Finanzen

EZB-Politik richtet Schaden an, muss aber nicht zum Crash führen

Die EZB erzeugt mit der Verschärfung der Strafzinsen eine Verschuldungskaskade. Diese führt zu einer Scheinblüte, gefährdet aber langfristig das ganze Geldsystem. Die Chefvolkswirtin der Helaba setzt darauf, dass am Ende der geldpolitische Sachverstand der US-Notenbank und der Bank of England sowie der steigende Ölpreis wieder für Normalität sorgen werden.
11.03.2016 15:00
Lesezeit: 2 min

Die Entscheidungen der EZB zur Senkung der Leitzinsen auf Null und zur Verschärfung der Strafzinsen für Banken sind auf breite Ablehnung gestoßen: Die meisten Analysten und Chefvolkswirte halten die Maßnahmen für falsch. Auch die Banken-Verbände sind dagegen, obwohl gerade die Banken-Werte am Tag nach der Entscheidung besonders profitiert haben.

Für den langfristigen Ausblick lohnt es sich, auf die Chefvolkswirtin der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba), Gertrud R. Traud, zu hören: Sie ist schon lange eine Gegnerin der radikalen Geldpolitik und kritisiert die EZB: „Die EZB erzeugt mit dieser Politik erst die Deflation, die sie eigentlich bekämpfen will“, sagte Traud den Deutschen Wirtschafts Nachrichten: „Die einzigen, die von der EZB-Politik wirklich profitieren, sind die Finanzminister in der Eurozone. Sie können weiter Schulden machen und können die Sanierung der Haushalte verschieben. Die EZB schafft den Attentismus, in dem die Staaten die Strukturreformen auf die lange Bank schieben können.“

Traud sieht in der EZB eine ungesunden „Group Think Effekt“: Alle Entscheider denken dasselbe, und beziehen sich in ihrer Geldpolitik auf den US-Keynesianer Paul Krugman – den die Helaba-Analysten in ihren Analysen einmal bereits einen „Populisten“ genannt haben: „So löst die EZB das Problem nicht, sondern sie wird zum Teil des Problems.“

Denn tatsächlich bedeuten die Null- und Strafzinsen eine enorme Belastung für das ganze Finanzsystem – von den Banken bis zu den Lebensversicherern. Denn das einzige, was die Banken leisten müssten, wäre, „die Kreditnachfrage von rentierlichen Unternehmen zu befriedigen“. Traud lobt in diesem Zusammenhang auch die Entwicklung in China: „Die Chinesen werden jetzt dafür gescholten, dass Unternehmen pleitegehen. Doch es ist richtig, dass Unternehmen, die nicht wettbewerbsfähig produzieren, verschwinden. Genau das erleben wir in China: Unternehmen, die nicht rentabel arbeiten, verschwinden.“

In Europa dagegen werden mit den niedrigen Zinsen keine Investitionen angeschoben, sondern alte Unternehmen am Leben erhalten. Zugleich werde das Banken-System belastet: „Wir haben bei den Banken in drei Bereichen höhere Kosten: bei der Digitalisierung, wegen der Regulierung und wegen der niedrigen Zinsen.“ Damit aber geraten die Banken unter Druck und können der Realwirtschaft nicht helfen.

Zugleich fliehen die Anleger wegen der niedrigen Zinsen in Sachwerte, in der Hoffnung auf Werterhaltung. Traud: „Was wir erleben, ist eine Scheinblüte. Die Negativzinsen treiben die Anleger in Sachwerte, wodurch Blasen entstehen – etwa im Immobilienbereich, vielleicht auch bald beim Gold. Am Ende ist dann das ganze Geld rausgehauen, und wenn die Blase platzt, rutschen wir in eine Depression.“ Auch die Abschaffung des Bargelds gehört nach Trauds Einschätzung in diese Kategorie - doch glaubt sie nicht, dass diese Entwicklung zwingend kommen muss.

Denn obwohl Traud dieses Szenario „nicht für Science Fiction“ hält, erwartet sie sich eine andere Entwicklung: „Wir erwarten, dass die US-Notenbank und die Bank of England nicht in den Bereich der Negativ-Zinsen gehen werden, sondern ihre Kurs einer maßvollen Anhebung fortsetzen. Wenn der Brexit vermieden wird, dann ist das ein realistisches Szenarion.“

Der zweite Aspekt, den die Chefvolkswirtin der Helaba ins Treffen führt, ist der Ölpreis: Eben erst hat die internationale Energieagentur bekanntgegeben, dass der Ölpreis offenbar seinen Boden erreicht habe. Traud sagt, dass die Helaba-Prognose einen Ölpreis von 48 Dollar pro Barrel zum Jahresende vorsieht. Mit dem steigenden Ölpreis werde auch die EZB ihren Kurs korrigieren können. Die geldpolitisch richtigen Entscheidungen der Fed und der BoE könnten in Kombination mit dem Ende der Rohstoff-Baisse, wieder zu einer Normalisierung der Lage führen.

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