Politik

Merkel schlägt zurück: Streit über Flüchtlinge eskaliert

Die CSU fordert nach dem schlechten Ergebnis bei den Landtagswahlen einen deutlichen Kurswechsel in der Union. Kanzlerin Merkel zeigt sich davon unbeeindruckt und will ihren Kurs in der Flüchtlingspolitik beibehalten. Unterstützung erhält sie von Sigmar Gabriel.
14.03.2016 17:30
Lesezeit: 3 min

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Nach den Landtagswahlen mit teils herben Verlusten für die CDU und dem Höhenflug der AfD eskaliert in der Union der Streit über die Flüchtlingspolitik. „Es geht um die Existenz. Aus dem Sinkflug kann ein Sturzflug werden, kann auch ein Absturz werden“, warnte CSU-Chef Horst Seehofer am Montag in München und forderte: „Wir brauchen eine andere Politik.“ Bundeskanzlerin Angela Merkel zeigte sich von den Ergebnissen unbeeindruckt und will an ihrem Kurs festhalten. „Vom Grundsatz her werde ich das so weiter verfolgen, wie ich das in den letzten Monaten getan habe“, sagte die Kanzlerin in Berlin. Auch SPD-Chef Sigmar Gabriel machte deutlich, dass er am Kurs der Bundesregierung festhalten werde.

Merkel führte die schlechteren Ergebnisse der CDU bei den Wahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt auch auf den anhaltenden Streit innerhalb der Union über die Flüchtlingspolitik zurück. „Diese Differenzen sind für die Wähler der Union schwer auszuhalten.“ Für die Bundesregierung betonte die Kanzlerin, sie werde auch weiterhin eine europäische Lösung anstreben. Unbestritten profitiere Deutschland zwar von der Schließung der Balkanroute, weil weit weniger Flüchtlinge einreisten. Eine nachhaltige Lösung sei dies aber nicht, wenn man sich die Lage an der griechisch-mazedonischen Grenze anschaue. In dem Ort Idomeni sitzen nach wie vor Tausende Menschen unter unwürdigen Bedingungen fest. Am Donnerstag und Freitag kommen die EU-Staats- und Regierungschefs zu einem Gipfel mit der Türkei in Brüssel zusammen, um gemeinsame Schritte zur Grenzsicherung endgültig zu beschließen.

Seehofer kündigte an, die CDU müsse sich jetzt auf stärkere Kritik aus Bayern einstellen. Der „Protest light“ sei nun beendet. Das Bundesland ist von der Krise mit am stärksten betroffen und fordert seit langem eine Obergrenze und eine stärkere Sicherung der nationalen Grenzen, was Merkel ablehnt. Im Gegensatz zu Seehofer sieht die Kanzlerin in der AfD keine große Gefahr für die Union. „Ich sehe es nicht als ein existenzielles Problem der CDU, aber ich sehe es als Problem.“ Seehofer und Merkel wollen am Mittwoch in Berlin über das weitere Vorgehen beraten.

SPD-Chef Gabriel machte Seehofer mitverantwortlich für den Erfolg der AfD. „Wer ständig die gleichen Sprüche klopft wie die AfD, der muss sich nicht wundern, dass man selbst dann als CSU-Politiker der Berufungsfall wird“, sagte der Vizekanzler in einem aufgezeichneten ZDF-Interview. Zugleich versicherte er, die große Koalition nicht platzen zu lassen. Gabriel trat erneut für eine europäische Lösung bei der Bewältigung des Flüchtlingstroms ein. Erforderlich seien eine stärkere Sicherung der EU-Außengrenzen und die Übernahme von Flüchtlingskontingenten aus der Türkei, Jordanien und dem Libanon.

Die AfD fuhren in allen drei Wahlen zweistellige Ergebnisse ein, was zu schwierigen Verhandlungen bei der Regierungsbildung führen wird. In Baden-Württemberg musste die CDU mit 27 Prozent das schlechteste Ergebnis in dem Bundesland aller Zeiten hinnehmen und verlor ihre Position als stärkste Kraft an die Grünen von Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Gleichwohl brachte CDU-Spitzenkandidat Guido Wolf eine Koalition unter seiner Führung ohne die Grünen ins Gespräch. „Wir reden mit allen, wir reden mit den Grünen, wir reden selbstverständlich auch mit der SPD, mit der FDP“, sagte er und fügte hinzu: „Es gibt auch Mehrheiten jenseits der Grünen.“ Kretschmann kritisierte das und erklärte in Berlin, das gute Abschneiden der Grünen und seine persönlichen Beliebtheitswerte ließen keinen Zweifel daran, dass die Mehrheit der Wähler ihn weiterhin im Amt sehen wollten. Für Kretschmann kommt indes einzig eine Koalition mit der CDU infrage. Mit der SPD allein reicht es nicht zur Mehrheit, und die FDP räumte einer Ampel am Montag keine Chancen ein.

Die SPD verlor in Baden-Württemberg und in Sachsen-Anhalt drastisch. In Rheinland-Pfalz gelang es Ministerpräsidentin Malu Dreyer dagegen, erneut stärkste Kraft zu werden. Dieses Ergebnis zeige, „dass die SPD Wahlen gewinnen kann und dass sie starke Volkspartei ist“, sagte Parteichef Gabriel. Es habe sich „gelohnt, eine klare Linie zu halten“ gegen nationale Grenzen und Alleingänge, unterstrich er zugleich die Haltung der Bundesregierung. Zum Erfolg der AfD fügte Gabriel hinzu: „Wir werden alles dafür tun, dass wir das demokratische Zentrum in Deutschland stabil halten. Wir werden den Populisten nicht hinterherlaufen.“

Allerdings kann Dreyer in Mainz ihre rot-grüne Koalition nicht fortsetzen, weil die Grünen zehn Prozentpunkte verloren. Als weiterer Juniorpartner käme die FDP infrage, die den Einzug in den Mainzer Landtag nach fünf Jahren Abstinenz wieder schaffte. „Ich wünsche mir, dass diese Dreier-Konstellation zustande kommt“, sagte Dreyer. Eine große Koalition mit der CDU komme für sie nur als letztes Mittel infrage. FDP-Chef Christian Lindner sagte in Berlin, seine Partei stehe in Rheinland-Pfalz für „alle möglichen Gespräche“ mit demokratischen Parteien zur Verfügung.

In Sachsen-Anhalt, wo die AfD aus dem Stand mit über 24 Prozent zweitstärkste Kraft wurde, kann Ministerpräsident Reiner Haseloff von der CDU im Amt bleiben, muss wegen der starken Verluste der SPD aber eine neue Koalition bilden. Eine Zusammenarbeit mit der AfD hat Haseloff wie die Regierungschefs der anderen Länder ausgeschlossen. Einzige Möglichkeit für ihn bleibt daher eine Zusammenarbeit mit SPD und Grünen. „Wir werden eine Regierung der Mitte bilden“, gab sich Haseloff zuversichtlich.

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