Unternehmen

Unbekannter Kölner Energie-Dienstleister fischt sich Milliarden-Auftrag aus Vietnam

Bisher ist das kleine Kölner Unternehmen de Raj, das unter anderem Anlagen für Produktionsstätten verleast, kaum jemanden aufgefallen. Doch das könnte sich nun ändern.
24.10.2019 13:00
Lesezeit: 3 min
Unbekannter Kölner Energie-Dienstleister fischt sich Milliarden-Auftrag aus Vietnam
Lampions aus dem Reich Dai Viet (10. bis 19. Jahrhundert) hängen am 21.09.2016 im Archäologie-Museum in Herne. (Foto: dpa) Foto: Roland Weihrauch

Der Energiemarkt dürfte wohl zu den Märkten weltweit gehören, die besonders hart umkämpft sind. In Regel dominieren hier die großen etablierten Konzerne wie Gazprom, ExxonMobil oder British Petrol (BP). Kleinere Unternehmen haben hier eigentlich kaum eine Chance.

Ein Anbieter, der gerade mit Macht versucht, seinen Fuß dort hineinzubekommen, ist der Kölner Dienstleister de Raj, der bisher nur Eingeweihten in der Branche ein Begriff war. Das Unternehmen besitzt und betreibt Anlagen und Ausrüstungen sowohl im konventionellen und als auch im erneuerbaren Energiesektor.

Dazu gehören beispielsweise Technologien, die auf Ölplattformen eingesetzt werden, um die Förderung zu erhöhen. Diese werden von de Raj auch mittel- und langfristig verleast. Im Jahr 2018 hat das Unternehmen seine Erlöse im Vergleich zum Vorjahr um rund 40 Prozent auf 14,4 Millionen Euro erhöht.

Doch jetzt hat de Raj einen Mega-Auftrag an Land gezogen, der den Dienstleister ganz weit nach vorne bringen könnte – und zwar in Fernost: Das Unternehmen, das vom indischen CEO Vaidyanathan Nateshan geführt wird, unterzeichnete eine Absichtserklärung mit der Raffinerie Binh Son Refining & Petrochemical (BSR) aus Vietnam, um das Werk zu erweitern.

"Die Kapazität soll um fast ein Viertel auf 184.000 Barrel pro Tag erhöht werden", sagte Nateshan den Deutschen Wirtschafts Nachrichten. Der Wert des Auftrages liegt bei 1,8 bis 2 Milliarden Dollar (1,6 bis 1,8 Milliarden Euro) – also ein Vielfaches dessen, was de Raj pro Jahr an Erlösen generiert. "Das Projekt wird Ende 2019 starten und soll zwölf Monate abgeschlossen sein", erklärte der Unternehmenschef.

Vietnamesischer Hersteller an der einheimischen Börse notiert

Das Hauptgeschäft von BSR, das an der einheimischen Ho-Chi-Min-Börse aktiennotiert ist, umfasst die Produktion und den Handel mit petrochemischen Produkten, zu dem auch Flüssiggas (LPG) gehört. Die Raffinerie liegt auf einer Fläche, die 965 Hektar hat – also größer als 900 Fußball-Felder ist. Der asiatische Produzent beschäftigt mit mehr als 1.500 Ingenieuren und Technikern eine ganze Armada an Fachkräften.

Die Bilanz, die BSR ausweist, macht einen positiven Eindruck: So erwirtschaftet die Raffinerie pro Jahr Erlöse in Höhe von 4,6 Milliarden Dollar (4,1 Milliarden Euro). Im vergangenen Jahr haben die Vietnamesen ein Ergebnis vor Zinsen, Steuern, Abschreibungen (EBITDA) von 290 Millionen Dollar erreicht. „Ein hochprofitables Geschäft“, heißt es in der Erklärung von de Raj.

Hintergrund: BSR gehört zur staatlichen Öl-Gruppe Petrovietnam, die mit jährlichen Umsätzen im zweistelligen Milliarden-Euro-Bereich einen spürbaren Teil zur Gesamtwirtschaft des asiatischen Landes beiträgt.

Vietnam gilt ein sehr wichtiger Wachstumsmarkt in Asien. Die Regierung geht davon aus, dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) 2020 um 6,8 Prozent steigt. Derzeit liegt es noch bei rund 200 Milliarden Euro – ungefähr sechs Prozent dessen, was Deutschland pro Jahr erwirtschaftet. Zur Einordnung: Vietnam nimmt 90 Prozent der Fläche ein, welche die größte europäische Volkswirtschaft hat.

Kölner Unternehmen profitiert vom Wachstum am Kraftfahrzeugmarkt

Die Regierung ist gerade dabei, verstärkt die Infrastruktur auszubauen. Darüber hinaus zeigt der Markt für Kraftfahrzeuge eine hohe Wachstumsdynamik. Dadurch steigt auch der Verbrauch von Kraftstoff, wovon wiederum die Raffinerie und de Raj profitieren könnten.

Vietnam ist auch deswegen lukrativ, weil China und Indien in der Nähe liegen, die auch über einen großen Absatzmarkt verfügen. Grundsätzlich kann BSR seine Produkte auch dorthin exportieren, sollte sich zuhause die Nachfrage einmal verringern.

Doch nicht nur in Vietnam ist de Raj aktiv, sondern auch im benachbarten Malaysia. Dort investiert das Kölner Unternehmen in ein einheimisches Biomasse-Kraftwerk. Dort wird es 35 Prozent an der Firma halten, die das Kraftwerk betreibt, das über eine Kapazität von 9,9 Megawatt verfügt. Zum Vergleich: Das grüne Kraftwerk, das der südwestdeutsche Anbieter MVV Energie in Mannheim betreibt, verfügt über ein Volumen von 20 Megawatt. EnBW will 2020 in Brandenburg den größten Solarpark Deutschlands in Betrieb nehmen, der eine Leistung von 180 Megawatt haben soll.

Auch in der Ukraine ein Auftrag für ein grünes Kraftwerk

Darüber hinaus engagiert sich de Raj auch in Projekten in Osteuropa: Der Dienstleister wird mit dem ukrainischen Energieunternehmen STC sechs Solarkraftwerke in der Region Kiew errichten, um an den ukrainischen Energieversorger Energorynok Strom zu liefern. Diese Photovoltaik-Kraftwerke sollen den Planungen zufolge eine Gesamtproduktionskapazität von 88,4 Megawatt erreichen. „Dieser Vertrag ist ein wichtiger Schritt in der Entwicklung der Strategie des Unternehmens, um ein grünes Investment-Portfolio als Wachstumstreiber aufzubauen“, erklärte CEO Nateshan.

Doch gibt es auch skeptische Stimmen. So setzt sich der Aktiendienst "Simply Wall St News" in kritischer Weise mit der Umsatz- und Ergebnisentwicklung auseinander, die de Raj in der Vergangenheit eingeschlagen hat. Auch analysieren die Experten die Schulden des Dienstleisters. Ihre Meinung dazu liest sich eher skeptisch.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt

 

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Handelskrieg mit Ansage: Warum Europas Vergeltung Washington teuer zu stehen kommen könnte
13.05.2025

Die EU zieht die Reißleine: Mit einem neuen Maßnahmenpaket über 95 Milliarden Euro kontert Brüssel die US-Strafzölle – und trifft...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Munich Re: Milliardenschaden durch Waldbrände in Kalifornien
13.05.2025

Flammen wüten immer wieder durch Kalifornien – und hinterlassen nicht nur verkohlte Wälder, sondern auch tiefe Spuren in den Bilanzen...

DWN
Politik
Politik Trump besucht erneut die Golfstaaten – Wirtschaftsinteressen stehen im Vordergrund
13.05.2025

Warum reist Donald Trump erneut als erstes nach Saudi-Arabien – und nicht etwa zu den engsten Nachbarn der USA? Hinter dem glanzvollen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Trump: Die Arzneimittelpreise müssen um 59 Prozent sinken
13.05.2025

Die Pharmabranche gerät weltweit unter Druck: Mit einer neuen Ankündigung hat US-Präsident Donald Trump den globalen Arzneimittelmarkt...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft EU-Kommission kündigt Importverbot für russisches Gas an – doch wo bleibt das Gesetz?
13.05.2025

Die EU verkündet das Ende russischer Gasimporte – aber präsentiert (noch) keine juristische Grundlage. Experten warnen: Was die...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Innovation Neuro-Webdesign: „Die meisten Firmenwebsites scheitern am Menschen“
13.05.2025

Viele mittelständische Websites wirken modern, funktionieren aber nicht. Warum? Sie ignorieren die Psychologie der Nutzer. Jonas Reggelin,...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Rezession 2025: Düstere Aussichten für Deutschland
13.05.2025

Die deutsche Wirtschaft tritt auf der Stelle – und das ausgerechnet in einer Phase, in der neue Impulse dringend nötig wären. Der...

DWN
Politik
Politik Rentenversicherung: Warum Bärbel Bas' Beamten-Vorschlag 20 Milliarden Euro im Jahr kosten würde
13.05.2025

Geht es nach Arbeitsministerin Bärbel Bas, sollen künftig auch Beamte in die gesetzliche Rentenversicherung aufgenommen werden. Eine neue...