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Passagier-Rauswurf: China empört über Methoden in Amerika

Lesezeit: 3 min
14.04.2017 02:07
Passagier-Rauswurf: China ist empört über die Methoden in Amerika. (Dieser Artikel ist nur für Abonnenten verfügbar)
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Ein Vorfall am O'Hare-Flughafen von Chicago sorgt auch in China für Aufregung: Ein Passagier war mit Gewalt aus einem überbuchten Flugzeug geholt worden, weil er sich angeblich geweigert hatte, seinen Platz freiwillig zu räumen.

Der Passagier war ein Mann mit chinesisch-vietnamesischen Wurzeln. Unmittelbar zuvor hatte es ein Treffen der Präsidenten Trump und Xi gegeben, bei dem beide überraschend gut miteinander auskamen und man den Eindruck gewinnen konnte, dass das amerikanisch-chinesische Verhältnis auf einem guten Weg sei.

In diesem Kontext sorgte der Zwischenfall an Bord einer United-Maschine für erhebliche Irritationen in China.

Das Social-Media-Video von David Dao, der in einem Flugzeug der US-amerikanischen United Airlines vom Sicherheitspersonal mit Gewalt aus der Maschine gezerrt wurde, wurde in den sozialen Medien in China in Windeseile über Weibo und WeChat verbreitet, beobachtet das US-Neocon-Magazin Foreign Policy.

Innerhalb weniger Stunden wurde es zum beliebtesten Video und erzielte innerhalb kürzerster Zeit 330 Millionen Aufrufe. Viele der chinesischen Internetnutzer hätten sich empört über die Gewalt gegen den Mann gezeigt. Sie hätten ihrer Wut im Kommentarbereich des Videos freien Lauf gelassen und warfen den US-Amerikanern Rassismus gegen Asiaten vor. Dao, der ein chinesisch-viertnamesischer Arzt aus Kentucky sei soll, schrie während des Gewaltakts gegen ihn vergleichsweise geistesgegenwärtig: "Sie haben mich ausgesucht, weil ich chinesisch bin!"

Die Stimmung in den chinesischen sozialen Medien war bereits vor wenigen Wochen aufgeheizt, als französische Polizisten einen chinesischen Familienvater töteten. Obwohl anti-asiatischer Rassismus in den USA ein Problem ist, beklagen sich Chinesen in den USA nicht über rassistische Strukturen von Weißen, sondern über die Bevorzugung von Schwarzen, meint Foreign Policy.

Es gebe starke Ressentiments unter älteren Chinesen in Amerika gegenüber Schwarzen, analysiert das Magazin. Sie würden den Schwarzen vorwerfen, dass diese ihren Kindern die College-Plätze wegnehmen würden, da es eine obligatorische Schwarzen-Quote gebe ("Affirmative Action"), die erfüllt werden muss.

Die Chinesen werfen den Schwarzen selbstverschuldete Armut und kulturelle Rückständigkeit vorwerfen würden. Die Chinesen lehnen nach Angaben des US-Magazins rassistische Hierarchien nicht ab. Allerdings sehen sie sich im Rahmen dieser Hierarchie als mindestens gleichwertig mit den Weißen. Der Gedanke gehe zurück auf den Reformator des späten 19. Jahrhunderts und den utopischen Philosophen Kang Youwei, der die "weißen und gelben Rassen" dazu aufforderte, zusammenzukommen, um sich als überlegene „Rasse“ durchzusetzen.

Der Geist solch rassistischer Theorien spiegele sich in den Kommentaren der Chinesen in den sozialen Medien wider. Die chinesischen Internetnutzer seien der Ansicht, dass die US-Sicherheitskräfte im Flugzeug Dao nicht attackiert hätten, wenn er ein Schwarzer gewesen wäre. Für einen Teil der Chinesen seien die USA scheinheilig, von rassischem und politischem Streit zerrissen, kriminell, und darüber hinaus viel zu teuer. Das Video von Dao würden die anti-amerikanischen Chinesen als Beweis dafür hernehmen, dass die USA rassistisch seien, um damit Druck auf die pro-amerikanischen Chinesen auszuüben. Dabei sind Behördenwillkür und Rassismus in China an der Tagesordnung.

Die chinesische staatliche Nachrichtenagentur Xinhua verbreitete das gewalttätige Video sogar über ihr Twitter-Konto.

China Daily schreibt, dass man sich fragen müsse, nach welchen Kriterien der Computer die Passagiere auswählt, die „freiwillig“ einen überbuchten Flug verlassen müssten. Die staatliche Zeitung vermutet indirekt rassistische Kriterien hinter der Auswahl. Schließlich rät das staatliche Organ den US-Fluglinien, sich ein Beispiel an den asiatischen Mitbewerbern wie Emirates, Singapore Airlines und Cathay Pacific zu nehmen: Zahlreiche Untersuchungen und Umfragen zeigten, dass diese Airlines den US-Unternehmen im Hinblick auf Kundenzufriedenheit deutlich überlegen seien.

In den USA ist man dagegen bemüht, den Mann durch einige Episoden aus seiner Vergangenheit zu diskreditieren: Nach Angaben der Celebrity-Webseite TMZ soll Dao eine Zeit lang professionell Poker gespielt haben. Er soll sogar an den „World Series of Poker“ (WSOP) teilgenommen und 235.000 Dollar gewonnen haben.

Die US-Zeitung Courrier Journal berichtet, dass Dao im Jahr 2003 festgenommen und ein Jahr später verurteilt worden sein soll. Er erhielt eine Bewährungsstrafe. Bei dem Strafprozess ging es um den Missbrauch verschreibungspflichtiger Medikamente. Er soll einem Mann verschreibungspflichtige Medikamente gegen sexuelle Dienste ausgestellt haben.

Dao hat sich laut seinem Anwalt bei dem Vorfall ernsthaft verletzt. Der 69-Jährige habe eine Gehirnerschütterung erlitten, sich die Nase gebrochen und zwei Zähne verloren, sagte der Jurist Thomas Demetrio am Donnerstag bei einer Pressekonferenz in Chicago.

Der Anwalt erhob schwere Vorwürfe gegen United Airlines und die Branche. Seit längerem schikanierten Fluggesellschaften Passagiere. Er erklärte, er werde wahrscheinlich Klage gegen United einreichen. Klagen dieser Art enden in den USA häufig mit hohen Vergleichssummen. Sein Mandat habe gesagt, er wolle nie wieder fliegen. Der Vorfall sei für ihn schlimmer gewesen, "als das, was er erlebt hat, als er Vietnam verlassen hat". Der 69-Jährige verließ Vietnam demnach 1975 auf einem Boot.

Der Anwalt beantragte die Sicherung aller Videos des Vorfalls sowie aller relevanten Dokumente. Dies umfasse auch Cockpit-Aufzeichnungen sowie Personalakten der Mitarbeiter der Luftfahrtbehörde, die den Mann aus dem Flugzeug holten.

Die Airline hatte den Flug 3411 von Chicago nach Louisville (Kentucky) überbucht und Passagiere gebeten, die Maschine wieder zu verlassen. Einer der Gründe war, dass eine United-Crew dringend an Bord sollte, weil sie für einen Flug am folgenden Morgen in Louisville eintreffen musste.

Die US-Fluggesellschaft will nun alle Passagiere des Flugs 3411 in Höhe des Preises ihrer Tickets entschädigen, wie ein Unternehmenssprecher der Deutschen Presse-Agentur bestätigte.

United-Vorstandschef Munoz hatte sich nach Kritik und Boykottaufrufen in sozialen Netzwerken ausführlich für den Vorfall entschuldigt. Auch am Donnerstag drückte die Airline erneut ihr Bedauern aus.

Der demokratische Senator Chris van Hollen kündigte laut Medienberichten eine Gesetzesinitiative an. Nach seinem Willen soll es Fluggesellschaften künftig verboten werden, Passagiere zwangsweise aus einer überbuchten Maschine zu holen. Die Airlines sollten mögliche Probleme bei überbuchten Fliegern außerdem vor dem Einsteigen der Passagiere ins Flugzeug lösen.


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