Politik

Bundesregierung lockert überraschend Grenz-Kontrollen

Die deutsche Bundesregierung stellt die Grenzkontrollen bei Flügen aus Griechenland überraschend ein.
18.04.2018 15:23
Lesezeit: 2 min

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) fährt überraschend die wegen der Flüchtlingskrise eingeführten Grenzkontrollen zurück. Nach AFP-Informationen vom Mittwoch unterrichtete Seehofer die EU-Kommission zwar über die Verlängerung der Kontrollen zu Österreich ab Mai um weitere sechs Monate, er verzichtete aber darauf, die bisherigen systematischen Kontrollen für Flüge aus Griechenland fortzuführen.

Es ist unklar, inwieweit diese Entscheidung mit Syrien zusammenhängt. Zahlreiche internationale Söldner müssen das Land nach der Niederlage verlassen. Tausende Kämpfer sind aus den Kriegsgebieten in den Norden Syriens gebracht worden und warten nun auf ihre Weiterreise.

Im Schengenraum aus 26 Staaten ist normalerweise Reisen und Gütertransport ohne Grenzkontrollen möglich. Kontrolliert wird nur an den Außengrenzen des Gebiets. Deutschland hatte wegen der Flüchtlingskrise als erstes Schengenland im September 2015 wieder Grenzkontrollen eingeführt. Inzwischen begründet die Bundesregierung diese auch mit Bedrohungen für die öffentliche Sicherheit und Terrorgefahr.

Bei der letzten Verlängerung im November 2017 hatte Seehofers Vorgänger Thomas de Maizière (CDU) die Ausweitung auf Flugverbindungen aus Griechenland angeordnet, das zu den Hauptankunftsländern in der Flüchtlingskrise gehört. Damit sollte eine überdurchschnittlich hohe Zahl unerlaubter Weiterreisen nach Deutschland über diese Route fortan verhindert werden.

Die seitdem erfolgten Kontrollen hätten „kein signifikantes Dunkelfeld in Bezug auf illegale Einreisen über Flugverbindungen von Griechenland nach Deutschland“ gezeigt, teilte eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums auf AFP-Anfrage mit. „Mithin erfolgt die Aufhebung der systematischen Kontrollen.“ Stattdessen würden wie zuvor in Absprache mit Griechenland „stichprobenartige Kontrollen an deutschen Flughäfen durchgeführt“. Zudem werde die enge grenzpolizeiliche Zusammenarbeit mit Griechenland weiter verstärkt.

Die EU-Kommission dringt schon lange darauf, die Grenzkontrollen wieder aufzuheben. Sie gefährden für sie auch den freien Personen- und Warenverkehr im EU-Binnenmarkt. Seehofer hatte kurz nach seinem Amtsantritt im März nicht ausgeschlossen, dass Deutschland seine Grenzkontrollen sogar ausweiten könnte.

„Das grenzkontrollfreie Reisen innerhalb des Schengenraums ist eine der größten und zu wahrenden Errungenschaften“, schreibt der CSU-Minister nun in einem Brief an die EU-Kommission. „Daher unterstütze ich ausdrücklich die Bestrebungen und Maßnahmen, perspektivisch wieder zu einem Raum ohne Binnengrenzkontrollen zurückzukehren.“

Dies setze aber voraus, „dass der Schutz der Außengrenzen effektiv erfolgt“ und europäisches Asylrecht „vollumfänglich angewendet“ werde, schreibt Seehofer weiter. Er verweist auf sogenannte Sekundärmigration – also die Weiterreise von Flüchtlingen von einem Schengenland in ein anderes, die nach der EU-Asylgesetzgebung unzulässig ist. Die österreichische Grenze sei hier weiterhin „Brennpunkt“, weshalb Deutschland dort seine Kontrollen bis Mitte November verlängern werde.

Inzwischen haben nach AFP-Informationen auch alle anderen fünf Schengenländer mit Grenzkontrollen der EU-Kommission die Verlängerung mitgeteilt. Dies sind Dänemark, Frankreich, Österreich, Schweden und das Nicht-EU-Land Norwegen. Keine andere Regierung fährt dabei den Umfang ihrer Kontrollen zurück, Österreich und Schweden kündigen sogar eine mögliche Ausweitung an. Das Bundesinnenministerium lobt seinerseits nun ausdrücklich die Bemühungen Griechenlands „zur Reduzierung illegaler Sekundärmigration“.

EU-Innenkommissar Dimitris Avramopoulos, der am Donnerstag Seehofer in Berlin trifft, hat alle Länder mit Grenzkontrollen für Ende April nach Brüssel zu Gesprächen eingeladen. Dabei soll erneut über „alternative“ Lösungen zu Grenzkontrollen gesprochen werden wie mehr grenzüberschreitende Zusammenarbeit nationaler Polizei-Einheiten. Dem Vernehmen könnte das Treffen am 24. Aprilstattfinden.

***

Für PR, Gefälligkeitsartikel oder politische Hofberichterstattung stehen die DWN nicht zur Verfügung. Bitte unterstützen Sie die Unabhängigkeit der DWN mit einem Abonnement:

Hier können Sie sich für einen kostenlosen Gratismonat registrieren. Wenn dieser abgelaufen ist, werden Sie von uns benachrichtigt und können dann das Abo auswählen, dass am besten Ihren Bedürfnissen entspricht. Einen Überblick über die verfügbaren Abonnements bekommen Sie hier.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

DWN
Technologie
Technologie Balkonkraftwerke: 220.000 neue Anlagen binnen sechs Monaten
02.07.2025

Mehr als 220.000 neue Balkonkraftwerke sind in Deutschland binnen sechs Monaten ans Netz gegangen. Während Niedersachsen glänzt, fallen...

DWN
Politik
Politik USA frieren Waffenlieferungen an die Ukraine ein – Prioritäten verschieben sich
02.07.2025

Die USA stoppen zentrale Waffenlieferungen an die Ukraine. Hinter der Entscheidung steckt ein geopolitischer Kurswechsel, der Europa...

DWN
Politik
Politik Stromsteuer: Kommt jetzt die Entlastung für alle?
02.07.2025

Die Stromsteuer spaltet das schwarz-rote Bündnis – und mit ihr die Frage, ob Bürger und Betriebe wirklich entlastet werden. Während...

DWN
Panorama
Panorama Hitzewelle in Deutschland: Temperaturen bis 40 Grad und drohende Unwetter
02.07.2025

Deutschland ächzt unter extremer Hitze, örtlich steigen die Temperaturen auf bis zu 40 Grad. Experten warnen vor Unwettern, Waldbränden...

DWN
Finanzen
Finanzen Goldpreis aktuell stabil: Deutsche Goldinvestments erholen sich – wie Anleger jetzt reagieren sollten
02.07.2025

In den vergangenen Wochen war die Goldpreis-Entwicklung von Volatilität geprägt. Das ist auch zur Wochenmitte kaum anders: Obwohl sich...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Hitzestress am Arbeitsplatz: Mehr Krankmeldungen bei Extremtemperaturen
02.07.2025

Extreme Sommerhitze belastet nicht nur das Wohlbefinden, sondern wirkt sich zunehmend auf die Arbeitsfähigkeit aus. Bei Hitzewellen...

DWN
Politik
Politik Europa vor dem Zerfall? Ex-Premier Letta warnt vor fatalem Fehler der EU
02.07.2025

Europa droht, zum Museum zu verkommen – oder zum Spielball von Trump und China. Italiens Ex-Premier Letta rechnet ab und warnt vor dem...

DWN
Politik
Politik Warum sprechen diese Woche alle über Trumps „Big Beautiful Bill“?
01.07.2025

Es ist Trumps größtes Prestigeprojekt. Doch welche Vor- und Nachteile hat das Gesetzespaket, das am Freitag unterschriftsreif auf dem...