Weltwirtschaft

Nordische Staaten entdecken Arktis als Rohstoff-Quelle

Lesezeit: 4 min
22.04.2018 17:55
Die nordischen Staaten Europas weiten ihre Aktivitäten in der Arktis aus.
Nordische Staaten entdecken Arktis als Rohstoff-Quelle

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Bis 2022 will Norwegen das unterseeische Ölfeld Johan-Castberg in der Barentssee nahe dem Polarkreis erschließen. Gemeinsam mit Finnland, Russland und den USA befindet sich der arktische Anrainerstaat in einem Wettrennen um die Entdeckung neuer Rohstoff-Depots. Ein Grund: Finnland will bis 2029 seine Kohlekraftwerke schließen, berichtet Euractiv.

Zwischen 400 und 650 Millionen Barrel Rohöl werden in dem unterseeischen Fördergebiet Johan-Castberg vermutet. Bis 2022 will die staatliche, norwegische Erdölfördergesellschaft Statoil das Gebiet, rund 240 Kilometer nordwestlich vor Hammerfest gelegen, erschließen. Gefördert werden soll das Öl in einer durchschnittlichen Tiefe von rund 360 Meter aus insgesamt drei benachbarten Feldern. Diese wurden von Statoil bereits im Jahr 2011 entdeckt. Statoils Investitionen in der Barentssee belaufen sich laut Oilprice.com auf insgesamt rund fünf Milliarden Euro.

Für Norwegen ist die Entdeckung ein zweifacher Gewinn: Rund 80 Prozent seiner Energie bezieht das Land aus der Ölförderung. Bislang hat Norwegen Erdöl aus unterseeischen Feldern vor der nordwestnorwegischen Küste gefördert. Knapp die Hälfte dieser Ölvorkommen ist bereits verbraucht, knapp 50 Milliarden Barrel sollen nach Erkenntnissen norwegischer Wissenschaftler noch vorhanden sein. Rund ein Drittel des bislang in Norwegen unerschlossenen Öls vermuten Wissenschaftler unter der Barentssee. Diese arktischen Ölvorkommen könnten dem Land eine energetische Versorgung für die kommenden 35 Jahre garantieren.

Derzeit verbraucht das Land täglich rund 221.300 Barrel Erdöl und rund 6.600 Kubikmeter Erdgas. Im vergangenen Jahr kündigte die Regierung an, in den kommenden Jahren die Kohlendioxid-Bilanz erheblich senken zu wollen. Ab dem Jahr 2025 sollen beispielsweise einzig Fahrzeuge mit Elektromotor auf den norwegischen Straßen erlaubt sein. Im Energiebereich strebt das Land außerdem eine langfristige Versorgungsumstellung auf klimafreundlichere Erdgas- und alternative Energieformen an.

Bezogen werden soll das Erdgas künftig vermehrt aus der Arktis. Bereits vor sieben Jahren hatte sich der norwegische Gasnetzbetreiber Gassco zum Bau einer neuen rund 674,5 Milliarden Euro teuren Pipeline mit dem Namen Aasta-Hansteen entschlossen, seit April 2015 wird die Pipeline in Zusammenarbeit mit internationalen Energielieferanten errichtet. Erschlossen werden soll damit ein unterseeisches Gasfeld im Polarmeer rund 100 Kilometer nordwestlich von Trondheim. Ende des Jahres will Gassco erstes Erdgas aus der Arktis nach Norwegen und Europa fördern.

Zusätzlich hofft Norwegen auf verstärkte Handelsbeziehungen mit seinem Nachbarn Finnland. Im vergangenen Monat kündigte der finnische Umweltminister, Kimmo Tiilikainen den Ausstieg Finnlands aus der Kohlenergie an. Als Teil eines langfristig angelegten Umweltprogramms will sich das Land künftig kohlendioxidärmeren Energieformen wie der Erdgasverbrennung zuwenden.

Finnland liegt im Vergleich mit seinen skandinavischen Nachbarn im Umstieg auf erneuerbare Energien deutlich zurück. Schweden deckte im Jahr 2016 seinen Bruttoendenergiebedarf zu 56 Prozent aus erneuerbaren Energien, Norwegens Anteil lag bei rund 70 Prozent, Finnlands Anteil lag bei 38 Prozent. Bislang bezieht das Land rund zehn Prozent seines Strombedarfs aus Kohlekraftwerken. Rund 66 Prozent des Kohlebedarfs wird mit russischen Importen gedeckt. Durch den Umstieg auf Erdgas hofft das Land, in der energetischen Versorgung unabhängiger von Russland zu werden. Beziehen wird Finnland das Erdgas künftig von Norwegen.

Vor diesem Hintergrund wollen die beiden Staaten die Arktis mittels einer Eisenbahntrasse infrastrukturell erschließen. Im März gab das finnische Verkehrsministerium die Planung einer Trassenverbindung zwischen dem im Polarkreis gelegenen finnischen Oulu über Rovaniemi bis in das nordnorwegische Kirkenes bekannt. Im vergangenen Juli hatte Finnland die Planungen gemeinsam mit dem norwegischen Verkehrsministerium in Auftrag gegeben. Die Gesamtkosten für den Trassenbau werden auf rund 2,9 Milliarden Euro geschätzt, Finnland plant sich mit 2 Milliarden Euro am Bau zu beteiligen, Norwegens Anteil beträgt rund 900 Millionen Euro.

Die finnische und die norwegische Regierung erhoffen sich von der Bahnverbindung eine Belebung der bislang schwach entwickelten nördlichen Regionen.  Mittels der direkten Route soll es künftig einfacher sein, Abbauprodukte aus dem Bergbau sowie der Forst- und Fischereiwirtschaft in der Polarregion auf asiatische Absatzmärkte zu transportieren.

Studien des Arktischen Rates gehen davon aus, dass sich insgesamt bis zu 90 Milliarden Barrel Rohöl unter dem Eis befinden, zusätzlich vermuten sie das sich rund 20 Prozent aller bislang weltweit noch nicht erschlossenen Erdgasvorkommen in der Arktis befinden, daneben soll die Polarregion reich an Erzen und seltenen Erden sein.

Über die meisten Bodenschätze dürfen die Arktis-Staaten selbst verfügen, da sie küstennah oder in einer 200-Meilen-Zone liegen. Innerhalb dieser Zone haben die Länder das alleine Schürfrecht.

Geografisch ist die Arktis keinem Staat zugeordnet. Anrainerstaaten sind neben den USA und Kanada, Dänemark (über Grönland), Norwegen (über Spitzbergen) und Russland. Geopolitisch haben die vermuteten Rohstoffvorkommen bereits vor über zehn Jahren ein Wettrennen auf die Eisflächen unter den Anrainerstaaten ausgelöst.

Im vergangenen Monat meldete die russische Regierung Ansprüche auf die Förderung von polares Erdöl und Erdgas im Wert von rund 28 Milliarden Euro an, berichtet Politico. Zudem kündigte Putin seine Souveränität auf die Nordost-Passage an. Bei ihr handelt es sich um eine rund 11.000 Seemeilen lange Schifffahrts-Route zwischen Europa und Asien, die entlang der russischen Küste führt und rund die Hälfte kürzer ist, als der bislang benutzte Schifffahrtsweg über das Mittelmeer, den Suezkanal und das Rote Meer.

Bislang nutzen rund 18.000 Schiffe jährlich die Route über den Suezkanal, um von Europa nach Asien zu kommen. Die Nordost-Passage entlang der russischen Küste wird dagegen nur von wenigen Schiffen passiert. Meteorologische Auswertungen lassen jedoch den Schluss zu, dass die Polarregion zunehmend eisfrei und ab 2030 zumindest im Sommerhalbjahr dauerhaft befahrbar sein wird.  In den vergangenen 20 Jahren ist die Fläche des arktischen Meereises um 1,21 Millionen Quadratkilometer zurückgegangen, dies entspricht dreimal der Fläche Deutschlands.

Auch China kündigte bereits eine wirtschaftliche Erschließung der Arktis an. Im Januar gab die Regierung bekannt, eine „Polare Seidenstraße“ in der Arktis errichten zu wollen. Auf diese Weise sollen chinesische Unternehmen ermutigt werden, in Infrastrukturprojekte in der Region zu investieren und sich an Erkundungsmissionen zur Entdeckung neuer Seehandelswege zu beteiligen.

Anfang des Jahres gab US-Präsident Donald Trump zudem bekannt, Erdölbohrungen in der Arktis wieder zulassen zu wollen. Unter seinem Amtsvorgänger Barack Obama waren Probebohrungen im Permafrostboden 2015 verboten und die Region gemeinsam mit US-amerikanischen Küstenregionen als Schutzzone eingestuft worden. Um den steigenden Erdölbedarf im Land auch künftig decken zu können und die US-amerikanische Erdölwirtschaft zu beleben, kündigte Trump dieses Verbot auf. Im Jahr 2016 lag der durchschnittliche Ölverbrauch im Land bei 19,5 Millionen Barrel, im vergangenen Jahr waren es 20,7 Millionen Barrel. Im vergangenen Jahr betrug die tägliche Fördermenge der USA rund 10,03 Millionen Barrel, in Saudi Arabien lagen die Fördermengen bei 9,92 Millionen Barrel. Russlands Fördermengen betrugen 10,3 Millionen Barrel pro Tag.

***

Für PR, Gefälligkeitsartikel oder politische Hofberichterstattung stehen die DWN nicht zur Verfügung. Bitte unterstützen Sie die Unabhängigkeit der DWN mit einem Abonnement:

Hier können Sie sich für einen kostenlosen Gratismonat registrieren. Wenn dieser abgelaufen ist, werden Sie von uns benachrichtigt und können dann das Abo auswählen, dass am besten Ihren Bedürfnissen entspricht. Einen Überblick über die verfügbaren Abonnements bekommen Sie hier.

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..


Mehr zum Thema:  

DWN
Finanzen
Finanzen Bundesbank: Erholung der deutschen Wirtschaft verzögert sich
29.03.2024

Europas größte Volkswirtschaft kommt nicht richtig in Fahrt. Die Aussichten für die nächsten Monate sind nach Experteneinschätzung...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Neue Reiseziele: So manche Überraschung im Sommerflugplan
29.03.2024

Ab Ostern tritt an den deutschen Flughäfen der neue Sommerflugplan in Kraft. Die Deutschen Wirtschaftsnachrichten haben für Sie als Leser...

DWN
Politik
Politik Vor 20 Jahren: Größte Erweiterung der Nato - eine kritische Betrachtung
29.03.2024

Am 29. März 2004 traten sieben osteuropäische Länder der Nato bei. Nicht bei allen sorgte dies für Begeisterung. Auch der russische...

DWN
Technologie
Technologie Viele Studierende rechnen mit KI-Erleichterungen im Joballtag
29.03.2024

Vielen Menschen macht Künstliche Intelligenz Angst, zum Beispiel weil KI Arbeitsplätze bedrohen könnte. In einer Umfrage stellte sich...

DWN
Politik
Politik Verfassungsgericht stärken: Mehrheit der Parteien auf dem Weg zur Einigung?
28.03.2024

Das Verfassungsgericht soll gestärkt werden - gegen etwaige knappe Mehrheiten im Bundestag in aller Zukunft. Eine Einigung zeichnet sich...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Deutschlands maue Wirtschaftslage verhärtet sich
28.03.2024

Das DIW-Konjunkturbarometer enttäuscht und signalisiert dauerhafte wirtschaftliche Stagnation. Unterdessen blieb der erhoffte...

DWN
Politik
Politik Corona-Aufarbeitung: Lauterbach will RKI-Protokolle weitgehend entschwärzen
28.03.2024

Gesundheitsminister Karl Lauterbach hat angekündigt, dass einige der geschwärzten Stellen in den Corona-Protokollen des RKI aus der...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Brückeneinsturz in Baltimore trifft Importgeschäft der deutschen Autobauer
28.03.2024

Baltimore ist eine wichtige Drehscheibe für die deutschen Autobauer. Der Brückeneinsturz in einem der wichtigsten Häfen der...