Politik

Seehofer attackiert EU-Kommission wegen Seenotrettung und Asylpolitik

In einem Interview hat Bundesinnenminister Horst Seehofer die EU-Kommission scharf kritisiert. Seine Kritik umfasst eine ganze Liste von Brüsseler Fehlleistungen und Kompetenzüberschreitungen gegenüber den Mitgliedstaaten.
22.05.2020 12:22
Lesezeit: 1 min
Seehofer attackiert EU-Kommission wegen Seenotrettung und Asylpolitik
Für zahlreiche Entscheidungen der EU hat Seehofer nur noch wenig Verständnis. (Foto: dpa) Foto: Hannibal Hanschke

Bundesinnenminister Horst Seehofer hat die EU-Kommission unter Führung von Präsidentin Ursula von der Leyen scharf kritisiert. "Ich hatte große Hoffnungen auf die neue EU-Kommission«, sagte der CSU-Politiker dem "Spiegel" in einem am Freitag veröffentlichten Interview. "Heute bin ich, gelinde gesagt, enttäuscht." Vor allem in der Migrationspolitik fühle er sich im Stich gelassen. "Ich darf mich um die Seenotrettung kümmern und um die Kinder in den Flüchtlingslagern in Griechenland. Ich darf mich um eine gemeinsame Asylpolitik bemühen (...) Das sind aber alles Aufgaben der EU." Auch beim jüngsten Vorstoß eines europäischen Investitionsprogramms sei nicht Brüssel der Motor gewesen, sondern Berlin und Paris, bemängelte Seehofer.

Deutschland und Frankreich gelten traditionell als Motor der Gemeinschaft. Eine Einigung der beiden Länder bildet häufig die Grundlage für eine weitergehende Verständigung innerhalb der EU, wenn die Fronten bei einem Streitthema verhärtet sind. Dies ist bislang auch im Tauziehen um europäische Finanzhilfen zur Bewältigung der Corona-Krise der Fall.

Wenig Verständnis zeigte Seehofer auch für die Ankündigung der EU-Kommission, wegen der jüngste Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu den milliardenschweren Staatsanleihenkäufen der Europäischen Zentralbank ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland zu prüfen. "Mir ist aufgefallen, dass die EU ungewöhnlich häufig gegen ihre Mitgliedstaaten Vertragsverletzungsverfahren und Klagen erhebt", sagte der Minister. "Gegen Österreich wegen einer Kindergeldregelung, gegen Polen und Ungarn sowieso, jetzt gegen Deutschland wegen des Verfassungsgerichtsurteils. Ich frage mich: Wie soll so ein Zusammenwachsen in Europa befördert werden?"

Von der Leyen hat Ungarn wegen der umstrittenen Corona-Notstandsgesetze mit einem Vertragsverletzungsverfahren gedroht. Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban hatte sich vom Parlament umfassende Vollmachten geben lassen und kann nun per Dekret regieren und den Notstand ohne Zustimmung des Parlamentes verlängern. Gegen die nationalkonservative Regierung in Polen hat die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren wegen der dortigen Justizreform eingeleitet. Die Kommission wirft der Regierung in Warschau vor, damit die Unabhängigkeit polnischer Richter zu untergraben.

Zugleich kündigte Seehofer seinen vollständigen Ausstieg aus der Politik nach Ablauf der Legislaturperiode an. Nach der Bundestagswahl beginne für ihn ein "totales Kontrastprogramm zu dem, was ich seit 50 Jahren mache", sagte er. "Ich bin dann ein unpolitischer Mensch. Sie werden mich in keinem Aufsichtsrat finden. Sie werden mich mit der aktuellen Politik nicht locken können, auch wenn sie mich vielleicht noch so ärgert."

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt Kunstmarkt: Familienangelegenheiten im Auktionshaus Lempertz - und was Unternehmer davon lernen können
09.05.2025

Lempertz in Köln ist das älteste Auktionshaus der Welt in Familienbesitz. Isabel Apiarius-Hanstein leitet es in sechster Generation. Erst...

DWN
Immobilien
Immobilien Soziale Brennpunkte: Armut, Migration und Überalterung – Wohnquartiere überfordert
09.05.2025

Armut, Migration, Wohnungsmangel, Überalterung und Einsamkeit: Immer mehr Wohnquartiere in Deutschland sind überfordert. Eine neue Studie...

DWN
Finanzen
Finanzen Commerzbank-Aktie auf Rekordkurs nach starkem Quartalsgewinn – und nun?
09.05.2025

Die Commerzbank-Aktie hat zum Start in den Börsenhandel am Freitag zugelegt – und im Handelsverlauf ein neues Jahreshoch erreicht. Das...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft EU schlägt zurück: Diese US-Produkte stehen nun im Visier von Brüssel
09.05.2025

Die Europäische Kommission hat eine umfassende Liste von US-Produkten veröffentlicht, auf die im Falle eines Scheiterns der Verhandlungen...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Daimler-Sparprogramm: Was plant Daimler Truck in Deutschland?
09.05.2025

Der Nutzfahrzeughersteller Daimler Truck strebt an, seine Wettbewerbsfähigkeit in Europa zu erhöhen und hat sich mit dem...

DWN
Panorama
Panorama Endlos-Hitze droht im Sommer: Wetterextreme betreffen jüngere Generationen erheblich stärker
09.05.2025

Endlos-Hitze droht im Sommer - diese Schlagzeile geistert an diesem Freitag durch die Medien. Klar ist, dass die Folgen der globalen...

DWN
Technologie
Technologie Datenfalle USA: Warum viele Unternehmen in Gefahr sind - ohne es zu merken
09.05.2025

Viele Unternehmen übertragen täglich Daten in die USA – und merken nicht, dass sie damit in eine rechtliche Falle tappen könnten. Das...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Chinas Exporte überraschen - Fokus auf die USA
09.05.2025

Trotz des anhaltenden Handelskonflikts mit den Vereinigten Staaten sind Chinas Exporte überraschend robust geblieben. Der Außenhandel mit...