Finanzen

Draghi ebnet den Weg zur Parität von Euro und Dollar

Lesezeit: 2 min
30.11.2015 10:24
Experten von Goldman Sachs rechnen damit, dass der Euro bereits vor dem Jahresende weniger als einen Dollar kostet. Sollte die EZB Anfang Dezember wie erwartet die Geldschleusen weiter öffnen, so sei die Parität von Euro und Dollar demnach nur noch eine Frage der Zeit.
Draghi ebnet den Weg zur Parität von Euro und Dollar

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Mario Draghi und Wim Duisenberg haben möglicherweise schon bald etwas gemeinsam: Einen Euro-Kurs von weniger als einem Dollar unter ihrer Ägide als Präsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB). Wenn die Währungshüter Anfang Dezember wie erwartet die Geldschleusen weiter öffnen, ist die sogenannte Parität von Euro und Dollar nach Ansicht von Experten nur noch eine Frage der Zeit. „Das kann relativ schnell gehen“, sagt Ulrich Stephan, der bei der Deutschen Bank die Investmententscheidungen im Geschäft mit Privat- und Firmenkunden verantwortet. Er hält sogar einen Rutsch in Richtung des Euro-Rekordtiefs von 0,8225 Dollar für möglich. Dies hänge davon ab, ob Draghi Spekulationen auf weitere Geldspritzen schüre.

Die Experten von Goldman Sachs rechnen damit, dass der Euro bereits vor dem Jahresende weniger als ein Dollar kostet. Es wäre das erste Mal seit dem Nikolaustag 2002. Aktuell liegt der Kurs bei etwa 1,06 Dollar. Analyst Dwight Bolden von der Metzler Bank äußert sich vorsichtiger: „Denkbar ist, dass die Gemeinschaftswährung nach der Fed-Sitzung kurzzeitig unter die Ein-Dollar-Marke rutschen wird. Bis zum Ende des ersten Quartals sollte sich der Euro um die Parität einpendeln.“

Unter Börsianern gilt es als sicher, dass die EZB ihre Anleihenkäufe ausweitet. Bislang will sie bis mindestens Ende September 2016 Papiere im Volumen von monatlich 60 Milliarden Euro aufkaufen. Die meisten Analysten erwarten, dass Notenbankchef Draghi auf der Pressekonferenz im Anschluss an die Ratssitzung am 3. Dezember die Ankauffrist bis mindestens März 2017 verlängert oder gar kein Enddatum mehr nennt. Volkswirte gehen zudem davon aus, dass das monatliche Aufkauf-Volumen auf 75 Milliarden Euro erhöht wird.

Mit den Käufen will Draghi die Bondrenditen drücken und die Titel für Banken als Investment unattraktiver machen. Sie sollen stattdessen mehr Kredite an Firmen und Haushalte vergeben, was die heimische Konjunktur ankurbeln und die hartnäckig niedrige Inflation anschieben soll. Doch im Oktober zogen die Preise in der Euro-Zone lediglich um 0,1 Prozent an – die EZB strebt aber eine Teuerungsrate von knapp zwei Prozent an.

Darüber hinaus könnte die EZB den Strafzins für Banken erhöhen, wenn diese bei ihr Geld parken. „Im Grunde beinhaltet das bereits implizit eine Ausweitung der Anleihekäufe“, betont Jens Klatt, Chef-Marktanalyst des Brokerhauses FXCM in Deutschland. Bislang beschränken sich die Währungshüter auf Papiere, deren Rendite über dem Einlagenzins von minus 0,20 Prozent liegt. Damit sind zweijährige Bonds aus Deutschland, Österreich, den Niederlanden oder Finnland tabu, da diese zwischen minus 0,3 und minus 0,4 Prozent rentieren.

Gleichzeitig naht in den USA die Zinswende. Führungsmitglieder der US-Notenbank Fed lassen kaum einen Zweifel daran, dass sie die Geldpolitik zwei Wochen nach der EZB-Sitzung straffen wollen. Die Chefin der Fed von Cleveland, Loretta Mester, spricht bereits davon, dass die Wirtschaft eine „maßvolle Erhöhung“ verkraften könne. Experten lesen daraus eine Zinserhöhung auf 0,5 Prozent heraus. „Die Divergenz der geldpolitischen Aussichten diesseits und jenseits des Atlantiks ist greifbar, entsprechend hat jetzt schon der Euro/Dollar-Wechselkurs reagiert“, sagt NordLB-Volkswirt Christian Lips.

Für den DZ-Bank-Analyst Jan Holthusen ist ein Rutsch des Euro unter die Marke von einem Dollar daher nicht in Stein gemeißelt. „Die Parität von Euro und Dollar ist für uns kein wirkliches Szenario, da die unterschiedliche Gestaltung der Geldpolitik im Euro-Raum und den USA eingepreist ist.“ Folker Hellmeyer, Chef-Analyst der Bremer Landesbank, sieht den Euro im Frühjahr 2016 sogar auf bis zu 1,15 Dollar steigen. „Die konjunkturelle Entwicklung in der Euro-Zone ist vielversprechend und sollte die Gemeinschaftswährung stützen. Zudem ist es noch keine ausgemachte Sache, dass die EZB angesichts der zuletzt guten Konjunkturdaten aus der Euro-Zone im Dezember wirklich aktiv wird.“ Die Kreditvergabe der Banken an Firmen war beispielsweise im Oktober um 0,6 Prozent gestiegen – das war der stärkste Anstieg seit fast vier Jahren. Der 2005 verstorbene Duisenberg bliebe damit weiterhin der bislang einzige EZB-Chef, während dessen Amtszeit der Euro weniger als einen Dollar kostete.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Kostenloses Experten-Webinar: Die Zukunft der personalisierten Medizin aus der Cloud - und wie Sie davon profitieren

Eine individuelle Behandlung für jeden einzelnen Menschen - dieser Traum könnte nun Wirklichkeit werden. Bei der personalisierten Medizin...

DWN
Politik
Politik DWN-Kommentar: Eine Welt ohne Europa?
04.05.2024

Der Krieg in der Ukraine und die Spannungen im Nahen Osten gefährden die Zukunftsfähigkeit der EU. Nun steht sie an einem Scheideweg:...

DWN
Politik
Politik Angriff auf SPD-Europapolitiker: Matthias Ecke in Dresden schwer verletzt
04.05.2024

Schockierende Gewalt: SPD-Europaspitzenkandidat Matthias Ecke wurde brutal angegriffen. Politiker verurteilen den Angriff als Attacke auf...

DWN
Finanzen
Finanzen Platzt die ETF-Blase – was dafür, was dagegen spricht
04.05.2024

Kaum eine Investmentform konnte in den zurückliegenden Jahren die Gunst der Anleger derart erlangen wie dies bei Exchange Traded Funds,...

DWN
Immobilien
Immobilien Streikwelle auf Baustellen droht: Gewerkschaft kündigt Massenstreiks an
04.05.2024

Die Bauindustrie steht vor Massenstreiks: Gewerkschaft kündigt flächendeckende Arbeitsniederlegungen mit rund 930.000 Beschäftigten an.

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Chinas Einfluss in Südostasien: Herausforderung für deutsche Firmen
04.05.2024

Deutsche Unternehmen suchen verstärkt nach Alternativen zum chinesischen Markt und richten ihr Augenmerk auf die aufstrebenden...

DWN
Technologie
Technologie CO2-Speicherung: Vom Nischenthema zum Wachstumsmarkt
04.05.2024

Anreize durch die Politik, eine neue Infrastruktur und sinkende Kosten: CO2-Speicherung entwickelt sich zusehends vom regionalen...

DWN
Politik
Politik Wahljahr-Turbulenzen: Biden im Kreuzfeuer der Gaza-Proteste
04.05.2024

Seit Monaten sind bei fast jedem öffentlichen Auftritt von Präsident Joe Biden propalästinensische Demonstrationen zu sehen, die sich im...

DWN
Politik
Politik Mindestlohn: Neues Streitthema köchelt seit dem Tag der Arbeit
04.05.2024

Im Oktober 2022 wurde das gesetzliche Lohn-Minimum auf zwölf Euro die Stunde erhöht. Seit Jahresanfang liegt es bei 12,41 Euro, die von...