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Krise in Spanien: Regierung steht auf der Kippe

Lesezeit: 3 min
31.05.2018 17:21
In Spanien steht die Regierung von Ministerpräsident Rajoy auf der Kippe.
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Spanien  

In Spanien steht Ministerpräsident Mariano Rajoy offenbar vor dem Verlust seines Amtes. Die Partei der baskischen Nationalisten PNV werde das Misstrauensvotum der sozialdemokratischen PSOE gegen den konservativen Regierungschef unterstützen, berichteten am Donnerstag übereinstimmend die Sender Cadena Ser und La Sexta. 180 Abgeordnete mehrerer Parteien würden voraussichtlich gegen Rajoy stimmen. Die absolute Mehrheit, die PSOE-Chef Pedro Sanchez für die Ablösung von Rajoy in einem konstruktiven Misstrauensvotum braucht, liegt bei 176 Stimmen. In Europa zeichnet sich damit neben Italien ein weiterer Krisenherd ab.

Der Grund für die Krise in Italien liegt in einem massiven Korruptions-Skandal, für die die CDU-Schwesterpartei PP vor wenigen Tagen ein beispielloses Urteil hinnehmen musset.

In der Bestechungsaffäre der regierenden Volkspartei (PP) in Spanien hat der nationale Staatsgerichtshof am Donnerstag sein Urteil gesprochen. 29 Angeklagte, darunter ehemalige Führungskader der Regierungspartei, wurden wegen Korruption, Unterschlagung, Geldwäsche und illegaler Bereicherung zu insgesamt 351 Jahren Gefängnis verurteilt. Der Hauptangeklagte Francisco Correa wurde zu 51 Jahren und elf Monaten Haft verurteilt.

Der Nachname des Geschäftsmanns bedeutet auf Deutsch Gurt oder Gürtel. Das im Oktober 2016 begonnene Verfahren läuft in Spanien deshalb auch unter der deutschen Bezeichnung "Gürtel"-Prozess. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass ranghohe Mitglieder der Volkspartei zwischen 1999 und 2005 Schmiergelder kassierten und Firmen dafür bei der Vergabe von Aufträgen bevorzugten.

Insgesamt gab es 37 Angeklagte, darunter zwei ehemalige PP-Schatzmeister. Luis Bárcenas, Kassenwart zwischen 2008 und 2009, betrieb nach eigenem Eingeständnis schwarze Kassen. Er muss für 33 Jahre und vier Monate hinter Gitter. Er wurde außerdem zu einer Geldstrafe in Höhe von 44 Millionen Euro verurteilt.

Die Partei selbst konnte strafrechtlich nicht belangt werden, weil illegale Parteienfinanzierung in Spanien erst seit 2015 ein Straftatbestand ist. Das Gericht, die Audiencia nacional, ordnete jedoch an, dass sie 245.000 Euro zurückzahlen muss. Die Volkspartei erklärte umgehend, dass sie die Entscheidung anfechten werde.

Ministerpräsident Mariano Rajoy hatte in dem Mega-Prozess im Juli 2017 als Zeuge vor Gericht ausgesagt. Befragt nach dem zweifelhaften Finanzgebaren seiner rechskonservativen Partei, antwortete der Regierungschef, er habe sich nie mit "Buchführung" befasst.

Der Korruptionsskandal kostete Rajoys Partei zahlreiche Stimmen. Rajoy ist seit 2004 Parteivorsitzender. Zwischen 2011 und Ende 2015 stand er an der Spitze einer PP-Regierung, die sich auf eine absolute Mehrheit im Parlament stützen konnte. Danach war er nur geschäftsführend im Amt, weil er es nach der Parlamentswahl vom Dezember 2015 nicht schaffte, eine Koalition zu schmieden und sich so eine Regierungsmehrheit zu sichern.

Auch nach der Parlamentswahl vom Juni 2016 war die Rajoy-Partei weit von der Mandatsmehrheit entfernt. Erst die Enthaltung der Mehrheit der sozialistischen Abgeordneten im November 2016 ermöglichte es Rajoy, nach monatelanger politischer Lähmung für eine zweite Amtszeit vereidigt zu werden.

Im Mai 2019 stehen in Spanien Kommunal-, Regional- und Parlamentswahlen an. Am Donnerstag ordnete die Justiz Untersuchungshaft für Rajoys Parteifreund Eduardo Zaplana an. Der ehemalige Minister unter Rajoys Vorgänger José Maria Aznar steht unter Korruptionsverdacht.

Die Abstimmung über das Misstrauensvotum wird am Freitag erwartet. Zu Beginn der Debatte am Donnerstag forderte Sanchez den Regierungschef zum Rücktritt auf, um das Misstrauensvotum zu vermeiden. Dies wies Rajoy entschieden zurück. Er will seine Minderheitsregierung bis zum Ende der Legislatur 2020 anführen. Rajoy und seine PP stehen seit Jahren wegen eines Korruptionsskandals in der Kritik. In der Affäre wurde der frühere PP-Schatzmeister Luis Barcenas jüngst zu 33 Jahren Haft verurteilt. Die PSOE reagierte darauf mit der Ankündigung des Misstrauensvotums.

Die Partei Podemos hat bereits ihre Unterstützung angekündigt. Kleinere Parteien wie separatistische Gruppierungen aus Katalonien haben bislang offengelassen, ob sie Bedingungen an die Unterstützung des Misstrauensvotums knüpfen. Die oppositionelle Partei Ciudadanos hat die PSOE davor gewarnt, mit Hilfe von "Populisten und Separatisten" an die Macht kommen zu wollen. Sie fordern zwar auch den Abtritt Rajoys. Allerdings pochen sie im Gegensatz zu den Sozialisten auf rasche Neuwahlen. Die PSOE lehnt dies angesichts schlechter Umfragewerte ab.

Sanchez will erst eine Normalisierung, bevor er Neuwahlen ausruft. Sollte er Rajoy ohne Hilfe der Ciudadanos stürzen können, stützt er sich aller Voraussicht nach auf ein Parteienbündnis, das teilweise ganz andere politische Ziele als seine PSOE hat. So haben die spanischen Sozialdemokraten bislang eine Abspaltung Kataloniens abgelehnt. Dies ist jedoch das Ziel der Separatisten im Nordosten Spaniens.

Rajoy könnte angesichts der sich abzeichnenden Niederlage einem Misstrauensvotum zuvorkommen und seinen Rücktritt erklären. König Felipe VI. müsste dann ausloten, ob das Parlament einen Nachfolger wählen könnte oder Neuwahlen ausgerufen werden müssten.


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