Deutschland

Groß-Razzia in Geschäftsräumen des DFB

Der Deutsche Fußball-Bund ist wieder einmal in das Visier der Staatsanwaltschaft geraten. Es geht um den Verdacht der Steuerhinterziehung bei Einnahmen aus der Bandenwerbung. Im Fokus der Ermittler stehen sechs frühere und aktuelle Funktionäre.
07.10.2020 13:24
Aktualisiert: 07.10.2020 13:24
Lesezeit: 2 min
Groß-Razzia in Geschäftsräumen des DFB
07.10.2020, Frankfurt/Main: Ein Polizist geht vor der Zentrale des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) an einem DFB-Logo vorbei. (Foto: dpa) Foto: Frank Rumpenhorst

Die Fahnder kamen am Morgen - und nahmen jede Menge Akten mit. Wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung in besonders schweren Fällen hat die Staatsanwaltschaft Frankfurt/Main am Mittwoch bei einer großangelegten Aktion die Geschäftsräume des Deutschen Fußball-Bundes sowie Privatwohnungen von ehemaligen und aktuellen Verbandsfunktionären in insgesamt fünf Bundesländern durchsucht.

Der Vorwurf: Die Verantwortlichen sollen Erlöse aus der Bandenwerbung von Heimländerspielen der Fußball-Nationalmannschaft in den Jahren 2014 und 2015 „bewusst unrichtig als Einnahmen aus der Vermögensverwaltung erklärt haben“, teilte die Staatsanwaltschaft mit. Damit sei der DFB einer Besteuerung in Höhe von etwa 4,7 Millionen Euro entgangen.

Wieder einmal ist der größte Sportverband der Welt wegen Altlasten aus der Vergangenheit ins Visier der Ermittler geraten. DFB-Boss Fritz Keller kündigte am Mittwoch an, die Ermittlungen „allumfänglich unterstützen“ zu wollen. „Ich bin für Aufklärung, um eine saubere Zukunft für den Fußball zu haben“, sagte der 63-Jährige bei der Bundespressekonferenz in Berlin. Keller steht seit September 2019 an der Spitze des DFB, bei dem er zuvor kein Spitzenamt inne hatte.

„Die wegen des Verdachts der fremdnützigen Hinterziehung von Körperschafts- und Gewerbesteuern in besonders schweren Fällen geführten Ermittlungen richten sich gegen sechs ehemalige bzw. gegenwärtige Verantwortliche des DFB“, teilte die Behörde weiter mit. An den Maßnahmen in Hessen, Bayern, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz waren insgesamt rund 200 Beamte von Staatsanwaltschaft, Steuerfahndung, Bundeskriminalamt und Bundespolizei beteiligt.

Im Kern geht es bei den Vorwürfen um einen Passus in einem am 11. Dezember 2011 zwischen dem DFB und Infront geschlossenen Vertrag, in dem sich die Schweizer Vermarktungsagentur auf Wunsch des DFB dazu verpflichtet haben soll, keine Rechte an der Bandenwerbung bei Heimländerspielen der Nationalmannschaft an Konkurrenten des damaligen Generalsponsors (Mercedes) und Generalausrüsters (adidas) zu vergeben.

Dadurch soll der DFB trotz der Verpachtung der Rechte über seine Sponsorenverträge aktiv bei der Vergabe der Bandenwerbeflächen mitgewirkt haben. Die Einnahmen hätten daher nach Ansicht der Staatsanwaltschaft nicht der steuerfreien Vermögensverwaltung, sondern dem steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zugeordnet werden müssen.

„Nach den bisherigen Ermittlungen besteht der Verdacht, dass die Beschuldigten von dieser steuerlichen Unrichtigkeit wussten, sie aber bewusst wählten, um dem DFB hierdurch einen Steuervorteil von großem Ausmaß zu ermöglichen“, erklärte Oberstaatsanwältin Nadja Niesen. Die Namen der Verdächtigen nannte die Behörde nicht.

Fest steht: Der Deal zwischen dem Verband und Infront wurde in der Amtszeit von DFB-Präsident Wolfgang Niersbach ausgehandelt. Der 69-Jährige war später jedoch über die Sommermärchen-Affäre um eine immer noch nicht aufgeklärte Zahlung von 6,7 Millionen Euro im Zusammenhang mit der Heim-WM 2006 gestolpert und am 9. November 2015 zurückgetreten. „Bei mir hat keine Durchsuchung stattgefunden. Ich habe auch ansonsten keinerlei Kenntnis“, sagte Niersbach der Deutschen Presse-Agentur.

Das Amt übernahmen Ende 2015 interimsmäßig die damaligen Vizepräsidenten Reinhard Rauball und Rainer Koch. Schatzmeister war zum fraglichen Zeitpunkt Reinhard Grindel, dem im April 2016 - nach dessen Aufstieg zum DFB-Präsidenten - Stephan Osnabrügge nachfolgte. Als Generalsekretär fungierte Helmut Sandrock, der im März 2016 von Friedrich Curtius abgelöst wurde. Präsident, Generalsekretär und Schatzmeister sind beim DFB für die Abzeichnung der Steuererklärung verantwortlich.

Mit seiner Bandenwerbung, ein wichtiger Teil der Vermarktung des Weltmeisters von 2014, steht der DFB schon länger in der Kritik. Erst kürzlich hatten der Verband und Infront ihre Zusammenarbeit nach fast 40 Jahren beendet. Ursache waren die Ergebnisse einer Untersuchung des Beratungsunternehmens Esecon. Demnach soll die Vermarktungsagentur Infront 2013 bei der Vertragsverlängerung den Zuschlag für das Geschäft erhalten haben, obwohl ein Konkurrent bis zu 18 Millionen Euro mehr geboten habe. Infront hatte die Vorwürfe zurückgewiesen und die Kündigung durch den DFB nicht anerkannt - danach kam es zu der Trennung, die „einvernehmlich“ genannt wurde.

Die Vorwürfe der Steuerhinterziehung lassen den Verband erneut in einem schlechten Licht erscheinen. Denn der DFB kämpft immer noch mit den Nachwehen der Affäre um die WM 2006. Bei der Frankfurter Staatsanwaltschaft ist noch ein Verfahren wegen Steuerhinterziehung gegen die ehemaligen Top-Funktionäre Theo Zwanziger, Horst R. Schmidt und Niersbach anhängig.

Der Verband will die damaligen Vorgänge noch einmal eingehend untersuchen lassen. „Es ist höchst unbefriedigend, ja frustrierend, dass wir noch immer kein abschließendes Bild rund um die infrage stehenden Abläufe der WM 2006 haben. Damit will ich mich nicht abfinden“, sagte DFB-Boss Keller. Nun muss er sich mit weiterem Ungemach beschäftigen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik Beamte in die Rente? SPD und Experten unterstützen Reformidee
12.05.2025

Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas erhält Unterstützung aus der SPD für ihren Vorschlag, künftig auch Beamte, Selbstständige und...

DWN
Finanzen
Finanzen Goldpreis aktuell: Deutlicher Kursrutsch nach Zoll-Einigung zwischen USA und China – jetzt Gold kaufen?
12.05.2025

Der Goldpreis ist am Montagmorgen unter Druck geraten. Der Grund: Im Zollkonflikt zwischen den USA und China stehen die Zeichen auf...

DWN
Finanzen
Finanzen Rheinmetall-Aktie bricht ein: Strategischer Umbau und politische Entwicklungen belasten – Chance zum Einstieg?
12.05.2025

Die Rheinmetall-Aktie ist am Montag eingebrochen. Nach dem Rheinmetall-Allzeithoch am vergangenen Freitag nehmen die Anleger zum Start in...

DWN
Politik
Politik Friedensoffensive: Selenskyj lädt Putin zu persönlichem Treffen in die Türkei ein
12.05.2025

Selenskyjs persönliches Gesprächsangebot an Putin in der Türkei und sein Drängen auf eine sofortige, 30-tägige Feuerpause setzen ein...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Entspannung im Handelskrieg? China und USA nach Genf optimistisch
12.05.2025

Bei ihren Zollgesprächen haben China und die USA nach Angaben der chinesischen Delegation eine „Reihe wichtiger Übereinstimmungen“...

DWN
Politik
Politik Hoffnung auf neue Gespräche: Putin bietet Verhandlungen mit Ukraine an
12.05.2025

Wladimir Putin schlägt überraschend neue Verhandlungen mit der Ukraine vor – doch Kiew und der Westen setzen ihn mit einem Ultimatum...

DWN
Technologie
Technologie Das Ende von Google? Warum SEO dennoch überleben wird
12.05.2025

Künstliche Intelligenz verändert die Online-Suche radikal – doch wer jetzt SEO aufgibt, riskiert digitalen Selbstmord.

DWN
Politik
Politik Großbritanniens leiser EU-Kurs: Rückkehr durch die Hintertür?
12.05.2025

Offiziell betont die britische Regierung unter Premierminister Keir Starmer weiterhin die Eigenständigkeit Großbritanniens nach dem...