Finanzen

Deutsche Industrie kritisiert Vorstoß von US-Kanzleien nach Deutschland

Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag kritisiert zunehmende Vorstöße von US-Kanzleien und britischen Prozesskosten-Finanzierern nach Deutschland.
13.08.2017 18:20
Lesezeit: 1 min

Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) lehnt die Einführung von Verbraucher-Sammelklagen ab. „Das Erpressungspotenzial bei unberechtigten Klagen ist wegen der hohen Kosten und der öffentlichen Prangerwirkung immens“, sagte DIHK-Chefjustiziar Stephan Wernicke dem Handelsblatt. Die bislang diskutierten Modelle garantierten zudem keine „rasche und rechtssichere Klärung der Rechtslage“. Diese aber strebten Unternehmen an.

Wernicke warnte vor Verhältnissen wie in den USA. Immer stärker würden britische Prozesskosten-Finanzierer und US-Kanzleien gemeinsam nach Deutschland drängen, weil ihnen Verfahrensformen wie Verbraucher-Sammelklagen neue Geschäftsmodelle ermöglichten. Um die Entschädigung von Verbrauchern oder auch von geschädigten Unternehmen gehe es letztlich nicht mehr: „Kollektiver Rechtsschutz, wird er solchen Klägern zur Verfügung gestellt, gefährdet den Rechtsstandort Deutschland“, sagte der DIHK-Justiziar. „Recht ist kein Investitionsobjekt.“

Als Konsequenz aus der VW-Abgasaffäre plant EU-Verbraucherschutzkommissarin Vera Jourova derzeit die Einführung von Sammelklagen in Europa, berichtet Reuters. „Ich will, dass die europäischen Verbraucher ihre Kräfte bündeln und ihre Klagen koordinieren können.“ Sie arbeite an einer Initiative für das nächste Jahr. „Wenn wir die Möglichkeit von Sammelklagen schaffen, entlastet das auch das Justizsystem. Außerdem stärkt es das verloren gegangene Vertrauen der Europäer in den Rechtsstaat und die Gerechtigkeit.“

Mehrere Anwaltskanzleien versuchen derzeit, Sammelklagen gegen Volkswagen über eine niederländische Kanzlei durchzubringen. Im Erfolgsfall streichen die Kanzleien hohe Gebühren ein. VW kritisiert, Klagen gegen den Konzern seien zu einem Geschäftsmodell geworden.

In den USA nimmt die Klagewelle gegen den Volkswagen-Konzern, Daimler und BMW wegen angeblichen Kartellverdachts langsam Fahrt auf. Inzwischen haben Anwälte von US-Kanzleien mindestens sechs Sammelklagen in verschiedenen Bundesstaaten im Namen von Fahrzeugbesitzern gegen die Autobauer eingereicht, wie aus Gerichtsdaten hervorgeht. Daimler kündigte auf Nachfrage an, sich mit allen rechtlichen Mitteln zur Wehr zu setzen. Der Konzern sei der Ansicht, dass die Klagen unbegründet seien, sagte ein Sprecher. Eine VW-Sprecherin wollte sich nicht konkret zu den US-Klagen äußern und verwies auf ein älteres Statement, wonach der Konzern bei den Ermittlungen kooperiere. BMW ließ eine Anfrage zunächst unbeantwortet.

Wernicke räumt ein, dass es bei der Kompensation von Streu- und Bagatellschäden hierzulande „sicher Defizite gibt“. Es sei aber schwierig, sie allgemein zu regeln, weil die Fallkonstellationen sehr vielfältig seien.

Die von Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) vorgeschlagene Musterfeststellungsklage biete hierfür keine Lösung, sondern schaffe neue Unsicherheit, sagte Wernicke. Er schlug dagegen die Einrichtung eines öffentlich-rechtlichen Ombudsmannes als unabhängige und neutrale Stelle vor. „Dieser könnte geeignete Verfahren im Masseschäden-Bereich identifizieren und gleichzeitig Missbrauch verhindern.“

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