Dänemark hat sich bisher kategorisch geweigert, Flüchtlinge aufzunehmen. Mit einem Werbespot im Libanon wurde den Flüchtlingen erklärt, dass sie in Dänemark keine Aufnahme finden werden. In mehreren Sprachen teile die Regierung mit, dass die Sozialleistungen in Dänemark gekürzt worden seien. Damit will die Regierung Flüchtlinge davon abhalten, in Dänemark Asyl zu suchen. Doch als am Wochenende erste Züge aus Deutschland mit Flüchtlingen anrollen, sah sich die Regierung plötzlich einem großen Problem gegenüber. Mehr als 3.000 sind seitdem angekommen, viele eigentlich mit einem anderem Ziel: Schweden. Einige mit der Fähre von der deutschen Insel Fehmarn in Rødby, andere in Padborg nördlich von Schleswig-Holstein. Am Mittwoch geriet die Situation außer Kontrolle.
Die Polizei wusste sich nicht anders zu helfen, als den Zugverkehr zwischen Deutschland und Dänemark vorübergehend zu stoppen. Die Grenzen für Züge wurden dichtgemacht - ausgerechnet an dem Tag, an dem EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker die Europäer mahnt, zusammenzustehen. Dänemarks Ministerpräsident Lars Løkke Rasmussen will nicht zulassen, dass die Grenzen seines Landes zu einem «Mini-Budapest» werden.
Denn die Flüchtlinge wollen sich nicht in Dänemark registrieren lassen - aus Furcht vor den strengen Regeln hier, berichten laut dpa dänische Medien. Mehrere hundert der Ankömmlinge haben am Mittwoch versucht, über die Autobahn E45 Richtung Norden nach Schweden zu gelangen. Bis dorthin sind es mehr als 300 Kilometer.
Zur Not wollen die Menschen, darunter viele Kinder, Frauen und Alte, es eben zu Fuß bis dorthin schaffen. Einige haben Familie in dem skandinavischen Land, das dieses Jahr bis zu 100 000 Flüchtlinge aufnehmen könnte - die meisten gemessen an ihrer Bevölkerungszahl in der EU. Andere hoffen darauf, ihre Familie in Schweden leichter nachholen zu können.
Dänemark, das in der Migrationspolitik eine Ausnahmeregelung verhandelt hatte, hatte die Hilfen für anerkannte Flüchtlinge zum 1. September zum Teil um die Hälfte gekürzt - mit dem erklärten Ziel, Asylbewerber fernzuhalten. Um das bekanntzumachen, hatte die liberale Integrationsministerin Inger Støjberg unter anderem Anzeigen in Zeitungen im Libanon geschaltet. Darin steht etwa, «dass Ausländer, die eine vorübergehende Aufenthaltserlaubnis erreichen, ihre Familie im ersten Jahr nicht nach Dänemark holen können».
Die Abschreckungs-Politik scheint zu wirken. Am Bahnhof in Padborg rief eine Gruppe, die die Polizei am Bahnsteig eingekreist hatte, im Chor: «Wir wollen nach Schweden!» und «Lasst uns gehen!», zeigen Fernsehbilder am Mittwoch. Doch Dänemarks Behörden wollen das nicht zulassen. Wer sich nicht als Asylbewerber registrieren lässt, muss zurück nach Deutschland.
Auf der Fähre, die im Hafen der Stadt Rødby auf der Insel Lolland ankommt, blieben viele im Zug sitzen, weil sie nicht in Dänemark erfasst werden wollen. Sie hielten selbstgemalte Schilder von innen vor die Zugfenster. Darauf steht: «Not Denmark» - «Nicht Dänemark».
Stundenlang saß die Fähre in Rødby fest, dahinter warteten im Fehmarnbelt weitere Schiffe darauf, in den Hafen einzulaufen. Am späten Nachmittag beschloß die Polizei: Die Bahngesellschaft DSB darf keine Züge mehr auf den Fähren nach Dänemark transportieren. Auch am Bahnhof in Padborg geht auf unbestimmte Zeit nichts mehr. Aller Zugverkehr von und nach Deutschland ist eingestellt. Der Bahnsteig in Flensburg, von dem aus die Züge Richtung Norden abfahren, ist am frühen Abend verwaist.
Die Kontrollen an den Grenzen hatte die Polizei in den vergangenen Tagen erhöht. Ständige Grenzkontrollen wieder einzuführen war eine zentrale Forderung der dänischen Rechtspartei im Wahlkampf. Als stärkste bürgerliche Partei sind sie auch treibende Kraft hinter der harten dänischen Ausländerpolitik.
Das Schengener Abkommen will Ministerpräsident Lars Løkke Rasmussen nicht antasten. Doch weniger Asylbewerber unter allen Umständen hatte auch er den Dänen im Wahlkampf versprochen. Indem Dänemark, das nicht Teil der Asylpolitik der EU ist, in diesem Jahr mehr als 2800 der zu verteilenden Flüchtlinge aufnehme, werde es seiner Verantwortung mehr als gerecht, meint Ministerpräsident Løkke Rasmussen. «Wir sind ein Teil der Lösung, nicht wie andere ein Teil des Problems.»