Es war eine Sternstunde des Fernsehens: Der österreichische Unternehmer Frank Stronach trat am Dienstag (3. Juli) in der Spätabend-Informations-Sendung (ZiB 2) des Österreichischen Fernsehens ORF auf – und erteilte der staunenden Moderatorin eine Lehrstunde in mehrfacher Hinsicht. Nachdem der staatliche Sender zunächst einen etwas spöttischen Beitrag über Stronach gesendet hatte, in dem der Austro-Kanadier mehr oder weniger unverblümt als durchgeknallter „Wutbürger“ porträtiert wurde, zeigte Stronach, wie man sich gegen das oft hinterhältige Spiel der Medien wehren kann: Er wartete nicht auf eine Frage der Moderatorin, sondern antwortete direkt auf den eben gesendeten Beitrag, indem er die verzweifelt um Fassung ringende Moderatorin gar nicht erst zu Wort kommen ließ. Diese gab schließlich ihre Bemühungen auf, eine Frage zu stellen, und ließ Stronach gewähren, worauf dieser mit der entwaffnenden Liebenswürdigkeit des reichen Onkels aus dem oststeirischen Kanada eine gnadenlose Abrechnung mit den fundamentalen Systemschwächen der Euro-Staaten auf den Bildschirm zauberte.
In seinem Pladöyer für Österreich machte Stronach dann klar, warum er den Europäischen Stabilitäts Mechanismus (ESM) für einen schweren Fehler hält und weshalb er glaubt, dass die österreichischen Politiker geschlossen für den ESM auftreten: Weil sie nämlich an Österreich „verdienen“ und nicht Österreich „dienen“ wollten. In drei Sätzen analysierte er das Griechenland-Desaster, indem er erklärte, dass die Euro-Rettung Athen nichts, den internationalen Banken dagegen alles gebracht habe. Erfrischender Weise ließ sich Stronach auch von der schematischen Frage, ob er denn nun für den EU-Austritt Österreichs sei, nicht in Enge treiben, sondern machte klar, dass Österreich natürlich drinnen bleiben solle und dass die EU eine gute Sache sei – nur dass eben die gemeinsame Währung nicht funktioniere und Österreich besser beraten wäre, wenn es zum Schilling zurückkehren würde.
Stronachs Auftritt sollte in jedem Journalismus-Seminar gezeigt werden. Der Gründer und Eigentümer des Automobil-Zulieferers Magna ist gänzlich ahnungslos, wie die ungeschriebenen Regeln in den Medien funktionieren. Genau aus diesem Grund war er mit seinem impulsiven Auftritt in der Lage, diese „Regeln“ als Farce zu entlarven. Anders als die vielen leblosen, virtuellen oder schleimenden Politiker war Stronach anzumerken: Der Alte brennt für eine Sache. Ihn interessiert das Thema wirklich. Er ist wirklich ein leidenschaftlicher Österreicher – möglicherweise gerade, weil er so lange fern der Heimat gelebt hat.
Vor allem aber versteht Stronach etwas von wirtschaftlichen Zusammenhängen. Dies gibt ihm eine Autorität und Lockerheit, die die zahlreichen Berufspolitiker, die stets von der Steuergeldern ihrer Bürger gelebt haben, niemals erreichen können. Auf den Einwand der Moderatorin, dass aber die Wirtschafts-Professoren den Euro für die beste Sache der Welt halten, bellte Stronach zurück: Die Wirtschafts-Professoren hätten in ihrem Leben noch keinen Arbeitsplatz geschaffen und daher keine Ahnung von dem, was sie prognostizieren.
Nachdem Stronach seine Botschaft „rübergebracht“ hat, entspannte er sich und beantwortete ganz cool die Fragen der Moderatorin. Ja, es sei denkbar, dass er eine Partei gründen werde; Nein, entschieden sei das noch nicht. Und: Danke, dass Sie mich eingeladen haben, ich komme gerne jederzeit wieder. Sprach’s, stand auf und verletzte energisch die wichtigste Regel für jeden Studiogast: Dass man nämlich niemals durch das Bild marschieren darf, während ein anderer spricht.
Die österreichischen Medien und Politiker zerrissen den Stronach-Auftritt unisono in der Luft. Sinngemäß lautete der Tenor: Der Mann sei unmöglich, weil er sich nicht an unsere Regeln hält. Besser hätte man Stronachs System-Kritik nicht belegen können.