Finanzen

EU-Anwälte erklären Finanztransaktions-Steuer für illegal

Lesezeit: 1 min
14.09.2013 01:57
Blamage für die Rächer der Finanzmärkte: Die eigenen Anwälte erklären das Modell der EU für eine Finanztransaktions-Steuer nun für „illegal“. Die EU will trotz des rechtlichen Knock-Outs an den Plänen festhalten.
EU-Anwälte erklären Finanztransaktions-Steuer für illegal

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Wolfgang Schäuble wollte eine EU-weite Steuer auf Finanztransaktionen (FTT) einführen, die den Regierungen Europas jährlich etwa 35 Milliarden Euro eingebracht hätte. Dazu wird es wohl nicht so schnell kommen. Der Rechtsbeistand der EU-Mitgliedstaaten lehnt den Entwurf der Steuer ab.

Der Entwurf sei nicht mit EU-Verträgen vereinbar, denn er „überschreitet die Gerichtsbarkeit der Mitgliedstaaten“. Die FTT gerät mit internationalen Gesetzen in Konflikt, heißt es in dem 14-Seitigen Bericht der EU-Anwälte, der der Nachrichtenagentur Reuters vorliegt. Die Steuerhoheit nicht teilnehmender Staaten würde verletzt.

Nur elf der 28 EU-Mitgliedstaaten haben sich bislang zu dem Entwurf der FTT bekannt, unter ihnen Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien, Österreich, Portugal, Belgien, Estland, Griechenland, die Slowakei und Slowenien. Besteuert werden sollen alle Finanzgeschäfte, an denen die Länder in irgendeiner Hinsicht beteiligt sind (mehr hier).

Großbritannien weigerte sich zusammen mit dem Rest der EU, sich an diesem Projekt zu beteiligen. Zu viele Fragen blieben ungeklärt. Auf den weitgehend deregulierten Finanzmärkten ist es schwer, lokale Gesetze oder Steuern einzuführen, an die sich der Rest der Welt nicht halten muss.

Zudem wird eine der größten Errungenschaften der EU durch die FTT verletzt: Die freie Bewegung von Kapital und Dienstleistungen auf dem einheitlichen Europäischen Markt.

EU-Steuerkommissar Algirdas Semeta will das nicht wahrhaben. Er selbst hat den Plan zur FTT entworfen: „Wir bleiben auf dem Standpunkt, dass die FTT rechtmäßig und mit den EU-Verträgen und internationalen Gesetzen vereinbar ist“, sagte Algirdas. Die Empfehlung des eigenen Rechtsbeistands kümmert ihn wenig.

Das Bundesministerium für Finanzen reagierte nüchtern auf die Empfehlung der Anwälte. Man sei für eine „schleunige Einführung der FTT“. Daran habe sich „nichts geändert“. Die rechtlichen Bedenken müssten „aufgeklärt und so schnell wie möglich aus dem Weg geräumt“ werden, sagte ein Sprecher.

Die Meinung der EU-Anwälte ist nicht verbindlich. Brüssel wird die Steuer daher weiter durchboxen, gegen den Widerstand der Mehrheit der Mitgliedstaaten und gegen den Willen der europäischen Bevölkerung, die der Einführung weder ihre Zustimmung noch Ablehnung erteilen kann.

Dass die FTT ihr erklärtes Ziel verfehlt, scheint die Entscheidungsträger in Brüssel nicht zu interessieren. Ein substantieller Teil der besteuerten Finanzgeschäfte „sind nicht verantwortlich für den Ausbruch der Finanzkrise und können auch keine Krise in der Zukunft mehr herbeiführen“, sagte die Robin Hood Steuer Kampagne, die ihren Sitz in Großbritannien hat.

Die Einführung einer Finanztransaktions-Steuer führt also nicht zur Vermeidung des Handels mit hochriskanten Finanzprodukten. Die Steuer würde zunächst nur die Staatskassen füllen (hier) und den Finanzstandort in Europa nachhaltig Schaden zufügen.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Halbzeit Urlaub bei ROBINSON

Wie wäre es mit einem grandiosen Urlaub im Juni? Zur Halbzeit des Jahres einfach mal durchatmen und an einem Ort sein, wo dich ein...

DWN
Politik
Politik Selenskyj drängt auf EU-Beitrittsgespräche - Entwicklungen im Ukraine-Krieg im Überblick
10.05.2024

Trotz der anhaltenden Spannungen an der Frontlinie im Ukraine-Krieg bleibt Präsident Selenskyj optimistisch und setzt auf die...

DWN
Finanzen
Finanzen DAX-Rekordhoch: Deutscher Leitindex springt auf Allzeithoch über 18.800 Punkten
10.05.2024

Der DAX hat am Freitag zum Handelsstart mit einem Sprung über die Marke von 18.800 Punkten seinen Rekordlauf fortgesetzt. Was bedeutet das...

DWN
Politik
Politik Corona-Aufarbeitung: Spahn spricht sich für breite Analyse aus mit allen Blickwinkeln
10.05.2024

Im deutschen Parlament wird zunehmend eine umfassende Analyse der offiziellen Corona-Maßnahmen, einschließlich Masken und Impfnachweisen,...

DWN
Politik
Politik Pistorius in den USA: Deutschland bereit für seine Aufgaben
10.05.2024

Verteidigungsminister Boris Pistorius betont in Washington eine stärkere Rolle Deutschlands im transatlantischen Bündnis. Er sieht den...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Europäische Unternehmen sehen düstere Aussichten in China
10.05.2024

Die jährliche Geschäftsklimaumfrage der EU-Handelskammer in Peking zeigt, dass europäische Unternehmen ihre Wachstumschancen in China so...

DWN
Technologie
Technologie Lithium-Abbau in Deutschland: BGR-Forscher starten Tiefenförderung in der Lüneburger Heide
10.05.2024

Der Weg zu einer nachhaltigen Elektromobilität führt möglicherweise durch die Lüneburger Heide: Die Die Bundesanstalt für...

DWN
Finanzen
Finanzen Genomsequenzierung: Investieren in die personalisierte Medizin der Zukunft
09.05.2024

Genomsequenzierung, Gentherapie, personalisierte Medizin: Die Medizin- und Pharma-Industrie steht vor einem Wendepunkt. Gleichzeitig sind...

DWN
Politik
Politik DWN-Interview zur Mafia in Deutschland: „Hier gehe ich von Strafvereitelung im Amt aus“
09.05.2024

Italienische Mafia-Organisationen gewinnen in Deutschland zunehmend an Einfluss – und können dabei teilweise auf das stillschweigende...