Gold und Silber - rosige Aussichten
Gold:
An nahezu allen Börsen weltweit wird der Goldpreis – und viele andere Rohstoffpreise – in US-Dollar notiert. Ein schwacher-Dollar sollte dem Goldpreis also Rückenwind geben, denn in anderen Währungen gerechnet wird das Edelmetall dadurch billiger. Trotzdem war die monatelange Rally Anfang August (nach einem Rekordpreis von 2.063 Dollar) vorbei und es folgten für einige Wochen deutlich sinkende Preise.
Während des Preis-Absturzes rund um den 20. September waren die Handelsvolumina mit Derivaten – insbesondere Optionen – an der COMEX-Börse in den USA teils ungewöhnlich hoch. Bei 1.860 Dollar erreichte Gold ein zwischenzeitliches Tief und ist mittlerweile wieder auf dem Weg nach oben. Aktuell notieren die Preise bei rund 1.900 Dollar.
Silber:
Das Gold des kleinen Mannes wurde während der schier endlosen Gold-Hausse der letzten Jahre oft links liegen gelassen. Im Mai begann dann, synchron mit dem Einbruch des US-Dollars, ein enormer Preis-Aufschwung von rund 15 Dollar auf 29 Dollar, also fast eine Verdoppelung. Fast zeitgleich mit dem Abfall der Goldpreise, fiel auch Silber, und zwar – wenig überraschend für das volatile Edelmetall – um happige 20 Prozent. Die jüngste Erholung auf rund 24 Dollar zeigte sich ebenso synchron mit der Entwicklung des Goldpreises.
Gesamtangebot und Gesamtnachfrage sollen sich laut Prognose des „Silver Institute“ in diesem Jahr ungefähr die Waage halten. Anders als bei Gold ist für Silber aber neben der Investment-Nachfrage auch die Industrie-Nachfrage ein wichtiger Preistreiber und die Industrie-Nachfrage bleibt in Corona-Zeiten unsicher. Solarzellen sind das wichtigste Nachfragesegment und global werden die Solarkapazitäten für das Jahr 2020 insgesamt sinken. Auch aus anderer Richtung könnte der Silberpreis unter Druck geraten: Die Bestände der ETFs sind im September gesunken.
Unterdessen deutet das Gold-Silver-Ratio (Goldpreis relativ zu Silberpreis) von aktuell circa 80 an, dass Silber – sehr langfristig betrachtet – seine goldene (oder sollte es besser heißen: silberne) Stunde noch bevorstehen könnte.
Korrelationen und Aussichten
Die stark korrelierten Wendepunkte beim Gold- und Silberpreis (Mitte September) deuten darauf hin, dass die Preiskorrekturen – die auch andere Edelmetalle wie Platin und Palladium erfasste – neben allgemeinen Gewinnmitnahmen auch auf Portfolioumschichtungen beruhen und teilweise zusätzlich durch die oben erwähnten massiven Bewegungen an den Derivate-Märkten und die dadurch erhöhte Preis-Volatilität begünstigt wurden. „Goldreporter“ berichtete jedenfalls von einem temporären Rückzug der Spekulanten an der COMEX aus ihren Long-Positionen für Gold. Ähnliches könnte auch für die anderen Edelmetalle, Rohstoffe wie Kupfer und sogar Nichtmetalle wie Holz, Weizen und Sojabohnen zuzutreffen. Allesamt zeigen sie markante Preisrückgänge im Zeitraum vom 15. bis 23. September
Rohstoff-Analyst Carsten Fritsch von der Commerzbank sieht den Gold- und Silbermarkt nach den letzten Wochen als „überverkauft“ an. Die Preise sollten also wieder ordentlich steigen, zumal das langfristige Umfeld für Edelmetalle weiterhin sehr gut ist. „Aus unserer Sicht ist es offensichtlich, dass signifikant steigende Preise deutlich wahrscheinlicher sind als signifikant fallende Preise“, so Fritsch.
Andere Handelshäuser sehen das ähnlich. Die jüngsten Preiskorrekturen bei Gold und Silber werden in Fachkreisen als eine normale Zwischenphase angesehen, denn Investoren haben zwischenzeitlich große Positionen in Gold und Silber aufgebaut, die nun teilweise glattgestellt worden sind. Mittelfristig geht es demnach weiter aufwärts.
Experten von der Citigroup prognostizieren noch vor Jahresende eine Rückkehr des Goldpreises auf über 2.000 Dollar. Eine Nervosität der Anleger bezüglich der Präsidentschaftswahl in den USA (3. November) sehen die Analysten der US-Großbank als möglichen Katalysator für neue Höchstpreise.
Was spricht noch mittelfristig für Gold?
Das Risiko verschärfter Corona-Maßnahmen, erneuter Lockdowns und Insolvenz-Wellen ist weiterhin präsent, und zwar weltweit. Sollte eines dieser pessimistischen Szenarien in einem oder mehreren bedeutenden Wirtschaftsräumen eintreten, gäbe es zwei zusätzliche Faktoren, welche die Edelmetall-Preise beflügeln würden:
- Angebots-Knappheiten durch lokale Produktions-Einschränkungen
- Zunehmende Nachfrage als Krisen-Anlage und Schutz vor Währungsverfall (betrifft primär Gold)
Gut für den Goldpreis ist auch eine stabile Gold-Nachfrage aus Asien. Zum Beispiel importierte Indien im August mit 58,5 Tonnen Gold mehr als doppelt so viel im Vergleich zum Vorjahresmonat, wie der World Gold Council berichtet. Auch die Zentralbank Indiens kauft fleißig Gold auf, von Februar bis August waren es 33,2 Tonnen. Durch die zwischenzeitlich gesunkenen Preisen könnte auch die private Nachfrage wieder anziehen.
Die Großbank Wells Fargo sieht den Preisdämpfer bei Gold als Einstiegschance. „Wir glauben, dass dieser 10-prozentige Rücksetzer zum Teil auf eine Überhitzung des Marktes […] zurückzuführen ist“, wird ein Analyst zitiert. Und weiter. „Wir sind Goldkäufer. […] Wir betrachten Gold bei diesen Preisen als eine gute Kaufgelegenheit und erwarten, wie unsere Ziele für das Jahresende 2021 zeigen, höhere Goldpreise.“
Was spricht langfristig für Gold?
EZB und FED entgleiten trotz dauerhafter Nullzins-Politik weiter in ungesehene Gefilde. Auf die amerikanische Zentralbank folgte nun auch die EZB mit der Meldung, dass sie das Inflationsziel von zwei Prozent in Zukunft flexibler interpretieren will. Überhaupt ist das gesamte makroökonomische Umfeld sehr labil.
Der Einstieg der Investoren-Legende Warren Buffet beim größten Goldproduzenten der Welt (Barrick Gold) hat weiterhin eine enorme Signalwirkung. Buffet ist langfristig orientiert, Gold sieht er also als renditeträchtige Anlage für die Zukunft.
In der diesjährigen Ausgabe der renommierten Studie „In Gold we trust“ der Lichtensteiner Vermögensverwaltung „Incrementum AG“ prognostizieren die Autoren im Rahmen einer konservativen Schätzung einen Preis von 4.800 Dollar bis zum Ende des Jahrzehnts.
Platinmetalle - große Unsicherheiten
Die Preis-Entwicklung der Platinmetalle im Jahr 2020 ähnelt sich sehr. Ein Anstieg zu Jahresbeginn, gefolgt von einem phänomenalen Einsturz durch die Corona-Krise und einer deutlichen Erholung ab Ende März.
Das verwundert nicht: Die Platinmetalle werden alle hauptsächlich als Nebenerzeugnis beim Abbau von Nickel und Kupfer gewonnen und haben teils ähnliche Verwendungen in der produzierenden Wirtschaft. Die wichtigste Industrieverwendung von Platinmetallen findet sich als Bestandteil von Katalysatoren für Autos mit Benzin- oder Dieselantrieb. Der bedeutendste Markt für Abgaskatalysatoren ist (noch) Europa. In der EU sind die Verkäufe laut europäischem Automobilherstellerverband im ersten Halbjahr 2020 um 48% eingebrochen. Im Juni und Juli folgte eine Erholung, bevor die Absätze im August wieder stark zurückgingen (minus 19 Prozent zum Vorjahresmonat). Für die Nachfrage nach Platin und Co. ist die jüngste Entwicklung verheerend.
Der Abbau ist in Südafrika konzentriert, besonders stark für Rhodium (rund 80 Prozent) und Platin (rund zwei Drittel). Bei Palladium entfällt rund ein Drittel der Minenproduktion auf Südafrika. Das Angebot an Platinmetallen ist durch die dortigen Corona-bedingten Produktionseinschränkungen stark unter Druck geraten.
Platin:
Wer in den letzten Jahren auf das neben Gold und Silber bekannteste Edelmetall gesetzt hat, hatte nicht viel Glück auf seiner Seite. Einstmals wertvoller als Gold, zeigt der Trend für Platin spätestens seit 2011 stetig nach unten. Die Rally nach dem Corona-Einbruch endete im August, aktuell notiert das Metall bei rund 880 Dollar pro Unze.
Der Platin-Markt wird dieses Jahr voraussichtlich mit einem industriellen Angebotsüberschuss beenden. Vor einigen Monaten hatten Experten hier noch mit einem Nachfrage-Überschuss gerechnet, man wurde vom August-Einbruch des Automobilmarktes und der steigenden Kapazitätsauslastung der Minen in Südafrika überrascht. Die Anleger-Nachfrage wird aber durch den – historisch gesehen – relativ niedrigen Preis angeregt, was sich auch an den steigenden ETF-Beständen zeigt.
In der industriellen Nachfrage gibt es gegenläufige Trends. Die Katalysatoren-Nachfrage ist enorm unter Druck (siehe oben). Dem könnte ein Trend zu Wasserstoffantrieben gegenüberstehen, wo Platin in Brennstoffzellen verbaut wird.
Palladium:
In den Nullerjahren befand sich Palladium ein wenig unter dem Radar der Investoren. Das vergangene Jahrzehnt war lange Zeit mit flachen Preiskurven versehen, eine Verschärfung der Abgasvorschriften brachte dann eine enorme Nachfrage, die sich in rasante Preisanstiege übersetzte. Anders als für viele andere Rohstoffe war die Corona-Erholung schon im April beendet.
Auch Palladium könnte von einem Trend zur Wasserstoff-Mobilität profitieren, wird aber unter den perspektivischen Verboten von Autos mit klassischen Antrieben zu leiden haben. Genau wie bei Rhodium ist die Bewertung historisch gesehen sehr hoch und das Edelmetall deshalb einem Substitutionsrisiko ausgesetzt. Palladium könnte zunehmend durch das Schwestermetall Platin ersetzt werden, welches aktuell fast dreimal billiger ist. Solche Umschichtungen gab es (auch in umgekehrter Richtung) schon mehr als einmal in diesem Jahrtausend.
Analysten sehen Palladium bei den derzeitigen Kursen von rund 2325 Dollar pro Unze auch deshalb als teuer an, weil das Angebot aktuell (durch eine Erholung der Förderung aus Südafrika) deutlich steigt.
Rhodium:
Das „edelste Edelmetall“ bleibt extrem teuer. Der Hintergrund für die Preisexplosion ab 2017 ist die Verwendung als Werkstoff im Katalysatoren-Bau in der Automobil-Branche zur Reduktion von giftigen Stickoxid-Emissionen. In diesem Bereich ist das Metall stand heute alternativlos. Nach Rekordpreisen bei 14.700 Dollar je Unze notieren die Futures-Kontrakte aktuell bei 13.900 Dollar.
Trotz angeschlagener Weltwirtschaft ist die Rhodium-Nachfrage weniger stark gesunken als erwartet. Das liegt daran, dass der enorme Rückgang des Automobil-Absatzes durch verstärkte Vorschriften in der EU und in China zur Reduktion von Stickoxiden – wofür mehr Rhodium benötigt wird – kompensiert wird. Außerdem hat sich der Automobilmarkt in China stärker vom Corona-bedingten Einbruch erholt als von Experten prognostiziert wurde. Weil das Angebot immer noch unter Druck ist, bleibt insgesamt ein Angebotsdefizit. Dieses Defizit könnte sich aber – im Zuge der momentan stattfindenden Produktionserholung der südafrikanischen Minen – schnell in Luft auflösen. Dort wurden nämlich Lagerbestände an Roherzen aufgebaut, die in den nächsten Monaten verarbeitet werden.
Die Bewertung von Rhodium ist unter diesen Umständen sehr hoch. Darüber hinaus besteht in der Anwendung zur Schadstoff-Reduktion – genau wegen des hohen Preises – ein enormes Substitutionsrisiko.
Bei Rhodium und den Platinmetallen insgesamt ist das Potenzial nach oben gegeben, aber eben auch begrenzt. Bei einer dauerhaften Ausweitung der Förder-Kapazitäten in Südafrika oder einem verschärften Einbruch in der Automobil-Industrie kann es dafür heftig nach unten gehen. Außerdem stellt ein schneller Wechsel in der Positionierung der Spekulanten (von Long zu Flat beziehungsweise Short) vor allem in den nicht sehr liquiden Palladium- und Rhodium-Märkten ein hohes Risiko nach unten dar.
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