Um die Identität von Asylbewerbern festzustellen, soll das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) künftig auch in deren Mobiltelefone schauen dürfen. Diese und andere Regelungen sieht ein Gesetzentwurf "zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht" vor, der sich in der Abstimmung zwischen den Ministerien befindet. Darin enthalten ist auch eine erleichterte Abschiebehaft für als gefährlich eingestufte Personen. Laut Innenministeriumssprecher Johannes Dimroth soll der Gesetzentwurf zügig in den nächsten Wochen ins Kabinett eingebracht werden. Nachfolgend zentrale Inhalte des Reuters vorliegenden Entwurfs, der in wesentlichen Teilen auf eine Vereinbarung zwischen Innenminister Thomas de Maiziere und Justizminister Heiko Maas zurückgeht:
HANDY-AUSWERTUNG: Es soll eine Rechtsgrundlage geschaffen werden, damit das Bamf Handys, Tablets und Laptops auswerten kann, wenn Personen ohne Ausweisdokumente unterwegs sind. Die Ausländerbehörden haben solche Möglichkeiten schon jetzt. Die Adressdaten im Mobiltelefon oder gespeicherte Verbindungsdaten könnten Hinweise auf eine mögliche Staatsangehörigkeit geben, heißt es im Entwurf. Das Innenministerium schätzt, dass 2016 eine Auswertung der Datenträger bei 50 bis 60 Prozent der rund 280.000 Asylsuchenden angezeigt gewesen wäre - also bei rund 150.000 Personen. Alle Stellen des Bamf, die sogenannte Ankunftsnachweise ausstellen, sollen dazu mit forensischer Hard- und Software ausgestattet werden. Das Ministerium geht davon aus, dass 24 Datenträger pro "Auslesepunkt" und Tag ausgewertet werden können - bei 100 Auslesepunkten seien dies 2400 Geräte pro Tag. Ende Januar waren laut Ausländerzentralregister mehr als 213.000 "vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer" in Deutschland.
Die Handy-Auswertung ist in der Koalition ein heikles Thema. Die SPD befürchtet eine Massen-Auswertung. Für ihren innenpolitischen Sprecher Burkhard Lischka ist entscheidend, dass die Maßnahme für die Klärung der Identität und Staatsangehörigkeit "erforderlich und verhältnismäßig" ist. Er verweist auf eine Passage im Entwurf, wonach "keine milderen Mittel" zur Identitätsfeststellung vorhanden sein dürfen. Auch Dimroth zufolge soll das Auslesen der Daten nur unter "engen Voraussetzungen" möglich sein. Am Ende werde eine Regelung stehen, "die sich auf Einzelfälle beschränkt und nicht Massenverfahren abbildet".
ABSCHIEBEHAFT: Die Abschiebehaft nach Paragraf 62 des Aufenthaltsgesetzes dient "zur Sicherung der Abschiebung". Sie kann bis zu sechs Monate angeordnet werden und - falls es zu Verzögerungen oder Verhinderungen kommt - um höchstens zwölf Monate verlängert werden. Künftig soll es einen eigenen Haftgrund für Ausländer geben, von denen "eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit" ausgeht. Es entspreche der Erfahrung, dass solche Personen hochmobil seien und sich behördlichen Maßnahmen systematisch entzögen, schreibt das Innenressort. Besteht nach Prüfung des Einzelfalls jedoch keine Fluchtgefahr, sollen andere Maßnahmen geprüft werden.
RESIDENZPFLICHT: Der Bewegungsspielraum ausreisepflichtiger Asylbewerber, die ihre Rückführung etwa durch falsche Angaben oder durch Täuschung über ihre Identität verhindern oder verzögern, kann künftig eingeengt werden. Der Entwurf sieht die Möglichkeit einer räumlichen Beschränkung des Aufenthalts auf den Bezirk der Ausländerbehörde vor.
Bislang gilt zudem die Regel, dass bei Ausländern, die mindestens ein Jahr geduldet sind, eine Abschiebung mindestens einen Monat vorher angekündigt werden muss. Dies wirkt jedoch "faktisch wie eine Warnung vor der Abschiebung und kann dadurch zum kurzfristigen Unterauchen führen". Bei Personen, die über ihre Identität täuschen oder im Verfahren nicht mitwirken, soll diese Ankündigung daher künftig entfallen.
AUSREISEGEWAHRSAM: Der sogenannte Ausreisegewahrsam soll künftig nicht mehr nur für vier, sondern für zehn Tage möglich sein. Die bisherige Höchstdauer habe sich in der Praxis als in vielen Fällen ungeeignet erwiesen, um Sammelrückführungen mit einem angemessenen Vorlauf vorzubereiten, heißt es im Entwurf.
Datenschützer warnen vor den Plänen: "Ein systematisches Auswerten von Handydaten ohne richterliche Anordnung ist nicht mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar", sagte die Bundesdatenschutzbeauftragte Andrea Voßhoff dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Das grundgesetzlich garantierte Recht auf informationelle Selbstbestimmung gelte auch für Ausländer. Durch das Auslesen von Adressbüchern und Anruflisten wären zudem zahlreiche unbeteiligte Dritte betroffen. Ähnlich äußerte sich der Hamburger Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar.
Einen Zugriff ohne richterlichen Beschluss hält der Grünen-Innenpolitiker Konstantin von Notz für "verfassungsrechtlich hochproblematisch".