Politik

Chaos in der Ukraine: Jazenjuk übersteht Misstrauens-Votum

Der von der EU unterstützte Präsident Poroschenko will die von der EU unterstützte Regierung Jazenjuk feuern. Vordergründig geht es um Korruption. Tatsächlich stehen neue IWF-Kredite auf dem Spiel. Dem Land droht das völlige Chaos. Am Dienstag überstand Jazenjuk allerdings noch einmal ein Misstrauensvotum.
16.02.2016 16:46
Lesezeit: 2 min

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Der Streit in der Ukraine eskaliert. Präsident Petro Poroschenko hat die Umbildung der Regierung gefordert. Das Kabinett von Ministerpräsident Arseni Jazenjuk habe nicht mehr die Unterstützung der Koalitionsparteien, sagte Poroschenko am Dienstag in Kiew. Die neue Regierung solle aus der bisherigen Koalition heraus ohne Neuwahlen gebildet werden. Das Land habe nicht die Zeit für einen neuen Wahlgang.

Das von Poroschenko angestrengte Misstrauensvotum gegen Jazenjuk ist am Dienstag allerdings gescheitert. Nur 194 Abgeordnete stimmten für den Antrag. Für einen Sturz der Regierung wären 226 Stimmen nötig gewesen.

Ausgelöst wurde die Krise Anfang Februar durch den überraschenden Rücktritt von Wirtschaftsminister Aivaras Abromavicius. Der gebürtige Litauer begründete die Entscheidung mit anhaltendem Widerstand gegen seine Privatisierungspläne und seinen Kampf gegen Korruption. Abromavicius ist ein ehemaliger Investment-Banker und war wie Finanzministerin Natalia Jaresko kurz vor der Amtsübernahme in der Ukraine blitzeingebürgert worden.

Mittlerweile vertrauen vor allem die US-Neocons auf neue Kräfte: Sie haben den von Russland mit internationalem Haftbefehl gesuchten früheren Staatschef von Georgien zum Gouverneur von Odessa ernannt – mit dem offenkundigen Auftrag, die Regierung Jazenjuk unter Kontrolle zu bringen.

Michail Saakaschwili hatte Jazenjuk bereits vor Wochen scharf attackiert und zum Rücktritt aufgefordert. Erst vor wenigen Tagen hatte er sich erneut für einen schnellen Regierungswechsel in der Ukraine ausgesprochen. „Wir brauchen einen neuen Ministerpräsidenten“, sagte der aus Georgien stammende Politiker am Sonntag im Reuters-Interview am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz. Er forderte die Ablösung von Regierungschef Arseni Jazenjuk. „Am besten wäre ein Wechsel ohne Neuwahlen, ansonsten würde wir wieder Monate verlieren“, sagte der vor einem Jahr zum Präsidentenberater ernannte Saakaschwili. Eine Gruppe entschlossener Reformer müsse die Ukraine wieder auf einen Reformpfad führen. Er selbst wolle einer neuen Regierung aber nicht angehören.

Saakaschwili gilt als Vertrauter von Präsident Petro Poroschenko. Am Dienstag will die Führung in Kiew eine Bilanz über ihre Arbeit und über ihre Pläne für dieses Jahr vorlegen. Das Land steckt tief in der Rezession. Das Parlament muss über diesen Bericht abstimmen. Daher wird der Tag als entscheidend für die Zukunft von Ministerpräsident Jazenjuk angesehen. Die ukrainische Regierung hat in den vergangenen Monaten eine Reihe ausländischer Experten eingestellt, um Reformen in der ehemaligen Sowjetrepublik voranzubringen. Deshalb war der frühere georgische Präsident Saakaschwili gefragt worden, Gouverneur der Region um die Schwarzmeer-Metropole Odessa zu werden. US-Außenminister John Kerry hatte am Samstag in München gemahnt, in 2016 müsse die Regierung in Kiew zeigen, dass Reformen die Korruption ablösten.

Saakaschwili gab Jazenjuk persönlich die Schuld daran, dass das Land nicht aus der Wirtschaftskrise kommt. Ohne einen Personalwechsel könne es keinen wirklichen Wechsel der Politik geben. Jazenjuk sei bereits zwei Jahre im Amt. „Und die Ergebnisse sind minimal und teilweise sogar negativ.“ Er hoffe, dass die internationale Gemeinschaft und auch die USA die Notwendigkeit eines Wechsels verstünden.

Den Rücktritt des ukrainischen Wirtschaftsministers Aivaras Abromavicius bezeichnete Saakaschwili als Rückschlag. Der Wirtschaftsminister habe Recht gehabt mit seiner Kritik, dass die Korruption in der Ukraine immer noch zu stark sei. Aber kommende Woche werde es die von ihm auch angemahnten Änderungen in der ukrainischen Regierung geben. Falls dies nicht gelinge, müsse es Neuwahlen geben. „Wahlen haben ihre Risiken, aber der Status Quo ist unhaltbar.“ Jazenjuks Partei habe ihren Rückhalt in der Bevölkerung völlig verloren und rangiere in Umfragen nur noch bei 0,2 Prozent Zustimmung, während Poroschenkos Partei immer noch an erster Stelle liege.

Saakaschwili warnte, dass im Westen die Neigung wachsen könnte, das Schicksal der Ukraine im Austausch mit anderen internationalen Themen wie Syrien zu sehen. Auch Poroschenko hatte wiederholt gewarnt, der Westen dürfe gegenüber Russland im Konflikt um die Ostukraine nicht nachgiebig sein, weil er eine Zusammenarbeit mit Russland in der Syrien-Krise wolle.

Bei der Reformdebatte dürfe man Russland nicht aus den Augen zu verlieren, mahnte Saakaschwili. „Derzeit ist der russische Einfluss in Ukraine nicht sehr groß. Aber der Einfluss könnte zurückkommen, wenn wir mit den Reformen scheitern“, warnte er. Russland sei sehr geschickt darin, Frustration in der Bevölkerung für eigene Ziele zu nutzen.

Das Land steckt tief in der Rezession und hat Milliarden von internationalen Geldgebern erhalten. Der IWF hat bereits gedroht, wegen der ausbleibenden Reformbemühungen gegen Korruption die Auszahlung weiterer Gelder zu stoppen. Aktuell wartet die ukrainische Regierung auf die Auszahlung von Krediten in Höhe von 1,7 Milliarden Dollar.

DWN
Unternehmen
Unternehmen Bäckerei-Sterben: Immer mehr Brot aus der Fabrik
15.03.2025

Der klassische Bäcker um die Ecke hat eine lange Tradition in Deutschland. Doch immer mehr Großbäckereien verdrängen die kleinen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Schweiz überholt Deutschland: Überraschender Spitzenreiter in der Containerschifffahrt
15.03.2025

Die Schweiz, ein Land ohne direkten Zugang zum Meer, hat sich überraschend zur größten Containerschiff-Nation der Welt entwickelt....

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Deutschland am Scheideweg: Wirtschaftliche Herausforderungen – Vom Wachstumsmotor zur Stagnation? Teil 1
15.03.2025

Die Rolle Deutschlands als Motor der europäischen Wirtschaft ist in Gefahr. Das Wirtschaftswachstum ist seit 2019 weitgehend zum Erliegen...

DWN
Politik
Politik Einigung bei historischem Schuldenpaket: Schwarz-rote Grund­ge­setz­än­de­rungen werden grün
14.03.2025

100 Milliarden Sonderschulden für die Grünen und Klimaneutralität bis 2045 im Grundgesetz: Nach zähen Verhandlungen haben Union, SPD...

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt Du bist mir eine Marke! Der Erfolg von 130 Jahren Falke-Socken
14.03.2025

Franz-Peter Falke leitet das Familienunternehmen im Sauerland in vierter Generation. Zwischen Wahren der Tradition und Wappnen für die...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Betriebsbedingte Kündigung: Was gilt für Arbeitgeber und Arbeitnehmer?
14.03.2025

Die andauernde Wirtschaftskrise führt in Deutschland zu immer mehr Firmenpleiten und zunehmenden Stellenabbau bei Unternehmen. Damit...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Tesla: Trump-Zölle könnten dem E-Autobauer schaden
14.03.2025

Tesla-Chef Elon Musk gilt als Trump-Unterstützer – doch sein Unternehmen schlägt Alarm. Die Strafzölle der US-Regierung könnten nicht...

DWN
Politik
Politik BSW: neues Wahlergebnis zählt 4.277 Zweitstimmen mehr - trotzdem kein Einzug in den Bundestag
14.03.2025

Das BSW scheitert final am Einzug in den Bundestag: 0,02 Prozent fehlten! Während sich an der Sitzverteilung nichts mehr ändert, treten...