Die im Empire State Building in New York ansässige Organisation Human Rights Watch (HRW) hat China für die Errichtung eines Überwachungssystems in der Volksrepublik scharf kritisiert, berichtet die dpa. „Die Kommunistische Partei Chinas, die befürchtet, die Gewährung politischer Freiheit könnte ihre Macht gefährden, habe einen ‚Orwellschen Hightech-Überwachungsstaat‘ und ein ausgeklügeltes Internet-Zensursystem errichtet, um öffentliche Kritik zu überwachen und zu unterdrücken“, heißt es im Jahresbericht der Organisation, der am Dienstag in New York vorgestellt wurde. Gleichzeitig nutze Peking seinen wachsenden wirtschaftlichen Einfluss im Ausland angeblich, um das globale System zur Verteidigung der Menschenrechte auszuhebeln.
In seiner von etwa 13 Millionen Muslimen bewohnten Provinz Xinjiang im Nordwesten habe China ein „alptraumhaftes System“ zur Kontrolle der Minderheit eingerichtet. Es sei das „übergriffigste öffentliche Überwachungssystem, das die Welt jemals gekannt hat“, behauptet HRW. Die Organisation geht davon aus, dass in Xinjiang bis zu eine Million Menschen in Umerziehungslagern festgehalten werden, die meisten von ihnen Uiguren. Der chinesischen Regierung zufolge handelt es sich bei den Zentren hingegen um Fortbildungszentren, welche auch gegen islamistische Indoktrination eingerichtet wurden. Ein von der Türkei entsandtes Team konnte in der Vergangenheit hingegen keine Verletzung der Rechte der Uiguren in den Lagern erkennen.
HRW wirft China zudem vor, die internationale Durchsetzung von Menschenrechten systematisch zu sabotieren. Die Großmacht nutze bei den Vereinten Nationen ihren Einfluss, um „Missetäter“ in aller Welt vor Strafverfolgung zu schützen. Die Führung in Peking wolle damit verhindern, dass Präzedenzfälle geschaffen werden, die letztlich auch sie selbst in die Bredouille bringen könnten. Deshalb stemme sich China unter Staatschef Xi Jinping unter anderem gegen Strafmaßnahmen für angebliche syrische und russische Luftangriffe auf Zivilisten in Syrien und gegen eine Ahndung von Gewalttaten der Armee in Myanmar gegen die Rohingya-Minderheit. Nicht thematisiert werden von Human Rights Watch hingegen die internationalen Islamisten-Söldner, welche sich bis heute in der syrischen Provinz Idlib verschanzen und auch nicht die gewaltsamen Guerilla-Aktionen von Rohingya-Milizen, welche der Vertreibung durch die burmesische Armee vorangegangen waren.
HRW-Chef Kenneth Roth kritisierte bei der Pressekonferenz in New York auch UN-Generalsekretär Antònio Guterres, der nicht willens sei, China offen für seine Handlungen zu kritisieren. Der Chef der Vereinten Nationen übe im Hinterzimmer Kritik, aber vor Kameras schüttele er freudig die Hände chinesischer Repräsentanten, so Roth.
Chinas UN-Mission ließ sich die Kritik von Human Rights Watch nicht gefallen - und nutzte die Pressekonferenz, um die eigene Sichtweise darzulegen. Nach der Vorstellung des Reports ergriff ein chinesischer Diplomat im Raum das Wort. „Wir können den Inhalt dieses Berichts nur zurückweisen“, sagte der Mann, der Mitglied der chinesischen UN-Mission ist. Er enthalte Vorurteile und Erfindungen. Wer nicht erwähne, dass in China in den vergangenen Jahrzehnten 700 Millionen Menschen aus der Armut geführt habe, dürfe sich nicht Menschenrechtsorganisation nennen.
HRW-Chef Kenneth Roth wollte den Jahresbericht eigentlich in Hongkong vorstellen, doch war ihm am Flughafen der chinesischen Sonderverwaltungsregion die Einreise verweigert worden. Die Regierung in Peking verteidigte diesen Schritt als ihr souveränes Recht. Schließlich würden Organisationen wie Human Rights Watch „anti-chinesische Aktionen und Unruhestifter in Hongkong“ unterstützen: Die Sonderverwaltungszone war in den vergangenen Monaten Austragungsort schwerer Ausschreitungen von teilweise gut geschulten und vermummten Straßenkämpfern. Der chinesischen Regierung zufolge ermutigte HRW Segmente der Hongkonger Bevölkerung nachdrücklich, „extrem gewalttätige Verbrechen zu begehen“ und für Hongkongs „Unabhängigkeit“ einzutreten. Somit trüge die Organisation eine „große Verantwortung für das gegenwärtige Chaos".
Bemerkenswert sind die Ursprünge von Human Rights Watch. Diese liegen noch in der Zeit des Kalten Krieges. Die Organisation wurde 1978 unter der Bezeichnung „Helsinki Watch“ gegründet, um die Einhaltung der Schlussakte von Helsinki durch die Sowjetunion zu dokumentieren und um sowjetische Menschenrechtsgruppen zu unterstützen, heißt es auf Wikipedia. 1988 vereinigte sich Helsinki Watch dann mit anderen internationalen Organisationen, die vergleichbare Ziele verfolgten, zu Human Rights Watch.
Im Geschäftsjahr 2012 habe HRW über ein Budget von 59 Millionen US-Dollar verfügt. Die Organisation finanziert sich eigenen Angaben zufolge ausschließlich durch Spenden von Privatpersonen und Stiftungen. Im September 2010 spendete der Milliardär, Geopolitiker und Großspekulant George Soros 100 Millionen Dollar an die Organisation.