Die Verhandlungen der EU mit den vier südamerikanischen Staaten Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay über Freihandelsabkommen („Mercosur-Verhandlungen“) stehen kurz vor dem Abschluss. Noch im März sollen sie nach Information der französischen Presseagentur AFP beendet werden. Die großen Verlierer eines Abkommens könnten die Bauern in Entwicklungsländern sein, weil hohe EU-Subventionszahlungen und verzerrte Wettbewerbsbedingungen ihre Märkte und ihre Existenz zerstören könnten.
Die Weichen sind gestellt: Die Verhandlungen zwischen der EU und dem südamerikanischen Mercosur-Staatenbund über ein Freihandelsabkommen stehen kurz vor dem Abschluss. So lautet zumindest das Ergebnis eines Treffens der EU-Außenhandelsminister im bulgarischen Sofia, das vergangene Woche gegangen ist. Für die Beteiligten könnte das Freihandelsabkommen ein Gegengewicht zum protektionistischen Wirtschaftskurs der Trump-Regierung bilden. Malmstöm-Zitat
Für die Mercosur-Staaten Argentinien, Brasilien, Uruguay und Paraguay ist die EU wichtigster Handelspartner. 21 Prozent des Gesamtexports gehen dorthin. Umgekehrt macht der Warenaustausch der EU mit Mercosur 2 Prozent des gesamten Ausfuhrvolumens der Europäer aus. Die Gespräche über ein Freihandelsabkommen laufen seit 20 Jahren. Angestrebt wird eine Zollfreiheit für 90 Prozent aller Waren aus den Mercosur-Staaten.
Keinen Grund zu feiern haben die EU-Landwirte. Im Vorfeld der letzten Verhandlungsrunde im Februar forderten sie Malmström auf, keine weiteren Handelsfreigaben mit Mercosur auszuhandeln, um die europäische Landwirtschaft zu schützen. Bereits heute werde der europäische Fleischmarkt von südamerikanischen Importeuren bestimmt. Zudem bescherten strikte Umweltvorgaben und das sich in Folge des Brexits abzeichnende Überangebot an produzierten Fleischwaren EU-Landwirten höhere Produktionskosten und sinkende Absatzpreise. Auch seien die angestrebten Handelsbeziehungen keine komplementären und brächten der EU daher mehr Kosten als Vorteile.
Aktuell beliefert Mercosur den europäischen Fleischmarkt jährlich mit 250.000 Tonnen Rindfleisch, was 75 Prozent des gesamten Importmarktes für Rindfleisch ausmacht. Geht es nach den Befürwortern des geplanten Freihandelsabkommens, soll sich dieser Anteil um 70.000 Tonnen erhöhen.
Bei Mercosur handelt es sich um die siebtgrößte Wirtschaft und den fünftgrößten Markt außerhalb der EU, der mit rund 260 Millionen Konsumenten und einem jährlichen Bruttoinlandsprodukt von 2,2 Billionen Euro 60.500 Unternehmen aus Europa anlockt.
Während Mercosur vorwiegend Agrarrohstoffe in die EU exportiert, fließen in die Gegenrichtung Produktionsgüter wie Autos, Chemikalien, Maschinen und Medikamente.
Die Angst vor Wettbewerbsvorteilen auf dem EU-Binnenmarkt erscheint in diesem Kontext als nur vorgeschoben. Vielmehr ist es die Sorge vor einem starken Konkurrenten im Kampf um Marktanteile in Entwicklungsländern, die die EU-Landwirte umtreibt.
Momentan beliefern 22 Millionen Bauern aus 28 europäischen Mitgliedsstaaten Nahrungsmittelproduzenten in Europa, die wiederum 44 Millionen Menschen beschäftigen und ein durchschnittliches jährliches Umsatzplus von 20 Milliarden Euro erwirtschaften.
Möglich ist dies durch hohe EU-Subventionen von jährlich 55 Milliarden Euro. Sieben Milliarden fließen nach Deutschland. Empfänger sind neben Landwirten, Exporteure von Agrarprodukten und vor- und nachgelagerte Industrien wie Agrarchemie-, Futter- und Lebensmittelhersteller. Die Höhe der Zuschüsse richtet sich maßgeblich nach der bewirtschafteten Fläche und sorgt für ungleiche Verteilung unter den Subventionsempfängern.
Nach einer aktuellen Studie des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung erhalten 80 Prozent der Höfe mit dem geringsten Einkommen 25 Prozent der gesamten Agrardirektsubventionen. Demgegenüber fließen 55 Prozent der Direktzahlungen an die zehn Prozent der Höfe (750.000), mit den EU-weit höchsten Einkommen.
Im Ergebnis profitieren von den Subventionszahlungen vor allem Großkonzerne wie die Deutsche Milchkontor GmbH, sie erhielt 2016 knapp 22 Millionen Euro, oder Unternehmer, die Landwirtschaft im Nebenerwerb betreiben. Wie Günther Fielmann, der für seine mehrere Tausend Hektar großen Äcker in Schleswig-Holstein und Mecklenburg laut einem Bericht im Jahr 2016 rund 638.000 Euro EU-Zuschüsse erhalten hat.
Wirtschaftlich benachteiligt durch die EU-Subventionszahlungen sind dagegen Bauern und Agrarbetriebe in Entwicklungsländern wie Afrika oder auch Brasilien. Zwar werden direkte Export-Agrarsubventionen seit einer Selbstverpflichtung der Mitgliedsstaaten im Jahr 2005 in der EU zum Schutz der lokalen Märkte in diesen Drittstaaten nicht mehr gezahlt. Dennoch steigt der Anteil der EU-Agraraußenexporte laut dem EU-Statistikamt Eurostat seit 2004 kontinuierlich an.
Der Grund: Die EU-Exporteure unterbieten mit günstigeren Preisen lokale Anbieter. Beispielhaft betrugen die EU-Exporte nach Westafrika für Geflügelfleisch im Jahr 2015 rund 274.000 Tonnen, darunter 10.00 Tonnen aus Deutschland (rund zwei Prozent der gesamten deutschen Geflügelfleischexporte). Zwei Jahre zuvor lag der Export bei 261.000 Tonnen Geflügelfleisch, wovon 15.000 Tonnen aus Deutschland kamen. Ins westafrikanische Ghana exportierte Deutschland 2013 5.000 Tonnen und 2015 4.000 Tonnen Geflügelfleisch. Insgesamt importierte Ghana im Jahr 2013 rund 170.600 Tonnen Geflügelfleisch und produzierte aufgrund Futtermittelknappheit und gestiegener Produktionskosten/Wettbewerbsnachteile nur 51.000 Tonnen Fleisch selbst.
Insgesamt beliefen sich die EU-Agrarexporte, ohne Fisch und Fischereierzeugnisse, an Drittstaaten auf 123,2 Milliarden Euro. Dem gegenüber importierte die EU Waren im Wert von 114,1 Milliarden Euro. Exportbestseller waren Milcherzeugnisse sowie Schlachtnebenerzeugnisse und Fleischwaren von Rind, Schwein und Geflügel. Im weltweiten Vergleich gilt Deutschland hinter den USA und den Niederlanden als drittgrößter Nettoexporteur für Agrarprodukte.
Doch nicht nur subventionierte Agrarexporte aus der EU bedrohen die Bauern in Entwicklungsländern. Im weltweiten Vergleich liefern sich insbesondere die USA und Russland einen Wettstreit um die Ausfuhrmengen von Getreide in Drittstaaten. Anderes gilt bei den Subventionen: Während sie in der US-amerikanischen Agrarpolitik Donald Trumps bis 2027 um insgesamt 42 Milliarden Euro zurückgefahren werden sollen, will Russland seine in Folge der Importembargopolitik brachliegende Landwirtschaft mit staatlichen Zuschüssen und Privatisierungen beleben. Im Jahr 2017 beliefen sich die Zuschüsse auf 3,6 Milliarden Euro.