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"Nachhaltige" Umweltbanken berechnen Negativzinsen: Der große Widerspruch

Lesezeit: 4 min
16.09.2020 09:10  Aktualisiert: 16.09.2020 09:10
Öko-Banken wollen das Bankgeschäft mit ethischen Aspekten vereinen. Aber was ist ethisch daran, seinen Kunden Negativzinsen zu berechnen?
"Nachhaltige" Umweltbanken berechnen Negativzinsen: Der große Widerspruch
Motto: Nehmen statt Geben. Die meisten deutschen Öko-Banken verlangen von ihren Kunden Negativzinsen. (Foto: dpa)

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Gestern haben die DWN die Marktlage bezüglich deutscher Banken und Negativzinsen sondiert. Eines ist besonders aufgefallen: Schon fünf von sieben bundesweit bekannten Umweltbanken verlangen Strafzinsen auf Sparkonten. Immerhin gestehen viele Geldinstitute ihren Kunden noch Freibeträge zu. Nicht so die christliche "Steyler Bank", laut eigenen Angaben die älteste ethische Bank Deutschlands. Sie klotzt, anstatt zu kleckern, und verzinst gleicht jeden eingezahlten Euro mit minus 0,5 Prozent.

Die folgenden sozialen Banken verlangen Negativzinsen:

Ethik-Bank: 0,4 Prozent ab 100.000 Euro

Zusätzlich Kontoführungsgebühr für Tagesgeldkonten von 3 Euro pro Monat

GLS-Bank: 0,5 Prozent ab 250.000 Euro

Zusätzlich zahlen alle GLS-Kunden ab 28 Jahren einen Pauschalbetrag von 5 Euro pro Monat (Kunden unter 28 Jahren zahlen 1 Euro)

Steyler Bank: 0,5 Prozent ohne Freibetrag

Tridos Bank: 0,5 Prozent ab 100.000 Euro

Umweltbank: 0,5 Prozent ab 200.000 Euro

Unter den bekannten Ökobanken verlangen einzig „KD-Bank“ und „Oikocredit“ keinerlei Negativzinsen.

Mir stellt sich die Frage: Wieso wird man dafür bestraft, dass man große Summen bei einer ethisch einwandfreien Bank deponiert? Es gibt doch generell nichts umweltfreundlicheres, was man mit seinem Geld machen kann, als es auf die Bank zu legen, eine Öko-Bank noch dazu. (Die Frage, wer definiert, wann eine Investition „ethisch korrekt“ ist und wie laufend kontrolliert wird, dass die finanzierte Unternehmung nach wie vor ethisch ist, lasse ich dabei bewusst außen vor).

Wer sein Geld aufs Konto legt, kauft keine Waren und nimmt keine Dienstleistungen in Anspruch, die unweigerlich fast ausnahmslos mit Umweltverschmutzung und Kohlendioxid-Emissionen verbunden sind (kurz: er verzichtet auf Konsum – welches Verhalten kann edler sein?). Er kauft auch keine Anteilsscheine oder Anleihen von umweltverschmutzenden und Kohlendioxid-emittierenden Unternehmen. Stattdessen gibt er das Geld einer Bank, die damit Projekte und Firmen finanzieren kann, die etwas gegen Umweltverschmutzung und Kohlendioxid-Emissionen unternehmen beziehungsweise unternehmen wollen (inwieweit ihnen das gelingt, inwieweit dieses Anliegen immer sinnvoll ist, sei dahingestellt).

Klar ist: Öko-Banken sollten Menschen nicht mit Negativzinsen abstrafen, die so viel Gutes für die Umwelt tun. Hier liegt ein klares Anreizproblem vor.

Die Versprechungen der Umweltbanken

Auch die Pauschalgebühr der GLS-Bank verwundert. Kontoführung ist zwar eine Leistung, für die man natürlich eine monetäre Kompensation verlangen kann. Aber in Kombination mit den Negativzinsen entsteht hier der Eindruck, dass sich die Bank – wie so viel andere – nur am Profit ausrichtet und das Ökoprädikat nur für Marketing-Zwecke einsetzt.

Das ist schade, denn auf der Website wirbt man mit blumigen Worten um neue Kunden:

„Lernen Sie die GLS Bank kennen! Eine Bank, die nachhaltige Unternehmer*innen finanziert, statt an Finanzmärkten zu spekulieren, damit neue sozial-ökologische Angebote in unserer Gesellschaft entstehen.

Unsere zukunftsweisende Bankarbeit nützt den Menschen, der Umwelt und hat auch den ökonomischen Gewinn zur Folge. Dabei finden Sie hier alles, was Sie von einer modernen Bank erwarten: Girokonto, nachhaltige Fonds, Beteiligungen, Stiftungsangebote, Vorsorge. Und mehr. Zum Beispiel Möglichkeiten zu schenken und sich per Crowd zu beteiligen.“

Von vollständiger Transparenz über die Verwaltung der Gelder ist aber leider nicht die Rede. Dies bietet zum Beispiel das noch sehr junge Öko-Fintech „Tomorrow“ an.

Trotzdem ist festzuhalten: Es ist absolut legitim, sein Geschäftsmodell der Nachhaltigkeit zu widmen. Außerdem wird vorbildlich gegendert, das ist modern und zeugt von Stil. Dennoch frage ich mich, warum das nachhaltige Bankgeschäft automatisch einen ökonomischen Gewinn zur Folge hat. Banken können Verluste schreiben, selbst rein profitorientierte Banken, das wissen wir nicht erst seit der letzten Finanzkrise. Warum sollen dann Öko-Banken vor Verlusten gefeit sein? Zumal Öko-Banken durch ihre Ausrichtung wohl höhere Ausfallrisiken als klassische Banken in ihren Portfolios haben. Denn nachhaltige Projekte, die bei klassischen Banken als zu riskant abgelehnt werden, landen tendenziell bei ihren ökologisch korrekten Mitbewerbern.

Es mag zynisch klingen: Aber einzig die Negativzinsen verschaffen wirklich direkt einen ökonomischen Gewinn. Natürlich gelten diese meist „nur“ für Konten mit längerfristiger Kapitalbindungsdauer. Da diese Mittel aber auch mehr Planungssicherheit für die Umweltbank bei der Finanzierung umweltfreundlicher und -verbessernder Unternehmungen bietet, sollte die Bank eigentlich daran interessiert sein, Gelder in diese Richtung zu lenken, wenn man denn bankintern möglichst effizient die Umwelt verbessern möchte. In diesem Kontext sollte das Geldinstitut also keine negativen, sondern positive Verzinsungen anbieten.

Nun könnte man sagen, dass es meist relativ hohe Freibeträge gibt. Das ist richtig, aber: Je mehr Geld man bei einer Öko-Bank anlegt, umso größer ist der individuelle Beitrag zur Umwelt – sofern die jeweilige Umweltbank ihre Versprechen erfüllt. Das einzige Argument für die Negativverzinsung ist also: „Die Kunden, die das machen, können sich das ja sowieso leisten“, und diese Einstellung ist nicht besonders ethisch.

Negativzinsen sind nicht nachhaltig

Wer Negativzinsen (ab einem bestimmten Freibetrag) moralisch rechtfertigen will, der müsste beweisen, dass Menschen (mit Sparsummen über dieser bestimmten Größenordnung) das Geld (über dem Freibetrag) gerne abgeben oder zumindest nicht darunter leiden.

Nun ist es aber so, dass Menschen eine positive Zeitpräferenz haben: Aufgrund der Zukunftsunsicherheit ziehen wir es immer vor, einen Geldbetrag schon heute zur Verfügung zu haben als den nominal identischen Geldbetrag in der Zukunft. Für eine Zukunftsverlagerung verlangen Menschen eine Risikoprämie, den sogenannten „Urzins“, und dieser Urzins muss positiv sein. Einen natürlichen Negativzins kann es nicht geben (dieser kann also nur künstlich durch massive Verzerrungen des Geldmarktes erzeugt werden). Ein Negativzins widerspricht der Natur des Menschen und ist schon allein aus diesem Grund unmoralisch. Und natürlich auch alles andere als umweltfreundlich.

Denn Negativzinsen geben falsche Anreize. Sie regen den Konsum und die Verschuldung in der Gegenwart an, das Sparen wird dagegen bestraft. Durch die Verzerrung der Zinsen – also der Kosten des Geldes – kommt es zur Fehlallokation von Ressourcen und Produktionsmitteln. Projekte, die eigentlich nicht rentabel sind, werden finanziert, die Verschuldung steigt in ungeahnte Höhen, durch den Leverage-Effekt entstehen Vermögenspreis-Blasen, die wiederum den kleinen Mann über Mietsteigerungen besonders hart treffen. Das ist genau das Gegenteil von nachhaltigem Wirtschaften; diese Problematik wurde bereits im frühen 20. Jahrhundert in Ludwig von Mises Konjunkturtheorie aufgegriffen.

Umwelt-Banker könnten entgegnen, dass das Horten von Kapital schädlich für die Wirtschaft ist, weil es nicht in den Wirtschaftskreislauf zurückfließt. Das ist aus zwei Gründen widersinnig.

  1. Zum einen widerspricht es der grünen Ansicht der schädlichen Auswirkung des Konsums auf die Umwelt
  2. Zum anderen ist es auch aus ökonomischer Sicht grundfalsch. Kurz gesagt ist Sparen die Voraussetzung für nachhaltigen Wohlstand, sowohl einzel- als auch gesamtwirtschaftlich.

Immerhin: Ein einziges potentielles Argument der Ökobanken ist halbwegs stichhaltig. Schließlich geht es bei diesen Instituten definitionsgemäß nur darum, Kundengelder ethisch einzusetzen, nicht explizit darum, diese auch ethisch einzusammeln. Für die Kunden vielleicht ein schwacher Trost …

Zum Autor:

Jakob Schmidt ist studierter Volkswirt und schreibt vor allem über Wirtschaft, Finanzen, Geldanlage und Edelmetalle.


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