Jim O’Neill, der Chef von Goldman Sachs Asset Management, hatte diese Woche Deutschland gewarnt, einen möglichen Euro-Austritt Griechenlands auf die leichte Schulter zu nehmen. O’Neill, der nach dem Sturz Berlusconis Druck ausgeübt hatte, dass es in Italien nicht zu Neuwahlen kommen solle (hier) und der den Politikern im Herbst vorwarf, zu viel Unsinn zu reden (hier), sagte in einem Interview: „Wenn es keine Ansteckung gibt – was kümmert und Griechenland. Aber ich wäre mir da nicht so sicher. Wenn ich Deutschland wäre, würde ich das nicht riskieren. Wenn das Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone unerwartete Konsequenzen durch Ansteckung mehrerer Länder hat, würde der Austritt als schwerer Fehler angesehen werden.“ Auch der Chef der schwedischen Reichsbank sagte, dass ein Euro-Austritt Griechenlands zwar beherrschbar sei, jedoch auf jeden Fall negative Auswirkungen auf die gesamte Euro-Zone haben werde. Der zypriotische Vertreter in der EZB sagte, Sparen sei der falsche Weg, es müsse nun voll auf Wachstum gesetzt werden. Alan Brown, Senior Adviser von Schroders Plc. sagte, der Euro-Austritt eines Landes könne sehr wohl zu einer Panik an den Märkten führen.
Diesen Warnungen möchte sich die EU nicht verschließen. Schließlich steht für sie mehr auf dem Spiel als nur der Euro in Griechenland: Die EU möchte um jeden Preis vermeiden, dass das griechische Beispiel bei anderen gefährdeten Euro-Staaten Schule macht. Den wenn ein Austritt Griechenlands – die Citi nennt es „Grexit“ – tatsächlich erfolgt, ist das Land pleite. Dann fliegt den Europäern das ganze Target 2-System um die Ohren – und der Traum von einem europäischen Bundesstaat unter Brüsseler Leitung wäre ausgeträumt. Zwar arbeitet man bei der EZB schon mit Modellen, wie man den Crash bilanzrechtlich vemeiden kann - etwa durch Stundungen der Forderungen gegenüber den Griechen. Aber insgesamt muss die EU nach Berechnungen der Commerzbank etwa 280 Milliarden Euro schultern - das ist in Zeiten der Rezession eine sportliche Nummer.
Daher hat die EU gemeinsam mit dem IWF und der EZB im Rahmen der Troika nun signalisiert, dass man bereit sei, den Sparkurs für Griechenland in der vertraglich vereinbarten Form aufzugeben. Die griechische Zeitung Real News berichtet, dass die Troika den Griechen signalisiert habe, auf die wichtigsten Punkte des Sparprogramms zu verzichten: Griechenland bekäme eine längere Frist, um das Defizit abzubauen – eine Regelung, die die Banken freuen wird, weil die Europäer dann noch länger noch mehr Zinsen für Griechenland zahlen müssen. Auch sollen im Wesentlichen die alten Tarifvereinbarungen wieder aufleben und die Kürzungen der Renten rückgängig gemacht werden.
Im Gegenzug muss Griechenland sofort eine neue Regierung installieren – Neuwahlen sind ausdrücklich nicht erwünscht. Die neue Regierung aus PASOK, Nea Demokratia, den demokratischen und den extremen Linken würde sicherstellen, dass Griechenland im Euro bleibt. Dies ist für die Troika wichtig, weil etwa 70% der „Rettungsgelder“ für den griechischen Schuldendienst an die Banken in Europa und Griechenland gehen. In Brüssel und beim IWF herrscht große Nervosität, dass die Griechen ernst machen könnten und aus dem Euro austreten – damit würden die gesamte Last der Schulden auf die Euro-Staaten übergehen.
Staatspräsident Papoulias will am Sonntag die Gespräche mit allen Parteien aufnehmen, um die gewünschte Koalition der EU-Freunde zustande zu bringen.