Deutschland

Fast jeder dritte Betrieb in Deutschland setzt auf Kurzarbeit

Eine Rekordzahl von rund 650.000 Betrieben hat bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) Kurzarbeit angekündigt.
09.04.2020 12:57
Aktualisiert: 09.04.2020 12:57
Lesezeit: 2 min
Fast jeder dritte Betrieb in Deutschland setzt auf Kurzarbeit
Daimler will die Beschäftigten in den meisten deutschen Werken noch bis Ende April in Kurzarbeit halten. (Foto: dpa) Foto: Sebastian Gollnow

Als Folge der Coronavirus-Pandemie hat eine Rekordzahl von rund 650.000 Betrieben bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) Kurzarbeit angekündigt. Die Zahl sei binnen einer Woche um knapp 40 Prozent gestiegen, teilte die Behörde am Donnerstag mit. Fast jeder dritte in der Beschäftigtenstatistik registrierte Betrieb erwartet somit Arbeitsausfälle.

Betroffen sein dürften Millionen von Arbeitnehmern. Das gilt für fast alle Branchen, mit Schwerpunkten im Handel und der Gastronomie. Angesichts der mit dem Kurzarbeitergeld verbundenen Lohneinbußen gibt es in der Bundesregierung verstärkt Überlegungen, dies für Geringverdiener aufzustocken. Auch der Arbeitnehmerflügel der Unions-Fraktion forderte eine aus Steuermitteln finanzierte Aufstockung.

Berücksichtigt wurden laut BA Anzeigen bis zum vergangenen Montag. Mit der Anzeige von Kurzarbeit starten die Betriebe das förmliche Verfahren, damit Beschäftigte Kurzarbeitergeld erhalten. Bis Ende März hatten 470.000 Betriebe eine Zwangspause angekündigt, die auf eine Unterbrechung der Lieferketten oder auf die massiven Einschränkungen des wirtschaftlichen Lebens zur Eindämmung der Pandemie zurückgehen.

"Wie viele Betriebe am Ende tatsächlich Kurzarbeit realisieren und in welchem Umfang sie das tun, können wir erst genau sagen, wenn die Kurzarbeit abgerechnet wird", sagte BA-Chef Detlef Scheele. Die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute gehen in ihrem Gutachten für die Bundesregierung von 2,4 Millionen Kurzarbeitern aus.

Die bisherige Rekordzahl wurde im Mai 2009 mit knapp 1,47 Millionen Kurzarbeitern verzeichnet. In dem Monat wurde in knapp 57.000 Betrieben kurzgearbeitet. Damals waren aber vor allem größere Firmen etwa in der Automobilbranche betroffen. Dieses Mal sind weitaus mehr Branchen betroffen bis hin zu kleinen Geschäften mit wenigen Beschäftigten. Aus der nun mehr als zehn Mal so hohen Zahl an Betrieben kann daher nicht auf die Zahl der betroffenen Arbeitnehmer hochgerechnet werden.

BUNDESREGIERUNG BERÄT ÜBER AUFSTOCKUNG VON KURZARBEITERGELD

In der Bundesregierung und in der Koalition waren am Donnerstag auf verschiedenen Ebenen Gespräche über Möglichkeiten zur Aufstockung des Kurzarbeitergeldes geplant. Arbeitsminister Hubertus Heil äußerte sich zur gestiegenen Zahl der Anzeigen, aber nicht zur Höhe der Entschädigung für Arbeitnehmer. "Mit dem Kurzarbeitergeld sichern wir Millionen von Arbeitsplätzen", erklärte der SPD-Politiker. Heil sieht vor allem Arbeitgeber in der Pflicht, die Zahlungen der BA aufzustocken, hat eine gesetzliche Aufstockung aber nicht ausgeschlossen.

Mit dem Kurzarbeitergeld kompensiert die BA 60 Prozent und für Beschäftigte mit Kindern 67 Prozent des Lohnausfalls durch Kurzarbeit. Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) forderte eine gesetzliche Erhöhung auf 80 beziehungsweise 87 Prozent. Einer Köchin in Berlin etwa, die zu 100 Prozent in Kurzarbeit geschickt werde, blieben bei einem Einkommensverlust von 40 Prozent noch rund 900 Euro zum Leben.

Der Arbeitnehmerflügel der Unions-Fraktion im Bundestag sprach sich für ein aus Steuern finanziertes Mindest-Kurzarbeitergeld für Geringverdiener aus. Das Kurzarbeitergeld müsse notfalls von der BA automatisch auf das Einkommen eines Vollzeitbeschäftigen mit Mindestlohn aufgestockt werden, erklärte der Chef der Arbeitnehmergruppe, Uwe Schummer (CDU). BA-Chef Scheele rief zu einer bürokratisch handhabbaren Lösung auf: "Es darf nicht komplizierter werden." Derzeit setze die BA 8000 Beschäftigte zur Bearbeitung von Kurzarbeitanträgen ein.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft VDA rechnet 2026 mit rund 693.000 neuen E-Autos
08.12.2025

Deutschlands Autokäufer stehen vor einem elektrischen Wendepunkt: Verbände prognostizieren deutliche Zuwächse bei Elektroautos und...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Machtwechsel im Arbeitsmarkt 2025: Arbeitgeber geben wieder den Ton an
08.12.2025

Der Wind am Arbeitsmarkt 2025 dreht sich offenbar: Nach Jahren der Bewerbermacht gewinnen Unternehmen wieder Spielraum. Jan-Niklas Hustedt,...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Insolvenzzahlen 2025: Warum Firmenpleiten weiter steigen
08.12.2025

Deutschlands Insolvenzzahlen klettern auf den höchsten Stand seit Jahren. Besonders Mittelstand, Handel und Autozulieferer geraten unter...

DWN
Finanzen
Finanzen Klöckner & Co-Aktie hebt ab: Übernahmefantasie und positive Analysteneinstufung treiben Aktienkurs
08.12.2025

Die Klöckner-Co-Aktie schießt hoch, weil erneut Übernahmegespräche kursieren. Doch hinter dem Kurssprung steckt eine lange...

DWN
Politik
Politik EU-Krisenpolitik: Ein Plüschelefant gegen Putin und Trump
08.12.2025

Ein harmloser Plüschelefant entlarvt ein System voller Überregulierung und geopolitischer Schwäche. Warum ein Plüschelefant die...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Europa unterschätzt die Rohstoffkrise: Ex-Rio-Tinto-Chef stellt der EU ein vernichtendes Urteil aus
08.12.2025

Europa will sich aus der Rohstoffabhängigkeit von China befreien,doch laut Jakob Stausholm, dem langjährigen Chef des Bergbaukonzerns Rio...

DWN
Technologie
Technologie Stromproduktion: Rekord bei Strom aus Wind und Sonne
08.12.2025

Deutschlands Stromproduktion hat im Sommer neue Rekorde erreicht: Windkraft und Photovoltaik dominieren, Kohle verliert weiter. Doch...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Industrieproduktion im verarbeitenden Gewerbe setzt Erholung fort
08.12.2025

Die deutsche Industrieproduktion legt erneut zu – vor allem der Bau liefert Rückenwind. Nach dem Einbruch im Sommer mehren sich positive...