Politik

EU will mit neuen Instrumenten Demokratie in Europa kontrollieren

Lesezeit: 2 min
21.05.2013 00:57
Die EU will ihr Arsenal zur Überwachung der Demokratie in den einzelnen Nationalstaaten ausbauen. Mit einem Justizbarometer soll kontrolliert werden, ob die Justiz im Einklang mit den Vorgaben aus Brüssel agiert. Beobachter fragen: Wer aber kontrolliert eigentlich die Kontrolleure?
EU will mit neuen Instrumenten Demokratie in Europa kontrollieren

Mehr zum Thema:  
Europa >
Benachrichtigung über neue Artikel:  
Europa  

Ungarn ist für die EU zu einem wichtigen  Experiment geworden: Wie weit kann Brüssel gehen, um politische Veränderungen in einem Mitglieds-Staat zu erzwingen?

Seit Monaten wird dem Premier Orban vorgeworfen, mit seinen Gesetzeserlässen die Demokratie in seinem Land und somit auch in der EU zu gefährden.

In der Tat fährt Orban einen völlig abgehobenen Kurs, der sich weder um die wirklichen Probleme seines Landes und erst recht nicht um die Befindlichkeiten der Zentrale in Brüssel schert. Jüngst ist Orban mit dem Vergleich Merkels mit Hitler aufgefallen (hier).

Ausweitung der Macht der EU

Aus diesem Grund soll die EU mit neuen Instrumenten ausgestattet werden, um die Werte der EU in den Mitgliedsländern zu verteidigen.

Wie das belgische Magazin Knack berichtet, machen sich derzeit vor allem Länder wie Deutschland, die Niederlande und Belgien dafür stark. Ein neues Instrument wurde bereits geschaffen. Das so genannte Justizbarometer. Dieses Instrument erfasst verschiedene Rahmenbedingungen in den einzelnen Justizsystemen der Mitgliedsstaaten. Hierbei geht es zum Beispiel um die durchschnittliche Dauer für Justizreformen und die Beobachtung und Bewertung von Verfahrensabwicklungen. Geprüft wird aber auch, „inwieweit eine Justiz als unabhängig wahrgenommen wird“, so die EU-Kommission. Im Mai will die Kommission aufgrund dieses Barometers erstmals „länderspezifische Empfehlungen abgeben“. Diese müssen dann von den Staats- und Regierungschefs auf dem Europäischen Rat im Juni bestätigt werden. Noch  entscheidet das jeweilige Land aber selbst, ob es die Haushaltspolitik und Gesetzgebung danach ausrichtet.

Die Vizepräsidentin der EU-Kommission, Viviane Reding, erklärt den Nutzen des Barometers:

Das Barometer ist ein Instrument (…), um wirksame, unabhängige und qualitativ hochwertige Systeme Gerechtigkeit in Europa zu fördern. Durch die Verbesserung des Justizsystems tragen wir zur Wiederherstellung des Wachstums in Europa und zur Stärkung der strukturellen Voraussetzungen, die für ein nachhaltiges Wachstum erforderlich sind, bei.

Neben dem Justizbarometer sollen die Kompetenzen der EU durch einen weiteren Schritt ausgeweitet werden. Dabei geht es um die Defizite der einzelnen Mitgliedstaaten und die Eingriffsmöglichkeiten der Kommission. Die Kommission will in Zukunft frühzeitig Maßnahmen einfordern können, wenn ein Staat ein zu hohes Defizit aufweist. Als „letzten Ausweg sollte die Aussetzung von EU-Geldern möglich sein“, so Reding.

Weitere Instrumente geplant

Diese zwei zusätzlichen Instrumente sind jedoch nicht die einzigen, die die Macht der Kommission stärken sollen. Es sind lediglich erste konkrete Beispiele. Reding betonte am Montag, wie wichtig weitere Druckmittel seien:

Was uns fehlt ist eine besser entwickelte Sammlung an Instrumenten, um die Lücken zwischen der ‚soft power‘ politischer Überzeugung, der Rolle der Kommission als Hüterin der Verträge und der ‚nuklearen Option‘ (…) zu schließen.

Bei der nuklearen Option handelt es sich um den Artikel 7 im EU-Vertrag: Die Suspensionsklausel:

Sie besagt, dass bestimmte Rechte eines Mitgliedstaats (u. a. sein Stimmrecht im Rat) ausgesetzt werden können, falls dieser die Grundsätze, auf denen die Union beruht (Freiheit, Demokratie, Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie Rechtsstaatlichkeit), schwerwiegend und anhaltend verletzt. Die Verpflichtungen des betroffenen Mitgliedstaats sind für diesen jedoch weiterhin verbindlich.

Da jedoch die Umsetzung des Artikel 7 „nuklear ist, haben sie Angst, diesen zu nutzen”, sagte Pieter Cleppe den Deutschen Wirtschafts Nachrichten. Aus diesem Grund werde die Kommission nach weiteren Eingriffsmöglichkeiten zur Wahrung der Demokratie suchen.

Wer wacht über die Wächter?

Diese Forderung nach neuen Instrumenten ist jedoch äußerst kritisch zu bewerten, so Cleppe: „Wer wacht eigentlich über die Wächter selbst? Was tun wir, wenn die EU selbst die Demokratie aufgibt“. Das Hauptdefizit der EU ist der Mangel an demokratischer Legitimation in der EU selbst. Die wichtigsten Funktionen werden durch einen Kuhhandel zwischen den Mitgliedsländern besetzt. Die Mitgliedsländer selbst haben dagegen zumindest formal demokratische Prozesse für die Bestellung ihrer Amtsträger.

„Die Kommission hat niemand gewählt. Und dennoch hat sie ein Monopol für die Gesetz-Gebung“, so Cleppe. „Die Kommission ist jetzt schon sehr mächtig: Zwei Drittel aller Regulierungen werden von ihr bestimmt. Sie greift in das Leben von 500 Millionen EU-Bürgern ein“, sagt Cleppe. „Allenfalls sollten Nachbarländer intervenieren können, wenn ein Mitgliedsstaat die Demokratie abschafft“. Die Verantwortung dürfe aber nicht „bei der supranationalen Institution EU liegen, die nur unzureichend zur Rechenschaft gezogen werden kann.“

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..


Mehr zum Thema:  
Europa >

Anzeige
DWN
Ratgeber
Ratgeber Sichere Mobilgeräte für Ihr Business: Das Samsung Security Ecosystem

In vielen Unternehmen sind Smartphones und Tablets längst zum unverzichtbaren Arbeitsmittel geworden. Je nach Einsatzgebiet sind die...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft DWN Marktreport: Rohstoffmärkte ziehen die Handbremse an
26.09.2023

Die anhaltende Dollar-Rally streut den Rohstoffbullen zunehmend Sand ins Getriebe. Auch die jüngste Zinserhöhungspause der US-Notenbank...

DWN
Politik
Politik Deutschland blockiert Asyl-Kompromiss in der EU
26.09.2023

Die anderen EU-Staaten verlieren langsam die Geduld mit Deutschland, weil die Bundesregierung einen Kompromiss in der Asylpolitik...

DWN
Politik
Politik Bund muss deutlich weniger Schulden machen
26.09.2023

Der Bund muss sich im vierten Quartal 31 Milliarden Euro weniger am Finanzmarkt leihen, als bisher geplant. Grund sind die niedrigeren...

DWN
Immobilien
Immobilien Büro-Immobilien: „Die Mischung aus Präsenz und Mobilität macht es"
26.09.2023

Seit der Pandemie ist hybrides Arbeiten das Schlagwort in Deutschland. Vor einem Hintergrund wachsender Büroleerstände, stark steigender...

DWN
Finanzen
Finanzen Bundesanleihe verzeichnet höchste Rendite seit 2011
25.09.2023

Anleger haben die Hoffnung auf ein baldiges Ende der hohen Zinsen aufgegeben. Die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen liegt auf dem...

DWN
Politik
Politik EU-Staaten verhindern Deutschlands strengere Abgasnorm
25.09.2023

Deutschland konnte sich in der EU mit Forderungen nach der Abgasnorm Euro 7 nicht durchsetzen. Die anderen Staaten lehnten die strengeren...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Geschäftsklima sinkt nur minimal - Geht es jetzt wieder bergauf?
25.09.2023

Der Ifo-Index zum Geschäftsklima ist den 5. Monat in Folge gefallen, aber nur minimal. Der Pessimismus nimmt ab. Ist das Schlimmste für...

DWN
Politik
Politik Westen fürchtet Wahlen in der Slowakei
25.09.2023

Bei den Wahlen in der Slowakei am Samstag steht Ex-Premierminister Fico vor einem möglichen Comeback, der "keine einzige Patrone in die...