Finanzen

In Syrien geraten die Saudis auf die Verliererstraße

Die Entwicklung in Syrien sieht Saudi-Arabien auf der Verliererstraße. Dies könnte weitreichende Folgen für den globalen Energiemarkt haben.
06.08.2017 18:46
Lesezeit: 5 min

US-Präsident Donald Trump hat vor einigen Tagen offiziell die Unterstützung seines Landes für die Rebellen in Syrien für gescheitert erklärt. Er habe die "massiven, gefährlichen und verschwenderischen Zahlungen an syrische Rebellen, die gegen Assad kämpfen, beendet", schrieb Trump im Kurzbotschaftendienst Twitter. Damit bestätigte der Präsident erstmals selbst, dass er die unter seinem Vorgänger Barack Obama gestartete Unterstützung gestoppt hat. Obama hatte diese Strategie ebenfalls bereits vor knapp zwei Jahren als gescheitert bezeichnet, hatte aber nicht die Kraft, das Steuer herumzureißen.

Der Chef der Sondereinsatzkräfte der US-Armee, General Tony Thomas, bestätigte die Entscheidung laut Washington Post:  Er sprach von einer "sehr harten Entscheidung". US-Verteidigungsminister James Mattis hatte vor einigen Tagen in einem Interview mit dem Universitätsmagazin The Islander gesagt, dass die US-Armee in Syrien und im Irak längst im "Gefechtsmodus" befinde – mit Marineinfanteristen, der Luftwaffe und Spezialkommandos, vor allem aber mit Forward Air Controllers (FAC), die den Einsatz von Bombenangriffen steuern. Dennoch, so stellt Mattis in dem Interview klar, wollen die US-Truppen nicht in einen Krieg verwickelt werden. Man arbeite eng mit den Russen zusammen, um den Krieg in Syrien zu beenden.

Mittlerweile sind die Söldner auf dem Rückzug, wenngleich das Ende von al-Kaida, die über die al-Nusra-Front lange von den USA unterstützt worden waren, noch nicht abzusehen ist.

Zu den Verlierern der Entscheidung Trumps zählen nicht nur die Geheimdienste, die über die Washington Post ausrichten ließen, dass sie den Kurswechsel als Kotau gegenüber Russland interpretieren – eine Darstellung, der General Thomas entschieden entgegengetreten ist. Der Ausgang des Syrien-Kriegs wird vor allem Auswirkungen auf die zukünftige Positionierung Saudi-Arabiens im internationalen Erdöl-Markt haben, analysiert das Magazin Law Street.

Sollten die Regierung in Damaskus den Krieg überleben, werde die syrische Regierung die Möglichkeit haben, am Bau einer Gas-Pipeline vom Iran über den Irak bis an die syrische Westküste festzuhalten. Die Pipeline würde von der iranischen Regierung in Zusammenarbeit mit den russischen Großkonzernen gebaut werden und würde es beiden Ländern wahrscheinlich ermöglichen, von der größten Gasreserve auf der Erde zu profitieren. Die USA und Saudi-Arabien hätten ein Interesse daran, dies zu verhindern, weil sie ihren Anteil am Energiemarkt sowie die Stärke des Petrodollars gegen den russischen und iranischen Wettbewerb schützen möchten.

Über Syrien könnte Erdgas von den Gasfeldern im Persischen Golf nach Europa und in die westliche Welt verschifft werden. Aufgrund der kritischen Position Syriens werden die Ergebnisse des Krieges wahrscheinlich bestimmen, wer Zugang zu den Gasfeldern erhält und damit die Zukunft der Energie-Hoheit innerhalb der Region stark beeinflussen werde.

Für die USA sei dies wichtig, weil der Öl- und Gashandel in einer direkten Verbindung mit der Stärke des US-Dollars steht. Sowohl die USA als auch der langjährige Verbündete Saudi-Arabien seien besorgt, dass Syrien Drehkreuz einer neuen Pipeline werden könnte, deren Erdgas und Erdöl nicht in Dollar abgerechnet werden. Eine neue Hauptpipeline in der Region könnte das Gleichgewicht des Energiemarktes deswegen stören und anschließend die Macht des Dollars und des saudischen Rial, der an den Dollar gebunden ist, einschränken, schreibt Law Street.

Saudi-Arabien verfüge über 16 Prozent der weltweiten Ölreserven. Das Königreich sei zudem der Führer des Ölkartells OPEC. Saudi-Arabien habe bisher alle notwendigen Maßnahmen getroffen, um seinen Marktanteil abzusichern. In den vergangenen Jahren habe es einen weltweiten Anstieg an Gasproduktion im Ausland gegeben, was zwangsläufig eine stetige Loslösung zahlreicher Staaten von der Ölabhängigkeit bewirkte.

Saudi-Arabien habe sich entschieden, seine Ölproduktion bis 2016 zu erhöhen. Folglich sei es aufgrund dieser Tatsache zu einem Rückgang des Ölpreises gekommen. Allerdings sei Saudi-Arabien weiterhin konkurrenzfähig geblieben, während andere OPEC-Staaten kurz vor dem Kollaps standen.

Um seinen Status als größter Energieerzeuger im Nahen Osten beizubehalten, habe Saudi-Arabien die vergangenen zwei Jahrzehnte damit verbracht, Energie-Infrastrukturvorschläge zu blockieren, die für den Zugang zum Süd-Pars/North Dome-Gasfeld im Persischen Golf ausgelegt gewesen seien. Das Süd-Pars/North Dome Gasfeld liegt sowohl auf iranischem als auch katarischem Territorium. Dort befinden sich die größten zusammenhängenden Gasvorkommen der Welt.

Ein erstes Pipeline-Projekt wurde im Jahr 2009 initiiert. Die Pipeline hätte Gas aus Katar durch Saudi-Arabien, Syrien, Jordanien und die Türkei transportiert, obwohl sowohl der verstorbene König Abdullah in Saudi-Arabien als auch Assad in Syrien den Bau der Pipeline im Jahr 2009 zurückgewiesen haben. Die Saudis haben sich der Entwicklung entgegengestellt, weil jene Pipeline der EU einen Zugang zu günstigem Gas gegeben hätte. In diesem Zusammenhang seien auch die Spannungen zwischen Katar und Saudi-Arabien zu sehen, die bereits damals begonnen hätten, analysiert Kyle Downey für Law Street. Katar hatte sich damals massiv für den Bau der Pipeline eingesetzt.

Als Alternative sollte der Iran dienen. Über den Iran sei es ebenfalls möglich, das Süd-Pars/North Dome Gasfeld auszubeuten und Europa mit billigem Gas zu versorgen. Riad sieht Teheran aber als seinen schärfsten Konkurrenten an und will verhindern, dass der Iran seinen Machtzuwachs mit dem Bau einer Gas-Pipeline verstärkt. Der syrische Präsident Assad unterstützte den Bau der Pipeline öffentlich, was Russland und dem Iran einen primären Zugang zu den massiven Ressourcen des Gasfeldes ermöglicht hätte.

Folglich setzten sich die Saudis bei Putin ein, um ihn vom Stopp des Baus der Pipeline zu überzeugen. Die Überzeugungsversuche seien angeblich wirkungslos gewesen. Saudi-Arabien habe dann nur noch die Möglichkeit gehabt, einen Staatsstreich in Syrien herbeizuführen. Riad habe damit begonnen, Gruppen wie die Al-Nusra-Front, die Freie Syrische Armee (FSA) und weitere Söldner-Truppen gegen Assad in Stellung zu bringen.

Saudi-Arabien konnte unter Obama auf die Unterstützung der US-Regierung setzen. Die Volkswirtschaften der USA und Saudi-Arabiens seien aufgrund des Petro-Dollars eng miteinander verbunden. Öl ist gemessen am Volumen weltweit die am häufigsten gehandelte Substanz. Der Rohstoff wurde in den vergangenen 40 Jahren fast ausschließlich in US-Dollar gehandelt.

Wenn ein Land Öl kaufen will, muss es zuerst US-Dollar kaufen, was die Nachfrage nach dem US-Dollar und den Dollar-denominierten Vermögenswerten erhöht. Aus diesem Grund wirken sich der Erfolg der Ölindustrie und die Zusammenarbeit mit Saudi-Arabien sehr direkt auf US-Wirtschaft aus. Saudi-Arabien ist zudem ein wichtiger Kunde der US-Rüstungsindustrie. Unter der Obama-Regierung wurden Waffen im Wert von 46 Milliarden US-Dollar an Saudi-Arabien verkauft.

Die US-Regierung wollte verhindern, dass der Iran beim Bau einer Pipeline bis an die syrische Westküste zur dominierenden Macht im Nahen Ost wird. Eine Stärkung des Iran im Energiemarkt bedeute eine Schwächung des Petro-Dollars und des saudische Rial. Obwohl es zwischen Riad und Washington viele Unstimmigkeiten gäbe, seien beide einig über das Ziel, Russland und den Iran am Bau einer Gas-Pipeline nach Syrien stoppen zu wollen.

Um dieses Ziel zu erreichen, hätten sich die USA und Saudi-Arabien laut Wall Street Journal nach einem Treffen des damaligen US-Außenministers John Kerry mit König Abdullah von Jordanien auf eine militärische Lösung gegen Syrien geeinigt. Über die Operation „Timber Sycamore“ hätten die Saudis und die CIA eine Arbeitsteilung vorgenommen. Während Saudi-Arabien die Söldner der FSA bewaffnet und finanziert habe, sei die CIA für das Training der Söldner verantwortlich gewesen. Das hatte bereits vor einem Jahr die New York Times berichtet. Vom US-Außenministerium war verkündet worden, dass es bei der Operation „Timber Sycamore“ um die Bekämpfung von ISIS gehe. Doch das Programm sei auf den Sturz von Assad ausgelegt worden.

US-Präsident Donald Trump sieht den Sturz von Assad nicht mehr als Hauptziel des Syrien-Krieges. Die USA und Saudi-Arabien haben einen Waffen-Handel im Umfang von 110 Milliarden Dollar abgeschlossen. Es ist anzunehmen, dass dies der Strategie von Trump folgt, der die Armee als Akteur von US-Kriegen sehen will und nicht die Geheimdienste. Aktuell kooperieren Amerikaner und Russen in Syrien. Es ist denkbar, dass es eine Einigung über die Aufteilung Syriens in Einflusssphären gibt. Damit aber würde die dominante Rolle Saudi-Arabiens ebenso geschwächt wie jene des Iran, womit Amerikanern und Russen gemeinsam gedient wäre.

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