Finanzen

Cum-Ex-Geschäfte: Erste Anklagen gegen deutsche Händler erhoben

In Deutschland wurden am Dienstag zum ersten Mal Anklagen wegen mutmaßlicher Betrügereien mit Dividendensteuern erhoben.
22.05.2018 14:48
Lesezeit: 2 min

In Deutschland soll es erstmals zu einem Strafprozess wegen umstrittener Cum-Ex-Geschäfte kommen. Nach jahrelangen Ermittlungen hat die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt Anklage gegen den Rechtsanwalt Hanno Berger und fünf ehemalige Händler der HypoVereinsbank (HVB) wegen schwere Steuerhinterziehung erhoben. Sie sollen dem Fiskus mit umstrittenen Tricks mit Dividendenpapieren einen Schaden von mehr als 100 Millionen Euro zugefügt haben, wie die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Dienstag mitteilte. Ihnen drohen bis zu zehn Jahre Haft.

Bei den Steuertricks gilt Berger als einer der Schlüsselfiguren. Seit Ermittler 2012 sein Frankfurter Büro und seine Wohnungen durchsucht hatten, lebt er in der Schweiz. Der 67-Jährige hat die Vorwürfe wiederholt bestritten. Am Dienstag lehnte Berger eine Stellungnahme ab.

Bei den Cum-Ex-Geschäften ließen sich Anleger die einmal gezahlte Kapitalertragsteuer auf Aktiendividenden mit Hilfe ihrer Bank mehrfach erstatten. Dazu verschoben sie um den Dividendenstichtag herum untereinander Aktien mit (lateinisch: „Cum“) und ohne („Ex“) Dividendenanspruch. Nach Schätzungen des Bundesfinanzministeriums haben Banken und andere Verdächtige die Finanzämter um mehr als fünf Milliarden Euro erleichtert.

Kerninstrument der „Cum-Ex“-Geschäfte sind Leerverkäufe von Aktien. Hier besitzt der Verkäufer der Papiere diese noch gar nicht, sondern muss sie sich erst an der Börse besorgen. Der Käufer wird aber bereits als Inhaber der Papiere eingestuft. Er bekam von seiner Depotbank eine Steuerbescheinigung, um Geld vom Fiskus zurückfordern zu können – auch wenn die Aktien noch einem anderen gehörten, bei dem sich der Leerverkäufer noch eindecken musste. Im konkreten Fall gab es der Staatsanwaltschaft zufolge 61 solcher Geschäfte mit Aktien von Dax-Konzernen.

Bundesweit ermitteln etliche Staatsanwaltschaften, einzelne beteiligte Finanzinstitute haben Geldbußen gezahlt. Steuersünder sollen den Staat nach jüngsten Angaben des Bundesfinanzministeriums insgesamt um mehr als 5 Milliarden Euro betrogen haben.

Unter Juristen gehen allerdings die Meinungen darüber auseinander, ob es sich um illegale Geschäfte handelt. Investoren argumentierten, sie hätten lediglich ein legales Steuerschlupfloch ausgenutzt. Eine abschließende höchstrichterliche Entscheidung liegt bislang nicht vor. 2012 wurde das Steuerschlupfloch geschlossen.

Im konkreten Fall geht es um Geschäfte in den Jahren 2006 bis 2008, an denen neben Berger fünf ehemalige Aktienhändler der HypoVereinsbank (HVB) beteiligt waren. Sie sollen über eine Gesellschaft des Immobilieninvestors Rafael Roth Cum-Ex-Geschäfte getätigt haben. Den Anklägern zufolge wurde den Angeschuldigten bescheinigt, sie hätten 113,3 Millionen an Steuern und Solidaritätszuschlag abgeführt, obwohl sie diese nie gezahlt hatten. Nach Verrechnungen mit Steuerverbindlichkeiten seien Roths Gesellschaft 106,4 Millionen Euro unrechtmäßig ausgezahlt worden. Der Steuerschaden wurde von der HVB bereits vor Jahren erstattet, für sie ist der Fall damit abgeschlossen.

Ob es tatsächlich zum ersten Strafprozess in Deutschland wegen der umstrittenen Aktiengeschäfte kommt, steht aber noch nicht fest. Das Landgericht Wiesbaden muss über die Zulassung der Anklage noch entscheiden. Das geschieht erst, nachdem sich die Angeschuldigten zu den Vorwürfen geäußert haben. Sie haben dazu bis zum 31. August Zeit, wie das Landgericht Wiesbaden mitteilte. Angesichts der komplexen Materie könnte sich eine Entscheidung hinziehen. Lässt das Landgericht Wiesbaden die Anklage zu, kommt es zu einem Musterverfahren, das am Ende wohl beim Bundesgerichtshof oder sogar beim Bundesverfassungsgericht landen dürfte.

***

Für PR, Gefälligkeitsartikel oder politische Hofberichterstattung stehen die DWN nicht zur Verfügung. Bitte unterstützen Sie die Unabhängigkeit der DWN mit einem Abonnement:

Hier können Sie sich für einen kostenlosen Gratismonat registrieren. Wenn dieser abgelaufen ist, werden Sie von uns benachrichtigt und können dann das Abo auswählen, dass am besten Ihren Bedürfnissen entspricht. Einen Überblick über die verfügbaren Abonnements bekommen Sie hier.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Finanzen
Finanzen USA dominieren die Börsen
03.07.2025

Die Börsenwelt bleibt fest in US-Hand, angeführt von Tech-Giganten wie Nvidia und Apple. Deutsche Unternehmen spielen nur eine...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Pokémon-Karten als Geldanlage: Hype, Blase oder Millionen-Geschäft?
03.07.2025

Verstaubte Karten aus dem Kinderzimmer bringen heute tausende Euro – doch Experten warnen: Hinter dem Pokémon-Hype steckt eine riskante...

DWN
Finanzen
Finanzen Politische Unsicherheit: Warum Anleger jetzt Fehler machen
03.07.2025

Trumps Kurs schürt Unsicherheit an den Finanzmärkten. Wie Anleger jetzt kühlen Kopf bewahren und welche Fehler sie unbedingt vermeiden...

DWN
Politik
Politik Keine Stromsteuersenkung: Harsche Kritik der Wirtschaftsverbände
03.07.2025

Die Strompreise bleiben hoch, die Entlastung fällt kleiner aus als versprochen. Die Bundesregierung gerät unter Druck, denn viele Bürger...

DWN
Politik
Politik USA drosseln Waffenhilfe – Europa unter Zugzwang
03.07.2025

Die USA drosseln die Waffenhilfe für Kiew. Europa muss die Lücke schließen. Wie geht es weiter?

DWN
Unternehmen
Unternehmen Baywa Milliardenverlust: Sanierung bleibt trotz Rekordminus auf Kurs
03.07.2025

Baywa steckt tief in den roten Zahlen – doch der Sanierungsplan bleibt unangetastet. Der traditionsreiche Konzern kämpft mit Altlasten,...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Seltene Erden: China kontrolliert deutsche Industrie
03.07.2025

Die deutsche Industrie gerät zunehmend in die Abhängigkeit Chinas, weil Peking bei seltenen Erden den Weltmarkt kontrolliert....

DWN
Panorama
Panorama Spritpreis: Wie der Rakete-und-Feder-Effekt Verbraucher belastet
03.07.2025

Die Spritpreise steigen wie eine Rakete, fallen aber nur langsam wie eine Feder. Das Bundeskartellamt nimmt dieses Muster ins Visier und...