Finanzen

Deutschland pocht auf Beteiligung der Gläubiger bei Banken-Rettung

Hinsichtlich der Abwicklung maroder Banken herrscht in der EU Uneinigkeit. Jedes Land scheint trotz verbindlicher Regeln seinen eigenen Weg zu gehen. Nun hat sich das Bundesfinanzministerium öffentlich gegen neue Vorschläge der EU-Kommission positioniert.
07.04.2016 02:07
Lesezeit: 2 min

Deutschland befindet sich beim Thema Bankenabwicklung auf Kollisionskurs mit der EU-Kommission, wie Bloomberg analysiert. Die EU hatte entsprechende Regeln vor zwei Jahren eingeführt, um die Stabilisierung gefährdeter Banken mit Steuergeldern zu beenden und diese stattdessen durch die Heranziehung von Investoren und Gläubigern zu sanieren (Bail-In).

Das Finanzministerium reagiert nun auf Vorschläge aus der EU-Kommission, die bestehenden Regeln abzuschwächen. Ein Hintergrund der Meinungsverschiedenheiten stellt die Frage dar, wie mit großen Banken umzugehen ist, die in finanzielle Schieflage geraten sind und aufgrund ihrer Verflechtung mit anderen Finanzinstituten eine existentielle Bedrohung für die Allgemeinheit darstellen.

„Um ein glaubwürdiges und effektives Abwicklungsregime zu erreichen ist es wichtig, die im Rahmen der G20 getroffenen Entscheidungen zur Gänze in EU-Recht zu transformieren, ohne die Bankabwicklungsregeln zu verwässern“, heißt es in einer Mitteilung des Ministeriums an Bloomberg. Während Deutschland auf der strikten Umsetzung der getroffenen Abmachungen besteht, zeigt sich der Kommissar für Finanzmarktregulierung und Bankenunion, der Engländer Jonathan Hill, flexibler. Er werde die Auswirkungen der Regelungen auf Europas Wirtschaft berücksichtigen, die durch mäßiges Wachstum und eine geringe Kreditvergabe gekennzeichnet sei. Hill ist bekannt dafür, dass er eine strengen Kontrolle der Banken kritisch gegenübersteht.

Die zum Jahreswechsel in Kraft getretene Regel des Bail-in – also die Beteiligung von Anlegern und Gläubigern an Verlusten der Banken – ist ein wichtiger Mosaikstein in der Strategie der EU, die Steuerzahler vor weiteren Aufwendungen zu verschonen. In der 2014 eingeführten Direktive zur Bankensicherung und -abwicklung schreibt die EU vor, dass 8 Prozent des Aktienwerts und der Schulden einer maroden Bank abgeschrieben werden müssen, bevor das Institut Zugang zum Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) erhält.

Diese Kapitalvorschrift wird erst im Falle einer Pleite angewendet. Nichtsdestotrotz verlangt das Bundesfinanzministerium, dass Banken schon im Voraus Nachweise über entsprechend hohe Reserven vorlegen sollten. In einem Diskussionspapier schlägt die EU-Kommission stattdessen vor, die vergangenen November getroffenen Richtlinien der G20-Staaten für die 30 als systemrelevant eingestuften Banken zu verwenden. Diese vom Financial Stability Board getroffenen Richtlinien sehen vor, dass Banken Sicherheiten in der Höhe von 18 Prozent der risikogewichteten Anlagen beziehungsweise 6,75 Prozent aller Anlagen vorhalten sollen. Die Sicherheiten in Höhe von 8 Prozent sollten nach Meinung der Kommission nur unter bestimmten Bedingungen angefordert werden, heißt es in einem EU-internen Diskussionspapier.

Das Bundesfinanzministerium hat andere Vorstellungen: „Die Abwicklungsbehörden sollten weiterhin volles Ermessen darüber haben, die für eine reibungslose Abwicklung notwendigen Kapazitäten anzufordern. Es sollte zumindest für die größten Banken eine Mindestkapitalvorschrift und abrufbare Guthaben von mindestens 8 Prozent festgeschrieben werden.“ Das Ministerium fordert weiterhin eine europaweit gültige Hierarchie, damit Verluste anteilig auf die jeweiligen Anleihegläubiger verteilt werden können.

*** Bestellen Sie den täglichen Newsletter der Deutschen Wirtschafts Nachrichten: Die wichtigsten aktuellen News und die exklusiven Stories bereits am frühen Morgen. Verschaffen Sie sich einen Informations-Vorsprung. Anmeldung zum Gratis-Newsletter hier. ***

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik Nato-Gipfel: Den Haag wird zur Festung - Sorge vor digitaler Sabotage
24.06.2025

Die Niederlande erwarten die Staats- und Regierungschefs der Nato-Staaten – auch US-Präsident Donald Trump. Wegen der hochkarätigen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Sondervermögen Infrastruktur: Wo gehen die 500 Milliarden Euro hin?
24.06.2025

Deutschland hat Infrastrukturprobleme. Das geplante Sondervermögen Infrastruktur in Höhe von 500 Mrd. Euro soll in den nächsten zehn...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Misserfolg bei Putins Wirtschaftsforum in St. Petersburg: Die marode Kriegswirtschaft interessiert kaum jemanden
23.06.2025

Das Wirtschaftsforum in St. Petersburg sollte Russlands wirtschaftliche Stärke demonstrieren. Stattdessen offenbarte es die dramatische...

DWN
Politik
Politik Zwangslizenzen: EU hebelt den Patentschutz im Namen der Sicherheit aus
23.06.2025

Die EU will künftig zentral über die Vergabe von Zwangslizenzen entscheiden – ein tiefer Eingriff in das Patentrecht, der die...

DWN
Technologie
Technologie Umfrage: Zwei Drittel für europäischen Atom-Schutzschirm
23.06.2025

Eine Forsa-Umfrage zeigt, dass eine deutliche Mehrheit der Deutschen den Aufbau eines europäischen nuklearen Schutzschildes befürworten....

DWN
Finanzen
Finanzen US-Börsen: Internationale Anleger kehren der Wall Street den Rücken
23.06.2025

Ölpreise steigen, geopolitische Risiken nehmen zu – und Europas Aktienmärkte wirken plötzlich attraktiv. Während die US-Börsen ins...

DWN
Politik
Politik Personalmangel im öffentlichen Dienst - DGB fordert mehr Personal
23.06.2025

Milliardeninvestitionen sollen in Deutschland die Konjunktur ankurbeln. Doch Personalmangel in Behörden könnte den ehrgeizigen Plänen...

DWN
Politik
Politik Iran-Israel-Krieg: Internet überflutet mit Desinformation
23.06.2025

Falsche Videos, manipulierte Bilder, inszenierte Explosionen: Der Konflikt zwischen Iran und Israel spielt sich längst auch im Netz ab –...