Politik

Will die italienische Regierung das Militär gegen Anti-Corona-Demonstranten einsetzen?

In Italien droht offenbar ein Einsatz des Militärs im Inland, um die Anti-Corona-Proteste einzudämmen. Ein renommierter Anti-Mafia-Staatsanwalt hatte einen Tag vor der Sitzung des Obersten Verteidigungsrats gesagt, dass sich die Anti-Corona-Proteste in Neapel gegen den Staat richten würden. Sie seien von der Camorra organisiert.
28.10.2020 14:38
Aktualisiert: 28.10.2020 14:38
Lesezeit: 2 min

Am 27. Oktober 2020 fand kurz nach den gewaltsamen Protesten gegen die jüngsten Corona-Maßnahmen in diversen Städten die jährliche Sitzung des Obersten Verteidigungsrats der Republik Italien statt. Der Guardian berichtet, dass im Rahmen der Sitzung der Einsatz des Militärs im Inland erörtert wurde, um die Anti-Corona-Proteste einzudämmen.

In der Erklärung des Obersten Verteidigungsrats heißt es: „Der Präsident der Republik, Sergio Mattarella, leitete heute die Sitzung des Obersten Verteidigungsrates im Quirinale-Palast. An dem Treffen nahmen teil: der Präsident des Ministerrates, Prof. Giuseppe Conte; der Minister für auswärtige Angelegenheiten und internationale Zusammenarbeit, Hon. Luigi Di Maio; der Innenminister, Dott.ssa Luciana Lamorgese; der Verteidigungsminister, der Hon. Lorenzo Guerini; der Minister für Wirtschaft und Finanzen, Hon. Prof. Prof. Roberto Gualtieri; der Minister für wirtschaftliche Entwicklung, Sen. Stefano Patuanelli; der Stabschef der Verteidigung, Gen. Enzo Vecciarelli. Der Staatssekretär bei der Präsidentschaft des Ministerrates, Hon. Riccardo Fraccaro; der Generalsekretär der Präsidentschaft der Republik, Dr. Ugo Zampetti; der Sekretär des Obersten Verteidigungsrates und Gen. Rolando Mosca Moschini waren ebenfalls anwesend. Nachdem der Rat allen Verteidigungsabteilungen, die ihren wertvollen Beitrag mit gesundheitlichen, logistischen und operativen Strukturen zur nationalen Reaktion auf die COVID-19-Pandemie leisten, seinen Dank ausgesprochen hat, hat er einen Standpunkt zu den Hauptbereichen der Präsenz der Streitkräfte in den verschiedenen Operationssälen ausgearbeitet. Der Gesundheitsnotstand hat zu einer globalen Krise mit sozialen und wirtschaftlichen Folgen geführt, die Konflikte in verschiedenen Regionen der Welt verschärfen können. Ein Relaunch von Multilateralismus, Solidarität und Zusammenarbeit in allen Bereichen ist in dieser Phase unabdingbar.“

In der Erklärung gibt die Regierung einen Hinweis auf die Bedrohung, die durch „Terroristen“ in Libyen und anderswo ausgehe. Auch weitere Brennpunkte werden genannt. Kritiker behaupten, dass es sich bei diesen Argumenten um einen Vorwand handeln würde, um das Militär im Innern einzusetzen.

In der Erklärung heißt es weiterhin: „In diesem Zusammenhang wurde schließlich vereinbart, das Gesetz 244/2012 ,Überprüfung des nationalen Militärinstruments‘ zu überprüfen, um Korrekturmaßnahmen in Bezug auf den geänderten Referenzkontext zu ermitteln und mit dem Abschluss des Reformprozesses der Verteidigung im einheitlichen und zwangsinternen Sinne im Einklang mit dem Diktat des Gesetzes 25/1997 fortzufahren.“

Il Giornale berichtet: „Die Spannungen der letzten Tage beunruhigen auch das Staatsoberhaupt (…) Es ist offensichtlich, dass der Präsident der Republik auf die zahlreichen Demonstrationen aufmerksam wurde, von denen viele zu gewalttätigen Ereignissen geführt haben. In diesen Stunden kursierten Gerüchte über eine mögliche Stärkung der nationalen Sicherheitsvorkehrungen durch den Einsatz einer größeren Anzahl von Soldaten auf der Straße. Die Entscheidung liegt offensichtlich bei der Regierung und dem Parlament, aber die Richtlinien könnten von Mattarella vorgeschlagen werden.“

Einen Tag vor der Sitzung des Obersten Verteidigungsrats hatte der Anti-Mafia-Staatsanwalt Cafiero De Raho behauptet, dass sich die jüngsten Anti-Corona-Proteste gegen den Staat richten würden.

„Was am Freitagabend passiert ist, ist ein echter Angriff auf den Staat. Einige Ereignisse sind so gewalttätig, dass sie zeigen, dass diejenigen, die teilgenommen haben, sicherlich keine Gastronomen sind. Die Unterstützung öffentlicher Demonstrationen dieser Art ist für die Camorra sicherlich von großer Bedeutung, da sie den Teil an sich bindet, der mehr als andere die Folgen der Schließungen spürt. Wo es wirtschaftliche Schwierigkeiten gibt, die nicht vom Staat gelöst werden, greifen Mafia-Organisationen ein“, zitiert Cronachedi De Raho.

Die Camorra sei gegen die Maßnahmen, weil sie dadurch ihre illegalen finanziellen Geschäfte nicht abwickeln könne.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Rohstoffmacht China: Wie Peking Europas Mittelstand in die Abhängigkeit treibt
16.11.2025

China verschiebt seine Exportkontrollen für Seltene Erden – offiziell um ein Jahr. Doch das ist keine Entspannung, sondern eine...

DWN
Technologie
Technologie Kuka weitet Stellenabbau in Augsburg aus – 560 Jobs betroffen
16.11.2025

Der Roboterhersteller Kuka plant an seinem Stammsitz in Augsburg einen größeren Stellenabbau als zunächst angekündigt. Statt der...

DWN
Immobilien
Immobilien PV-Anlagen für Unternehmen: Wie Betriebe mit Steuerbonus und Eigenstrom doppelt punkten
16.11.2025

Gewerbliche Photovoltaikanlagen gewinnen für den Mittelstand zunehmend an Bedeutung. Durch den Investitionsabzugsbetrag und die...

DWN
Politik
Politik Europa im Wandel: Populismus und Spannungen in Deutschland, England und Frankreich
16.11.2025

Europa steht vor politischen und gesellschaftlichen Herausforderungen, während der Zusammenhalt innerhalb der EU zunehmend brüchig wird....

DWN
Politik
Politik Von der Leyen unter Druck: Zwei Billionen Euro und kein Plan für Europas Bauern
16.11.2025

Der Streit um Agrarsubventionen spaltet die Europäische Union. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen will den EU-Haushalt...

DWN
Finanzen
Finanzen Finanzskandal bei privaten Krediten: HPS und BNP Paribas verlieren hunderte Millionen
16.11.2025

Der Markt für private Kredite außerhalb regulierter Banken erlebt ein rasantes Wachstum, das zunehmend systemische Risiken birgt. Wie...

DWN
Politik
Politik TNT-Produktion in Europa: NATO-Staaten planen neue Fabriken zur Versorgungssicherung
16.11.2025

Europa verfügt derzeit über nur eine Produktionsstätte für NATO‑Standard‑TNT, während mehrere Länder neue Fabriken planen. Wie...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft CO2-Zertifikate: Europas Aufschub, der Autofahrer teuer zu stehen kommt
15.11.2025

Europa verschiebt den Start seines neuen CO2-Handelssystems – doch die Benzinpreise werden trotzdem steigen. Während Brüssel von...