Am vergangenen Montag kündigte Großbritannien an, eine europäische Seeschutz-Mission ins Leben zu rufen, um die Straße von Hormuz zu sichern. Ein Fünftel aller weltweiten Ölexporte verläuft über diese Meerenge, die sich zwischen dem Iran und Oman befindet. In der vergangenen Woche hatte der Iran in der Straße von Hormuz einen britischen Tanker festgesetzt. Außenminister Jeremy Hunt warf dem Iran daraufhin einen “Akt der staatlichen Piraterie” vor, dem mit einer internationalen Reaktion begegnet werden müsse, berichtet das Magazin Time.
“Mit schwerem Herzen kündigen wir diese verstärkte internationale Präsenz am Golf an”, so Hunt. Die iranischen Behörden teilten mit, dass der britische Tanker “Stena Impero” deshalb festgesetzt wurde, weil Großbritannien zwei Wochen zuvor einen iranischen Öl-Tanker vor der Küste von Gibraltar beschlagnahmt hatte. Unter den 23 Besatzungsmitgliedern der “Stena Impero” befinden sich keine britischen Staatsbürger. Die meisten sind indische sowie philippinische, russische und lettische Staatsangehörige.
Hunt kündigte an, dass er sich mit den Außenministern von Oman, den USA, Frankreich, Deutschland, Italien, Finnland, Spanien und Dänemark beraten habe, um die Seeschutzmission an der Straße von Hormuz einzuleiten.
Der iranische Regierungssprecher Ali Rabiei sagte, es gebe diplomatische Lösungen für die aktuelle Krise, aber er verteidigte auch die iranischen Aktionen. “Wenn Sie ein Schiff in Gibraltar illegal beschlagnahmen, halten wir es nicht für notwendig, dies zu tolerieren. Einige Länder haben die sofortige Freilassung des britischen Tankers gefordert. Nun, wir bitten diese Länder, dasselbe zuerst von Großbritannien zu verlangen”, zitiert der Guardian Rabiei.
Die iranische Regierung ist kategorisch gegen eine Seeschutzmission in der Straße von Hormuz. Am Dienstag sagte der iranische Vize-Außenminister Abbas Araqchi bei einem Treffen mit dem französischen Außenminister Jean-Yves Le Drian in Paris, dass der Iran bereit sei, die Straße von Hormuz alleine zu sichern, um die Schifffahrt zu gewährleisten, berichtet TRT World.
Bemerkenswert ist vor allem die Verkettung von Ereignissen, die zu den britisch-europäischen Plänen zur Einleitung einer Seeschutzmission in der Straße von Hormuz geführt hatte.
Revolutionsgarde liefert Steilvorlage für US-Pläne
So kündigte US-Generalstabschef Joseph Dunford am 10. Juli 2019 an, dass sich die USA dafür einsetzen werden, eine Allianz zu schmieden, um die Straße von Hormuz und weitere Meerengen zu sichern. Er nannte keine konkreten Partnerländer. Allerdings schlug er vor, dass die US-Regierung Partner mit einem “politischen Willen” identifizieren könnte. Dunfords Plan zufolge sollen die alliierten Seestreitkräfte Kriegsschiffe bereitstellen, während die USA die Mission nachrichtendienstlich unterstützen.
Diese Aussage traf Dunford sechs Tage nach dem Vorfall vor der Küste von Gibraltar, bei dem Großbritannien einen iranischen Tanker beschlagnahmte. Zu diesem Zeitpunkt war es relativ schwer für die USA, überzeugende Argumente zu liefern, um die Partner in Kontinentaleuropa in diese mögliche Mission einzubinden, zumal die US-Amerikaner keine Kriegsschiffe bereitstellen wollen.
Doch am 19. Juli 2019 setzten dann Mitglieder der iranischen Revolutionsgarde (IRGC) das britische Schiff “Stena Impero” fest.
Mit dieser Aktion lieferte die IRGC Großbritannien einen Vorwand für die Umsetzung einer europäischen Seeschutzmission in der Straße von Hormuz, die auch mit dem Plan von Dunford und der US-Regierung harmonieren würde. Entscheidend ist vor allem, dass die IRGC durch ihre Aktion eine Steilvorlage für den Einsatz europäischer Kriegsschiffe in der Straße von Hormuz geliefert hat. Unter der Voraussetzung, dass es tatsächlich zu einer europäischen Seeschutzmission in der Straße von Hormuz kommt, wären mögliche Zusammenstöße zwischen der iranischen Marine und den europäischen Teilnehmern an der Seeschutzmission nicht ausgeschlossen. Im Rahmen eines derartigen Szenarios müssten die Europäer geschlossen ins anti-iranische Lager wechseln.
Enorme Differenzen zwischen Rouhani und Khamanei
An dieser Stelle sei auch auf die Differenzen innerhalb des iranischen Staatsapparats hingewiesen, die bei dem Vorfall am 19. Juli 2019 eine Rolle gespielt haben. Es gibt enorme Differenzen zwischen dem iranischen Präsidenten Hassan Rouhani und dem “Obersten Führer” des Irans, Ali Khamanei, dem auch die IRGC unterstellt ist. Im Januar 2019 kritisierte Rouhani, dass Khamanei angeblich plant, seinen Sohn zu seinem Nachfolger zu machen. “Wir haben eine Revolution inszeniert, damit kein Sohn seinem Vater nachfolgen kann”, zitiert Radio Farda Rouhani. Rouhani plant angeblich, nach seiner Präsidentschaft die Rolle des “Obersten Führers” zu übernehmen. Während Rouhani in das Lager gehört, das insbesondere die Europäer als mögliche Kooperationspartner ansieht, gehört Khamanei in das entgegengesetzte Lager, das gegen “eine Rettung der Wirtschaft durch den Westen” ist.
Das Wall Street Journal berichtet, dass Khamanei und die IRGC, die eine wichtige Rolle in der iranischen Wirtschaft spielt, das Konzept einer “Widerstandsökonomie” verfolgen. Sie wollen die Wirtschaft ankurbeln, indem sie sich dabei weniger auf den Handel mit dem Westen stützen. Ihr Plan sieht eine stärkere Nutzung der Binnenmärkte des Landes und den Handel mit kulturell nicht bedrohlichen Ländern wie dem Irak sowie zentral- und ostasiatischen Staaten vor. Dass Russland die Einflussnahme des Irans in den zentralasiatischen Staaten hinnehmen würde, ist allerdings unwahrscheinlich. Rouhani setzt hingegen auf Investitionen aus Europa und China, unterstützt den Handel mit diesen Blöcken und tritt für eine Öffnung des Markts ein.
Aus diesem Interessenkonflikt geht hervor, dass Khamanei - wie US-Präsident Donald Trump - ein Interesse daran hat, eine Spaltung zwischen den Europäern und Präsident Rouhani herbeizuführen.
Schlussendlich hat das Festsetzen eines britischen Schiff in der Straße von Hormuz dazu geführt, dass alsbald europäische Schiffe in der bedeutenden Meerenge gegen den Iran positioniert werden könnten. Ausgelöst wurde diese Maßnahme jedoch durch die Festsetzung des iranischen Tankers vor Gibraltar durch die Briten.
Als Gewinner der Entwicklung könnte die US-Regierung, Khamanei und die iranischen Revolutionsgarden sowie Großbritannien unter Boris Johnson und die Idee des Protektionismus hervorgehen.
Die Verlierer wären die Länder Kontinentaleuropas - insbesondere das auf den Handel angewiesene Deutschland - sowie China, Rouhani und die Idee des Freihandels.