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Alitalia vor dem Ende, Air Berlin zittert

Lesezeit: 3 min
26.04.2017 01:33
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Die Krisen-Airline Alitalia steht vor dem Aus. Die italienische Fluggesellschaft kündigte am Dienstag an, das Insolvenzverfahren einzuleiten. Zuvor hatten die Mitarbeiter mit großer Mehrheit einen mit den Gewerkschaften ausgehandelten Rettungsplan des Managements abgelehnt. Der Konzern kündigte für Donnerstag eine Hauptversammlung an, auf der die nächsten Schritte entschieden werden sollten. Industrieminister Carlo Calenda erklärte, die Fluggesellschaft werde nicht verstaatlicht. Zudem würden keine weiteren öffentlichen Gelder zur Rettung bereitgestellt. Der Flugbetrieb soll der Alitalia zufolge zunächst uneingeschränkt weitergehen.

Der Sanierungsplan sah den Abbau von 1700 Jobs beim Bodenpersonal und die Kürzung der Gehälter beim Flugpersonal von acht Prozent vor. Damit sollte der Weg geebnet werden, den Betrieb der Airline mit frischen Finanzspritzen der Anteilseigner aufrecht zu erhalten, die zu 49 Prozent der arabischen Fluggesellschaft Etihad aus Abu Dhabi gehört. Auch die heimischen Banken Unicredit und Intesa Sanpaolo zählen dazu. Ministerpräsident Paolo Gentiloni hatte kürzlich gewarnt, dass Alitalia ohne die Kürzungen nicht überleben könne.

Calenda sagte im staatlichen Fernsehen, es sei der Bevölkerung nicht verständlich zu machen, weitere Milliarden an Steuergeldern in ein verlustreiches Unternehmen zu stecken. In der Vergangenheit seien bereits fast acht Milliarden Euro geflossen, um das Unternehmen zu erhalten.

Auf den ersten Blick gleicht sich die Lage bei den Fluggesellschaften Alitalia und Air Berlin: Beide fliegen seit Jahren mit ihren ungünstigen Kostenstrukturen Verluste ein, haben hohe Schulden angehäuft und werden nur noch durch Finanzspritzen ihres Großaktionärs Etihad aus Abu Dhabi am Leben erhalten.

Doch in Rom ist die Lage weit dramatischer, seitdem die Belegschaft einen von der Regierung unterstützten Sanierungsplan abgelehnt hat. Noch in dieser Woche könnte die einst stolze Staatsairline Italiens am Boden bleiben, wenn nicht noch ein Wunder geschieht. Als Blaupause für die deutsche Schwippschwester Air Berlin taugt das italienische Beispiel nach Einschätzung von Experten aber nur sehr bedingt.

Zwar wird der neue Air-Berlin-Chef Thomas Winkelmann an diesem Donnerstag aller Voraussicht nach wieder rote Zahlen vorlegen, nachdem die rot-weißen Maschinen schon im Vorjahr einen Verlust von 447 Millionen Euro einflogen. Zudem knirscht es operativ an mehreren Stellen, seit Air Berlin umstrukturiert, um sich stärker auf seine Drehkreuze Berlin und Düsseldorf zu konzentrieren. Arbeitnehmer klagen über Chaos bei Dienstplänen, Passagiere in Berlin über Chaos bei der Abfertigung.

Dennoch: Air Berlin kann zumindest auf eine deutlich kooperativere Belegschaft als Alitalia und auf konkrete Perspektiven verweisen: Ein guter Teil der Flotte ist bereits an die Lufthansa verleast, ein weiterer soll an einen Ferienflieger mit Tuifly gehen. Der übrige Rumpf von noch 75 Flugzeugen scheint allein aber kaum überlebensfähig. «Air Berlin braucht einen starken Partner», sagt Gerald Wissel von der Beratungsgesellschaft Airborne.

In Frage kämen nach Wissels Einschätzung britische Gesellschaften auf der Suche nach Standbeinen im Nach-Brexit-Europa ebenso wie aus Asien, die möglicherweise auf einen Einstieg in den komplizierten Markt hoffen. Erste Wahl der Etihad wäre aber sicherlich die Lufthansa, weil dann das Milliarden-Desaster bei der Air Berlin immerhin noch in einer Kooperation mit dem größten Luftverkehrskonzern Europas münden könnte. Lufthansa-Chef Carsten Spohr hat aber klargemacht, dass er weder an dem Schuldenberg von rund einer Milliarde Euro noch an dem teuren Air-Berlin-Apparat Interesse hat.

«Die Perspektive der Air Berlin ist eindeutig besser als die der Alitalia», sagt der Luftverkehrsexperte Gerd Pontius. Diese gelte vor allem bei einer weiteren Annäherung zwischen Etihad und Lufthansa, bei der die Air Berlin zwangsläufig eine bedeutende Rolle spielen würde. Die Gesellschaft nutze schließlich beiden Partnern: Der Etihad bringt sie zusätzliche Passagiere ans Drehkreuz Abu Dhabi und der Lufthansa hält sie unliebsame Konkurrenz vom deutschen Markt fern. Beide Funktionen wären im Fall einer Air-Berlin-Pleite hinfällig, warnt Pontius. Es gebe für die Beteiligten gute Argumente, am Status Quo festzuhalten.

Im Wahljahr sind auch weder der Bund noch die Bundesländer mit AB-Drehkreuzen - Nordrhein-Westfalen und Berlin - an einer Pleite interessiert. Wenn am Monatsende Kanzlerin Angela Merkel zu Gesprächen nach Abu Dhabi reist, gehört daher Lufthansa-Chef Spohr fast schon selbstverständlich zur Wirtschaftsdelegation.

Die Auswirkungen einer möglichen Alitalia-Pleite blieben zumindest kurzfristig äußerst begrenzt, sagt Wissel. Die großen europäischen Airlines würden die Übersee-Passagiere flugs über ihre eigenen Drehkreuze etwa in Frankfurt, Paris oder London leiten und dafür größere Zubringer-Jets nach Rom und Mailand schicken. In Richtung Osten sind die Araber und die Turkish mit im Geschäft.

Innereuropäisch könnten vor allem die Billigflieger wie Easyjet und Ryanair profitieren, die der Alitalia in der Vergangenheit viele Marktanteile abgejagt haben und zudem immer auf der Suche nach neuen Destinationen sind. Auch die Lufthansa-Gesellschaften Air Dolomiti und Eurowings dürften ihre Aktivitäten in dem durchaus attraktiven italienischen Markt ausweiten.

«Das Ende der Alitalia wäre ein ganz wichtiger Schritt zur Bereinigung des europäischen Luftverkehrsmarktes», sagt der Airline-Berater Heinrich Großbongardt. Immer noch werden viele Gesellschaften als sogenannten Flag-Carrier von ihren Herkunftsländern künstlich am Leben erhalten, ohne dass sie sich wirklich am Markt bewähren. So könnte es allerdings auch wieder im italienischen Fall kommen, wenn erneut der Staat direkt oder über von ihm beeinflusste Unternehmen einspringt. Immerhin hat die Alitalia mehr als 12 000 Beschäftigte.


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