EU reagieren?

DWN
Unternehmen
Unternehmen Europameisterschaft 2024 am Arbeitsplatz streamen: Wie weit geht Arbeitgeber-Toleranz?
05.05.2024

Die Spiele der Europameisterschaft 2024 finden zu Zeiten statt, die nicht ideal für Arbeitnehmer sind. Einige Spiele starten bereits um 15...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Handwerksbetriebe in Not: Geschäftslage trübt sich ein
05.05.2024

Die aktuelle Lage im Handwerk bleibt düster, mit einer spürbaren Verschlechterung der Geschäftslage im ersten Quartal 2024 aufgrund...

DWN
Politik
Politik DWN-Kommentar: Eine Welt ohne Europa?
04.05.2024

Der Krieg in der Ukraine und die Spannungen im Nahen Osten gefährden die Zukunftsfähigkeit der EU. Nun steht sie an einem Scheideweg:...

DWN
Politik
Politik Angriff auf SPD-Europapolitiker: Matthias Ecke in Dresden schwer verletzt
04.05.2024

Schockierende Gewalt: SPD-Europaspitzenkandidat Matthias Ecke wurde brutal angegriffen. Politiker verurteilen den Angriff als Attacke auf...

DWN
Finanzen
Finanzen Platzt die ETF-Blase – was dafür, was dagegen spricht
04.05.2024

Kaum eine Investmentform konnte in den zurückliegenden Jahren die Gunst der Anleger derart erlangen wie dies bei Exchange Traded Funds,...

DWN
Immobilien
Immobilien Streikwelle auf Baustellen droht: Gewerkschaft kündigt Massenstreiks an
04.05.2024

Die Bauindustrie steht vor Massenstreiks: Gewerkschaft kündigt flächendeckende Arbeitsniederlegungen mit rund 930.000 Beschäftigten an.

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Chinas Einfluss in Südostasien: Herausforderung für deutsche Firmen
04.05.2024

Deutsche Unternehmen suchen verstärkt nach Alternativen zum chinesischen Markt und richten ihr Augenmerk auf die aufstrebenden...