Politik

Martin Schulz erreicht bei Wahl zu SPD-Chef 100 Prozent

Lesezeit: 3 min
19.03.2017 17:16
Martin Schulz wurde mit 100 Prozent der Stimmen zum neuen SPD-Chef. Die SPD hofft, mit Schulz an der Spitze den Einzug ins Kanzleramt zu schaffen.
Martin Schulz erreicht bei Wahl zu SPD-Chef 100 Prozent

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Mit 100 Prozent der Stimmen hat die SPD Martin Schulz zum neuen Parteivorsitzenden gewählt. Auf den 61-Jährigen, der danach auch offiziell als Kanzlerkandidat nominiert wurde, entfielen beim Bundesparteitag am Sonntag in Berlin alle 605 abgegebenen gültigen Stimmen. Der frühere Präsident des Europäischen Parlaments zeigte sich überwältigt. Das Ergebnis sei "der Auftakt zur Eroberung des Kanzleramtes". Die SPD solle bei der Bundestagswahl am 24. September stärkste Kraft werden und das Mandat erhalten, "dieses Land besser und gerechter zu machen".

Schulz sagte, den Menschen solle wieder der Respekt entgegengebracht werden, den sie verdienten. "Wenn wir nicht dafür sorgen, dass es in diesem Land gerechter zugeht, dann wird das niemand Anderes machen." Soziale Gerechtigkeit sei kein Begriff aus dem Lehrbuch des Klassenkampfes, sondern grundlegende Bedingung für eine freie und fortschrittliche Gesellschaft. Zum Respekt für den einzelnen Menschen gehöre das Prinzip gleicher Lohn für gleiche Arbeit. Das "unerträgliche Lohngefälle zwischen Männern und Frauen" müsse aufhören.

Mit einer vom Staat finanziell geförderten Familienarbeitszeit will die SPD die Vereinbarkeit von Beruf und Familie erleichtern. Damit solle Eltern mehr Flexibilität ermöglicht werden, um die Dreifachbelastung aus Kindererziehung, Betreuung pflegedürftiger Eltern und Erfolg im Beruf hinzubekommen. Familienministerin Manuela Schwesig werde ein mit ihm abgestimmtes Konzept dazu in den nächsten Wochen vorstellen. Mit der Familienarbeitszeit kündigte Schulz einen weiteren Punkt seines Regierungsprogramms an. Zugleich verteidigte er seinen Vorstoß für längere Arbeitslosengeld-Zahlungen an Erwerbslose, die sich weiterqualifizieren. Es sei "einigermaßen absurd", der SPD vorzuwerfen, sie etabliere damit ein Programm zur Frühverrentung. Qualifizierung und Weiterbildung seien im Gegenteil ein Innovationsprogramm für die Bundesrepublik. Schulz bekräftigte auch das Ziel, die Befristung von Arbeitsverträgen ohne sachlichen Grund beenden zu wollen. Der Kanzlerkandidat plädierte zudem für eine gebührenfreie Bildung "von der Kita bis zum Studium". Dies müsse auch für die berufliche Bildung gelten.

Nur an einer Stelle griff Schulz CDU und CSU direkt an: Sie wolle den Solidaritätszuschlag abschaffen, wodurch 20 Milliarden Euro an Einnahmen wegfielen, und zugleich verspreche Finanzminister Wolfgang Schäuble Steuerentlastungen im Wert von 15 Milliarden Euro. Dies seien gewaltige strukturelle Mindereinnahmen. Zusätzlich werde erklärt, dass die Rüstungsausgaben um 20 Milliarden Euro erhöht und dafür bei den Sozialausgaben weniger ausgegeben werden solle. "Diese Pläne sind extrem ungerecht, sie sind ökonomisch unvernünftig und sie spalten unsere Gesellschaft", sagte Schulz.

Schulz sagte, mit ihm werde es im Wahlkampf keine "Herabwürdigung des politischen Wettbewerbers geben". Die "Verächtlichmachung" und die pauschale Verurteilung ganzer Gruppen sowie das Arbeiten mit gefälschten Nachrichten wie in den USA dürfe in Deutschland keinen Platz haben.

Diese noble Einstellung gilt allerdings offenbar nicht für alle Parteien: Scharf attackierte Schulz die AfD heftig. Diese sei eine "Schande für Deutschland". Wer die freie Berichterstattung als Lügenpresse beschimpfe, lege die Axt an den Wurzeln der Demokratie an, "ob er der Präsident der Vereinigten Staaten ist oder bei einer Pegida-Demonstration mitläuft". Schulz sagte, die "Feinde der Freiheit" hätten "in der SPD den entschiedensten Gegner, den man in diesem Land haben kann".

Zugleich wandte sich Schulz an den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Zum Streit über Auftritte türkischer Politiker in Deutschland sagte er: "Wir wollen eine faire, wir wollen eine sachliche Auseinandersetzung, aber wir wollen nicht, dass Menschen gegeneinander aufgehetzt werden, weder in Ihrem Land, noch bei uns." Von der Bundesregierung forderte er: "Wer versucht, Menschen gegeneinander aufzuhetzen, dem muss Einhalt geboten werden." Allgemein müsse ein Bundeskanzler klare Haltung zeigen, wenn es um die Verteidigung grundlegender Werte gehe, sagte Schulz, der seine Kanzler-Ambitionen mehrfach unterstrich.

Der ehemalige Parteichef Sigmar Gabriel sieht die SPD angesichts ihrer deutlichen Zugewinne in Umfragen wieder im Aufwind. "Der Trend ist wieder ein Genosse, und so soll es bleiben", sagte er. Für ihn persönlich gebe es keinen Grund zur Melancholie. "Es dürfte der fröhlichste und optimistischste Übergang zu einem neuen Parteivorsitzenden sein, den unsere Partei in den letzten Jahrzehnten erlebt hat." Der Außenminister selbst hatte Schulz für die Führungsämter vorgeschlagen.

Das Grünen-Spitzenduo Cem Özdemir und Katrin Göring-Eckardt gratulierte Schulz. Mit Schulz komme "wieder Leben in die alte Tante SPD", und das tue dem bevorstehenden Bundestagswahlkampf gut. In der neuen Emnid-Umfrage für die "Bild am Sonntag" liegt die SPD mit 32 Prozent weiter nahezu gleichauf mit der Union, die auf 33 Prozent kommt. Mit 48 Prozent würde es rechnerisch für ein rot-rot-grünes Bündnis reichen.

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