Politik

Merkel zweifelt an dauerhafter Zusammenarbeit mit den USA

Angela Merkel hat sich ungewöhnlich pessimistisch über die bisher so hoch gehaltene transatlantische Partnerschaft geäußert. Auch für die EU befürchtet Merkel erhebliche zentrifugale Tendenzen.
13.01.2017 01:38
Lesezeit: 2 min

Vor dem Hintergrund des Regierungswechsels in den USA hat Bundeskanzlerin Angela Merkel die EU-Partner laut AFP aufgefordert, Europas Handlungsfähigkeit zu stärken. Auch in den transatlantischen Beziehungen gebe es "keine Ewigkeitsgarantie für die enge Zusammenarbeit mit uns Europäern", sagte Merkel am Donnerstag in Brüssel. "Deshalb bin ich überzeugt, dass Europa und Europäische Union lernen werden müssen, in Zukunft mehr Verantwortung in der Welt zu übernehmen."

Der künftige US-Präsident Donald Trump hatte im Wahlkampf von den europäischen Alliierten in der Nato ein stärkeres finanzielles Engagement gefordert. Sein Verhältnis zur deutschen Bundeskanzlerin ist faktisch nicht existent. Trump hatte Merkel im Wahlkampf massiv wegen der Öffnung der Grenzen und der unkontrollierten Einwanderung kritisiert. In seinen bisherigen Reden hat Trump Deutschland noch nie erwähnt, auch die EU wurde von ihm noch nie angesprochen. Zu Großbritannien und Japan pflegt Trump dagegen seit seinem Wahlsieg vergleichsweise intensive Kontakte.

Für Deutschland wird vor allem die neue Industriepolitik Trumps eine Herausforderung. Der deutschen Automobilindustrie könnten harte Zeiten bevorstehen. Trump will Autos, die in Mexiko billig produziert und danach in die USA eingeführt werden, mit massiven Strafzöllen belegen. Während Amerikaner, Japaner und Italiener bereits ein Einlenken signalisiert haben, will VW weiter in Mexiko produzieren.

Doch Merkel sieht offenbar noch ein tieferes Problem: Es ist unklar, ob der EU-Austritt von Großbritannien nicht dazu führen könnte, dass sich die EU-Staaten versuchen werden, ihre Interessen ohne Brüssel durchzusetzen. Merkel forderte daher, dass sich die EU in den Brexit-Verhandlungen mit London nicht auseinanderdividieren lasse. "Die 27 müssen gemeinsam auftreten in den Verhandlungen", sagte sie. Die britische Regierung will bis Ende März den Austrittsantrag bei der EU einreichen. Um das Land trotz des EU-Austritts für Unternehmen attraktiv zu halten, hat die Regierung Steuersenkungen in Aussicht gestellt.

Auch die Amerikaner wollen die Unternehmenssteuern drastisch senken, was vor allem den großen multinationalen Konzernen nützen würde, die hohe Gewinne machen. EDs ist daher durchaus denkbar, dass es zu einem Wettlauf beim Steuerdumping kommt. Merkel ist sich des Problems bewusst - und will verhindern, dass auch Deutschland in diesen Sog gerät. Daher müssen sich die anderen 27 EU-Staaten auf ein einheitliches Vorgehen bei Unternehmenssteuern verständigen. "Wir wissen alle, wir brauchen mehr Harmonisierung", sagte Merkel am Donnerstag bei einem Besuch in Luxemburg. Wenn die britische Regierung über niedrigere Unternehmenssteuern im Zusammenhang mit dem EU-Austritt nachdenke, sei wichtig, dass "wir als Europäer versuchen, wenigstens grundlegend mehr Gemeinsamkeiten zu haben", mahnte Merkel. Dies werde nicht einfach, weil etwa auch Deutschland mit der Unterscheidung von Körperschaften und Personengesellschaften ein sehr kompliziertes Steuersystem habe.

Das Problem: Schon in weitaus einfacheren Fragen wie etwa der gerechten Verteilung der Flüchtlinge in der EU sind die gemeinsamen Pläne kläglich gescheitert. Auch bei der Banken-Rettung denken die Italiener aktuell nicht daran, sich an die gemeinsam vereinbarten Regeln zu halten. Es ist äußerst zweifelhaft, dass es gerade beim Thema Steuern zu einer Einigung kommen sollte.

Angesichts einer Vielzahl von Konflikten und Armut rund um Europa wäre es "naiv" zu glauben, dass Entwicklungen in der Nachbarschaft der EU "keine direkten Folgen auf unser Leben in Europa haben könnten", warnte Merkel in ihrer Dankesrede bei der Verleihung der gemeinsamen Ehrendoktorwürde durch die Universitäten Gent und Löwen. "Und es wäre genauso naiv, sich immer nur auf andere zu verlassen, die schon die Probleme in unserer Nachbarschaft lösen werden."

"Europa steht vor den größten Herausforderungen der letzten Jahrzehnte" und müsse Antworten darauf finden, sagte die Kanzlerin. Sie warb dabei dafür, den Beschluss der Briten zum Austritt aus der EU dabei auch als Chance zu sehen. "Wir sollten diese Entscheidung zum Anlass nehmen, gemeinsam daran zu arbeiten, Europa jetzt erst recht zusammenzuhalten, weiter zu verbessern und Bürgerinnen und Bürger auch wieder näher zu bringen."

Die Kanzlerin forderte, bis zum EU-Jubiläumsgipfel Ende März zu 60 Jahren Römische Verträge "gemeinsame Vorstellung darüber zu erarbeiten, in welche Richtung sich die Europäische Union in den kommenden Jahren entwickeln soll". Es müssten "konkrete Entscheidungen" getroffen werden in Fragen, "die für die Bürgerinnen und Bürger zentral sind". Merkel nannte dabei unter anderem die Bereiche Migration, Sicherheit und Verteidigung sowie Wettbewerb und Kampf gegen Jugendarbeitslosigkeit.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Der deutsche Markt konzentriert sich auf neue Optionen für XRP- und DOGE-Inhaber: Erzielen Sie stabile Renditen aus Krypto-Assets durch Quid Miner!

Für deutsche Anleger mit Ripple (XRP) oder Dogecoin (DOGE) hat die jüngste Volatilität am Kryptowährungsmarkt die Herausforderungen der...

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik Rückkehr der Wehrplicht trotz Wirtschaftsflaute? Nato-Ziele nur mit Pflicht zum Wehrdienst möglich
05.07.2025

Die Nato drängt: „Um der Bedrohung durch Russland zu begegnen“, hat die Nato ein großes Aufrüstungsprogramm beschlossen. Doch wie...

DWN
Unternehmen
Unternehmen KI-Schäden: Wenn der Algorithmus Schaden anrichtet – wer zahlt dann?
05.07.2025

Künstliche Intelligenz entscheidet längst über Kreditvergaben, Bewerbungen oder Investitionen. Doch was passiert, wenn dabei Schäden...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Made in Germany: Duale Berufsausbildung - das deutsche Erfolgsmodell der Zukunft
05.07.2025

Die duale Berufsausbildung in Deutschland gilt als Erfolgsmodell: Dieses System ermöglicht jungen Menschen einen direkten Einstieg ins...

DWN
Panorama
Panorama Was Autofahrer über Lastwagen wissen sollten – und selten wissen
05.07.2025

Viele Autofahrer kennen das Gefühl: Lkw auf der Autobahn nerven, blockieren oder bremsen aus. Doch wie sieht die Verkehrswelt eigentlich...

DWN
Finanzen
Finanzen Steuererklärung 2024: Mit diesen 8 Steuertipps können Sie richtig viel Geld rausholen
05.07.2025

Viele Menschen drücken sich vor der Steuererklärung, weil diese manchmal etwas kompliziert ist. Doch es kann sich lohnen, die...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Wirtschaftskriminalität: Insider-Betrug kostet Millionen - Geschäftsführer haften privat
05.07.2025

Jede zweite Tat geschieht im eigenen Büro - jeder fünfte Schaden sprengt die fünf Millionen Euro Marke. Wer die Kontrollen schleifen...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Microsoft kippt den Bluescreen, doch das wahre Problem bleibt
05.07.2025

Microsoft schafft den berühmten „Blauen Bildschirm“ ab – doch Experten warnen: Kosmetische Änderungen lösen keine...

DWN
Panorama
Panorama So bleiben Medikamente bei Sommerhitze wirksam
05.07.2025

Im Sommer leiden nicht nur wir unter der Hitze – auch Medikamente reagieren empfindlich auf hohe Temperaturen. Doch wie schützt man...