Finanzen

EU will Banken-Union ohne rechtliche Grundlage schaffen

Die EU erhöht den Druck auf Deutschland. Die für die Rettung der Banken in Südeuropa notwenige Banken-Union soll sofort umgesetzt werden. In Ländern, in denen dazu eine Volksabstimmung nötig ist, sollen die Bürger erst gefragt werden, wenn die Entscheidung schon gefallen ist.
08.05.2013 16:29
Lesezeit: 3 min

Beim Treffen anlässlich des 25-jährigen Jubiläums des Deutsch-Französischen Wirtschaftsrats in Berlin bekannten sich Schäuble und französische Finanzminister Moscovici zu einer schnellen Einführung der europäischen Bankenunion.

Doch nicht nur Moscovici, auch der italienische Premier Enrico Letta, der Spanier Mariano Rajoy, auch die gesamte EU-Kommission wie Dijsselbloem, Barroso und Rehn setzen alles daran, die Bankenunion in aller Eile zusammenzuschustern.

Noch Mitte April hatte sich Schäuble deutlich zurückhaltend geäußert. Da eine Bankenunion im Kontext mit einem „Abwicklungsmechanismus“ für Banken steht, sei dies nicht ohne Änderung des EU-Vertrages möglich. Irland und andere Staaten müssen nämlich bei einer EU-Vertragsänderung zu einer Volksabstimmung aufrufen. EU-Binnenkommissar Barnier ist da ganz anderer Meinung:

Nichts spricht dagegen, die rechtliche Basis der Bankenaufsicht über eine Vertragsänderung zu konsolidieren. Zunächst aber müssen wir ein System installieren, das funktioniert - das heute schon funktioniert.

 Eine Vertragsänderung solle erst später vorgenommen werden, so Barnier.

Dass Verträge in der EU laufend gebrochen, verbogen oder willkürlich ausgelegt werden, ist längst eine Binsenweisheit. Aber erst Pflöcke für eine Bankenunion einschlagen und dann im Nachhinein den entsprechenden Passus im EU-Vertrag ändern zu wollen und den abstimmungsberechtigten Völkern in der EU vorzulegen, ist ein absolutes Novum.

Wolfgang Schäuble stellt gern den „Abwicklungsmechanismus“ für Banken in den Vordergrund. Dabei handelt es sich um reine Scheindebatte und Beruhigungspillen für das Wahlvolk. Im Kern geht es keineswegs um einen Abwicklungsmechanismus für Banken, worunter man sich gern vorstellen möchte, dass marode Banken für immer ihre Pforten schließen. Niemand glaubt ernsthaft, dass die EU-Kommission oder die Troika ein zweites Mal eine „systemrelevante“ Bank wie auf Zypern schließt, einschließlich der bekannten Kapitalverkehrskontrollen, die zudem die Wirtschaft massiv schädigen. Darüber hinaus erschüttern derartige „Maßnahmen“ nachhaltig das Vertrauen in den europäischen Bankensektor.

Somit geht es bei der Bankenunion in erster Linie um den gemeinsamen europäischen Einlagensicherungsfonds. Das bedeutet: um die Verfügbarkeit aller in Europa liegenden Spareinlagen und Bankguthaben und damit den Zugriff aller europäischen Banken auf eben diese Liquidität.

Banken und Politik gehen stets Hand in Hand. Auf dem Weltwirtschaftsgipfel im Januar dieses Jahres wurde es sehr konkret. Europas Banken müssten streng und einheitlich kontrolliert werden, gleichzeitig muss die Gemeinschaft für die Spareinlagen aller geradestehen, zitierte die Wirtschaftswoche den US-Ökonom Barry Eichengreen.

Bisher wehrten sich vor allem die deutschen Sparkassen und Volksbanken gegen einen gemeinsamen Einlagensicherungsfonds auf europäischer Ebene. „Wir überdecken durch eine falsch verstandene Solidarität die notwendigen Änderungen“, sagte Georg Fahrenschon, Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes, bereits im Juni letzten Jahres im Deutschlandradio Kultur. Andere Länder dürften sich nicht an deutschen Spareinlagen bedienen dürfen. Auch Theo Zellner, Präsident des Sparkassenverbandes Bayern, äußerte sich ähnlich: „Es ist für mich inakzeptabel, dass über eine europäische Einlagensicherung Gelder unserer Sparer zur Sanierung taumelnder Auslandsbanken eingesetzt werden".

Die Frage ist nun: Wer sitzt am längeren Hebel und wer setzt sich durch?

Wolfgang Schäubles scheinbare 180° Grad-Pirouette hat einen konkreten Hintergrund. Er weiß, sämtliche „Rettungspakete“ und Liquiditätsspritzen der EZB sind längst verpufft und werden auch in der Zukunft wirkungslos bleiben. Die Schulden der Banken sind ins Unermessliche gestiegen. In ihren Bilanzen häufen sich Schrottpapiere jedweder Art, einschließlich nicht mehr verkäuflicher Staatsanleihen des jeweils eigenen Staats oder anderer Staaten des Euroraums.

Auch die EZB ist sitzt auf etwa 205 bis 211 Milliarden aufgekauften Staatsanleihen der Krisenländer (hier). Zudem sind Banken bei der EZB verschuldet. Spaniens Banken beispielsweise haben Rekordschulden bei EZB. Die in Anspruch genommenen Kredite der spanischen Geldhäuser betrugen im Sommer vergangenen Jahres 375,5 Milliarden Euro, wie Daten der spanischen Notenbank belegen. Wie die „Notlagen“ anderer europäischen Kredithäuser aussehen, lässt sich im Einzelnen nicht verifizieren.

In zweiter Linie geht es bei der nun eiligst zusammengezimmerten Bankenunion um den ESM und die direkten Zugriffe auf diese Finanzmittel zur (Re)Kapitalisierung der Banken.

Moscovici machte am Dienstag in Berlin deutlich: Neben der Bankenunion sei es auch wichtig, dass „notleidende“ Banken direkte Kapitalhilfen in Anspruch nehmen sollen. Konkret ist damit der Zugriff der Banken auf den ESM gemeint. Denn erst wenn die Bankenaufsicht und der vorgebliche „Abwicklungsmechanismus“ installiert sind, können Banken Zugriff auf den ESM erhalten. Im Umkehrschluss: Garantien über ESM sind bindend, Gegenleistungen entfallen.

Beim Juni-Gipfel letzten Jahres hatten Mariano Rajoy und der damalige italienische Premier Mario Monti durchgesetzt, dass Banken direkte Kapitalhilfen über den „Rettungsfonds“ ESM erhalten und nicht mehr – wie ursprünglich angedacht – über den Umweg der Staatshaushalte und somit deren Haftungspflicht. Merkel stimmte zu und der Bundestag verabschiedete mit großer Mehrheit den ESM-Vertrag.

Mit der Einführung der Bankenunion haftet der Steuerzahler gleich zweimal. Einmal über den ESM, aus dem sich die Banken künftig bedienen dürften, und einmal direkt über den gemeinsamen Einlagensicherungsfonds mit seinen Sparguthaben und Bankguthaben.

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