Technologie

US-Polizei verteilt kostenlose Spyware an Familien

Lesezeit: 2 min
06.10.2014 22:53
In den USA haben lokale Polizeibehörden eine Sicherheitssoftware verteilt. Tatsächlich war ein Keylogger im Code, der alle Tastenanschläge der Nutzer speicherte.

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Die US-Polizei hat Spyware mit dem Namen ComputerCOP an zahlreiche Eltern und in Schulen verteilt. Die Software mit der die eigenen Kinder gefahrlos im Internet surfen können, diene dem Wohl der Minderjährigen. Zumindest war dies das angegebene Motto. Insgesamt waren rund 245 Polizeibehörden in 35 US-Staaten daran beteiligt.

Die Software wurde nicht vom Staat entwickelt. Offenbar haben die einzelnen Einrichtungen Tausende von Kopien von ComputerCOP gekauft, durchschnittlich für etwa 5 US-Dollar pro Stück – natürlich auf Kosten der Steuerzahler. Die Sicherheits-CDs wurden in der Regel kostenlos an die Bevölkerung weitergegeben, meldet das Technologie-Portal engadget.

Ein Zusammenschnitt von vielen Spots auf YouTube zeigt, wie sehr die Behörden bis hin zu Staatsanwälten für die Software die Werbetrommel gerührt haben.

Mit Sicherheit hat kaum einer dieser Beamten ausreichend Ahnung, um zu überprüfen, ob der ComputerCOP harmlos ist. Dennoch sollte eine derartig flächendeckend verbreitete CD vorher genau von unabhängigen Profis analysiert werden. Das ist aber offenbar nicht geschehen.

Wie sich jetzt herausgestellt hat, schützte die Software nicht nur die Kinder vor gefährlichen Seiten und Inhalten im Internet. Vielmehr wurden bei vielen Versionen des Programms auch zahlreiche Nutzerdaten, bis hin zu den genauen Tastenanschlägen, aufgenommen und an die Softwarehersteller weitergeleitet. Was im Fachjargon als Keylogger bezeichnet wird und ähnlich gefährlich sein kann, wie ein Virus, wurde also von der Polizei verteilt.

Doch das war noch lange nicht das Ende der Fahnenstange. Sie Software war scheinbar auch veraltet, so dass der angepriesene Schutz für Kinder längst nicht existierte.

Einen besonders bitteren Beigeschmack hat die Geschichte, weil die Polizeistationen sogar Spenden von den Machern bekommen haben, die hinter ComputerCOP stecken. So hat zum Beispiel der Bezirk Suffolk 1.500 US-Dollar als Wahlkampfspende für den Sheriff erhalten. Zuvor wurden dort 43.000 Kopien der Software bestellt.

Eine Hand wäscht also die andere im Spiel um die Spionage bei der Bevölkerung. Bisher gibt es zwar noch keine Nachrichten, ob die Firma mit den gestohlenen Informationen etwas Illegales angestellt hat – von der illegalen Aneignung einmal abgesehen. Die gesammelten Daten, die ComputerCOP speicherte, umfassen Benutzernamen, Passwörter und Bankinformationen.

Glücklicherweise ist aber zumindest die Software so programmiert, dass sie auch wieder schnell vom eigenen Computer gelöscht werden kann. Inzwischen gibt es auch schon Anleitungen im Internet, wie Eltern ihren eigenen PC wieder vor dem ComputerCOP schützen können.

Unterm Strich war das gesamte Projekt also eine Verschwendung von Steuergeldern, um private Haushalte auszuspionieren. Und selbst wenn man den Behörden glauben mag, dass sie nichts von der Spyware wussten, sind die Spendengelder für einzelne Polizeistationen mehr als fragwürdig.

In einem ausführlichen Report von eff.com wird detailliert erklärt, wie der Keylogger arbeitet und welche Suchfunktionen darin ausgeführt werden können. Insbesondere die Suche nach Benutzernamen und Passwörter ist kinderleicht. Für Hacker also ein gefundenes Fressen.

Trotz der expliziten Auflistung der Spionagefunktionen gibt es unter anderem in Alabama immer noch Sheriffs, die weiterhin für das Programm werben. Ihrer Meinung nach liege es nur an der korrekten Verwendung durch die Eltern, damit ComputerCOP auch richtig funktioniert, berichtet arstechnica.

Sheriff Mike Blakely aus Limestone politisiert die Kritik von EFF und bezeichnet sie als „ultra-liberale Organisation, die in keinster Weise glaubwürdig ist.“ Seine eigenen IT-Leute hätten die Software untersucht und keine Spyware entdecken können. Somit sei EFF „mehr daran interessiert Pädophile zu schützen, als unsere Kinder“.

Offenbar ist die aktuelle Taktik lieber stur zu bleiben und die gemachten Fehler zu ignorieren, als zugeben, dass Hunderttausende von Steuerdollar in eine Spionagesoftware investiert wurden, die ihre beworbene Funktion völlig verfehlte.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Halbzeit Urlaub bei ROBINSON

Wie wäre es mit einem grandiosen Urlaub im Juni? Zur Halbzeit des Jahres einfach mal durchatmen und an einem Ort sein, wo dich ein...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Investitionsschreck Deutschland: Internationale Investoren meiden deutsche Projekte
07.05.2024

Ausländische Unternehmen haben im vergangenen Jahr immer weniger in Deutschland investiert. Die Anzahl der Projekte ausländischer...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Freie Lehrstellen erreichen kritisches Niveau: Was Unternehmen jetzt tun müssen
07.05.2024

Der Lehrstellenmangel verschärft sich: Demografischer Wandel und veränderte Berufspräferenzen der Generation Z führen zu einem...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Nachlassende Nachfrage: Deutsche Industrie verzeichnet erneut weniger Aufträge
07.05.2024

Trotz einer vielversprechenden Entwicklung im März kämpfen Deutschlands Exporteure nach wie vor mit erheblichen Schwierigkeiten.

DWN
Finanzen
Finanzen Der DWN-Marktreport: US-Arbeitsmarktdaten lassen erneut Zinssenkungsfantasie aufkommen
07.05.2024

Die internationalen Finanz- und Rohstoffmärkte verbleiben im Spannungsfeld wechselnder Indikatoren hinsichtlich des zukünftigen Zinspfads...

DWN
Politik
Politik Israels Armee nähert sich dem Grenzübergang von Rafah
07.05.2024

Israels Regierung bleibt bei der geplanten umfangreichen Offensive gegen Rafah bestehen, während die Hamas einer Waffenruhe zustimmt -...

DWN
Immobilien
Immobilien Gesundheitsimmobilien: Investmentmarkt stolpert – wie sieht die Pipeline weiter aus?
07.05.2024

Nach robustem Transaktionsvolumen in den vergangenen Jahren herrschte auf dem Investmentmarkt für Pflegeheime, Seniorenimmobilien und...

DWN
Politik
Politik Erbschaftssteuer: Droht durch Klage Bayerns ein Wettbewerb der Länder beim Steuersatz?
07.05.2024

In Karlsruhe wird es diesen Sommer mal wieder um den Dauerbrenner Erbschaftssteuer gehen. Schon zweimal hat das Verfassungsgericht von der...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Menge sichergestellten Kokains im Hamburger Hafen verdreifacht
06.05.2024

Im Hamburger Hafen werden alle nur erdenklichen Waren umgeschlagen - auch Drogen. Immer mehr Kokain findet durch das Tor zur Welt seinen...